Eva Jähnigen: Standortegesetz nützt Sachsen nicht, es konsolidiert unseren Haushalt nicht

Standortegesetz nützt Sachsen nicht; es konsolidiert unseren Haushalt nicht – wir brauchen eine echte Staatsmodernisierung, ein Personalentwicklungskonzept und eine Kosten-Leistungsprognose für Immobilien
Redebausteine der Abgeordneten Eva Jähnigen zur Aktuellen Debatte "Staatsmodernisierung sieht anders aus – Standortegesetz stoppen" (Linksfraktion) in der 42. Sitzung des Sächsischen Landtages, 12.10., TOP 1
Es gilt das gesprochene Wort!
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"Schwammig und intransparent", "hausbacken", "unseriös" – so beschrieben die Sachverständigen die Kostenplanungen der Staatsregierung zum sogenannten Standortekonzept. Dass es überhaupt ein paar Zahlen gibt, ist Ergebnis hartnäckiger Oppositionsarbeit.
Sie, Herr Ministerpräsident Tillich, haben im Januar dieses Jahres ein Standortkonzept vorgestellt, das an "Effizienz- und Synergiepotentialen" ausgerichtet sei. Die Regierung wolle die schrumpfenden Staatseinnahmen besser beherrschen. Bis März 2011 gebe es einen detaillierten Zeit- und Kostenplan.
Im Mai, nicht März, wurden ganze drei Zahlen vorgelegt, die weder für die Öffentlichkeit noch für das Parlament nachvollziehbar waren. Sie haben dabei sogar die erhofften Einsparungen für Personal mit einmaligen und wiederkehrenden Sachkosten zu verrechnet. Für derartige Fehlleistungen wäre jeder Unternehmer beim Kreditantrag von seiner Bank sofort nach Hause geschickt worden. Die Sachverständigen haben immer wieder betont, dass Personalabbau und Ausgliederung von Leistungen höhere Sachkosten nach sich ziehen.
Auf die Große Anfrage unserer Fraktion gab es im Juli endlich einige Zahlen aus den Ressorts. Durch die Antworten auf unsere Große Anfrage und die Anhörungen zum Standortegesetz im September wurde sehr deutlich, wie vage die finanziellen Annahmen der Staatsregierung sind. Bis heute können weder Parlament noch Landtag die wirtschaftlichen Risiken der angestrebten Standorte einschätzen.

Ungewöhnlich war, dass es die Koalition für diese Anhörungen für erforderlich hielt, leitende Mitarbeiter der mit dem Standortkonzept befassten Ressorts zu platzieren. Diese beantworteten unsere Fragen nach den Kosten der neuen Standorte jeweils mit einem klaren "Ich weiß es nicht". Das Parlament werde die Kosten auf jeden Fall präzise aufgelistet bekommen – später, in den folgenden Haushalten, Jahre nach der Entscheidung.
Erst entscheiden – später über die Kosten klagen. Ob Citytunnel Leipzig, Mietverträge im Paunsdorfcenter oder Straßenbau. Sparen kann man so nicht und einen Staat modernisieren schon gar nicht.
1. Wir fordern eine tragfähige Kostenprognose vor den Standortentscheidungen.
Für den Rechnungshof sind noch nicht einmal die jährlichen Bewirtschaftungskosten für den neuen Standort Döbeln aufgenommen worden. Gleichwohl werden die ersparten Mietkosten für Leipzig munter gegen gerechnet. Für den neuen Standort der Landesdirektion in Chemnitz kennen wir bis heute keine Kostenprognose. Natürlich wird allein von dessen Kosten abhängen, ob und wie lange die im Gesetz selbst gar nicht erst enthaltenen Außenstandorte der Landesdirektion in Leipzig und Dresden aufrecht erhalten werden. Wollen Sie sich die Entscheidung darüber als Abgeordnete aus der Hand nehmen lassen?
2. Wir fordern, dass der Freistaat für seine Immobilien endlich eine Kosten-Leistungsrechnung einführt.
Was ist günstiger für den sächsischen Haushalt – Miete oder Eigenbau? Jede kleine Kommune ist geübt in solchen Einschätzungen. Der Freistaat beherrscht sie nicht. Die Immobilienverwaltung des Freistaates Sachsen kennt im Jahr 11 des Dritten Jahrtausends weder Abschreibungen noch Kosten-Leistungs-Rechnung.
3. Wir fordern eine realistische Bezifferung der durch das Standortekonzept entstehenden Kosten.
Das Standortkonzept soll mindestens 300 Millionen Euro kosten – und es wird teurer werden. Mit dem vorgelegten Standortegesetz wird keine Stelle abgebaut. Personalkosten müssen anders eingespart werden. Sie haben in ihren Rechnungen anstelle nicht prognostizierter Kosten für neue Standorte mit Nullen gerechnet. Sie haben noch nicht einmal geprüft, welcher Personaleinsatz welchen Raumbedarf erfordert. Wenn Sie die bis 2020 geplante Stellenreduzierung bei dem Standortkonzept noch nicht berücksichtigt haben – wer gibt uns Gewähr dafür, dass entsprechend kostensparend geplant und gebaut wird?
Wenn ich Sie, Herr Staatsminister Martens, in ihrem Interview vom vergangenen Wochenende richtig verstanden habe, wollen und können sie diese Kostenabwägung auch gar nicht vornehmen.
4. Wir fordern, dass die Regierung endlich ein gutes Personalentwicklungskonzept für die Beschäftigten des Freistaates erarbeitet und umsetzt.
Wenn die Regierung bis 2020 17 000 Stellen einsparen will, wird nur ein Neueinstellungskorridor für 300 Beschäftige verbleiben. Diesen zehren allein die erforderlichen Neueinstellungen für die Polizei auf. Alle anderen Ressorts haben keine freien Stellen für Neueinstellungen. Durch die homogene Alterstruktur innerhalb der Verwaltung gehen nach 2020 viele Beschäftigte in Rente. Bis dahin würden wir junge Leute für die Verwaltung ausbilden, die wir nicht einstellen können. Nach 2020 müssten wir viele junge Leute einstellen – können aber schlagartig nicht so viele ausbilden.
Wolkige Illusionen über die regionalpolitische Bedeutung einer Sitzverlagerung der SAB nach Leipzig oder den kostentreibenden Umzug der Landesnaturschutzstiftung nach Grillenburg sind nur ein Placebo. Haben Sie aus dem Fiasko der fehlenden Lehrerinnen und Lehrer immer noch nichts verstanden?
Die entscheidenden Frage ist: Wem nützt Ihr Standortegesetz?
Dem Land Sachsen nicht. Es konsolidiert unseren Haushalt nicht.
Realität ist: ihr Gesetzentwurf ist unbrauchbar und nicht entscheidungsreif. Wir brauchen eine echte Staatsmodernisierung.