Eva Jähnigen: Überhangmandate vermeiden und modernes Sitzzuteilungsverfahren einführen

Redebeitrag der Abgeordneten Eva Jähnigen zum Gesetzentwurf der GRÜNEN-Fraktion "Gesetz zur Sicherung der verfassungsrechtlichen Vorgabe zur Größe des Sächsischen Landtags" (Drs. 5/11105), 70. Sitzung des Sächsischen Landtages, 31. Januar 2013, TOP 3

– Es gilt das gesprochene Wort –
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Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

gemäß Artikel 41 Abs. 1 der Sächsischen Verfassung besteht der Sächsische Landtag in der Regel aus 120 Abgeordneten. Derzeit werden laut sächsischem Wahlgesetz 60 Abgeordnete per Direktwahl aus den Wahlkreisen gewählt werden und weitere 60 über die Landeslisten.

Durch die Überhang- und Ausgleichsmandate, die bei der letzten Landtagswahl 2009 angefallen sind, hat der Landtag seine Regelgröße um stolze 10 Prozent überschritten. Dies ist eine deutliche Steigerung gegenüber 2004, wo mit vier zusätzlichen Mandaten die Regelgröße nur um 3,3 Prozent überschritten wurde und den Wahlen davor, bei denen es keine Überhang- und Ausgleichsmandate gab.

Aus dieser Entwicklung lässt sich ein Trend ablesen. Es besteht erhebliche Gefahr, dass die Überhang- und Ausgleichsmandate nicht mehr eine selten auftretende Ausnahme im Sächsischen Wahlrecht bleiben, sondern zu einer regelmäßigen Erscheinung bei den kommenden Landtagswahlen werden.

Überhang- und Ausgleichsmandate entstehen dann, wenn größere Parteien das Gewinnen nahezu aller Direktwahlkreise nicht mit einen adäquaten Zweitstimmenergebnis untermauern können. Ein Umstand, der aufgrund der Vielfalt der politischen Landschaft von Parteien und Wählerinitiativen wohl weiter zunehmen und das Entstehen von auszugleichenden Überhangmandaten weiter befördern wird.

Diese stetige Vergrößerung des Landtages läuft der Verfassung fundamental zuwider. Die Ausnahme darf nicht zur Regel werden, sondern muss die Ausnahme bleiben.

Wir müssen daher überlegen wie der Sächsische Landtag künftig wieder auf die verfassungsrechtliche Größe zurückgeführt werden kann.

Die unabhängige Wahlkreiskommission unseres Landes schlug am 2. Februar 2012 in ihrem im Wahlgesetz vorgesehenen Bericht (Drucksache Nr. 5/8146) an den Landtag ausdrücklich vor, auch Modelle mit 50 und 45 Wahlkreisen in Sachsen zu prüfen.

Wir greifen diesen Vorschlag im Grundsatz auf. Leicht modifiziert zur Wahlkreiskommission schlagen wir vor, zukünftig 48 Wahlkreise bei den Landtagswahlen zu bilden. Demnach würden 40 Prozent der Landtagsabgeordneten direkt in Wahlkreisen gewählt und die anderen über Listen. Nach außen wird sich wenig verändern da unsere Verfassung alle Abgeordneten als Vertreter des gesamten Volkes sieht – unabhängig davon ob sie per Mehrheitswahl im Wahlkreis oder per Verhältniswahl über die Listen bestimmt werden. Die Regelung wird Abs. 41 Abs. 2 der sächsischen Verfassung voll gerecht, nach dem die Grundsätze der Mehrheitswahl mit der Verhältniswahl verbunden werden müssen.

Die Gesamtzahl von 120 Abgeordneten wollen wir jedoch im Gegensatz zu den Überlegungen der Wahlkreiskommission beibehalten. Der Landtag soll also nicht über seine Regelgröße nach der Sächsischen Verfassung verkleinert, sondern nur auf diese beschränkt werden. Wir verändern lediglich das Verhältnis von direkt gewählten Abgeordneten zu jenen, die über die Landeslisten der Parteien gewählt werden von derzeit 50 Prozent zu 50 Prozent auf dann 40 Prozent zu 60 Prozent.

Im Freistaat würde es nur dann zu Überhang- und Ausgleichsmandaten kommen wenn eine Partei erheblich weit von der absoluten Mehrheit entfernt wäre und trotzdem alle Direktmandate für sich gewinnt. Das ist unwahrscheinlich. Bei den letzten Landtagswahlen zum Beispiel hätte die CDU nach unserem Modell mit 48 Wahlkreisen alle Direktmandate gewinnen können und es hätte trotzdem keine Überhangmandate gegeben.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN wollen mit diesem Vorschlag ein verfassungskonformes und gerechtes Wahlrecht für Sachsen sicherstellen und gewährleisten, dass der Landtag seine Regelgröße nicht dauerhaft überschreitet.

Sehr verwundert sind wir daher über den Vorschlag der CDU–geführten Staatsregierung zum Neuzuschnitt der Wahlkreise in der Drs. 5/10938.

Entgegen ständig geführter Landtags-Verkleinerungsdebatten tragen sie zur weiteren Vergrößerung des Landtages durch Überhang- und Ausgleichsmandate aktiv bei. Mit ihrem Vorschlag für die Neugliederung der Wahlkreise garantieren sie, dass der Landtag auch in Zukunft durch Überhang- und Ausgleichsmandate deutlich größer sein wird, als die verfassungsrechtliche Regelgröße. Denn eine CDU, welche zwar alle Direktmandate gewinnt, aber Gott sei Dank von der absoluten Mehrheit ein Stück entfernt ist, generiert vollkommen logisch eine nicht unerhebliche Zahl auszugleichender Überhangmandate. Mit ihrem Vorschlag, meine Damen und Herren von der Koalition, vergrößern sie schlicht den Landtag und zerteilen überdies noch zusammenhängende Stadteilstrukturen in den Großstädten nach Lust und Laune und fernab von jedweden fachlichen Erwägungen und den Einwänden der Kommunen. Das ist nicht akzeptabel.

Außerdem wollen wir mit unserem Gesetzentwurf endlich die Einführung des Sitzverteilungsverfahren nach dem Divisorverfahren mit Standardrundung nach Sainte Lague/Schepers im Freistaat Sachsen durchsetzen. Dieses Verfahren bildet das Wahlergebnis mathematisch sauber auf die Sitzverteilung des Landtages ab ohne verzerrend zu wirken. Es entspricht dem derzeitigen Stand des Wahlrechtes. Das derzeit noch angewendete Sitzzuteilungsverfahren nach D’Hondt haben bei Landtagswahlen nur noch drei Bundesländer. Es bevorteilt überproportional große Parteien und gilt als überholt und ungerecht. Viele Bundesländer haben dieses Verfahren in den letzten Jahren abgeschafft. Auf Bundesebene wurde das Divisorverfahren mit Standardrundung zur Bundestagwahl 2009 eingeführt. Das antiquierte Höchstzahlverfahren nach d’Hondt hat man im Bund schon 1987 abgeschafft. Bezüglich des Sitzzuteilungsverfahrens befindet sich Sachsen also noch in der wahlrechtlichen Steinzeit. Dies wollen wir ändern.

Wir wünschen dem Gesetz und damit verbunden auch den Diskussionen über die Neugliederung der Wahlkreise eine fruchtbare und an den verfassungsmäßigen Vorgaben der Wahlgerechtigkeit orientierten Diskussion und hoffen, dass Sachsen demnächst ein modernes Landtagswahlrecht aufweisen kann.

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