Eva Jähnigen: Warum kommen Sie dann der Bevölkerung in den grenznahen Gebieten mit solchen Placebos?
Redebeitrag von Eva Jähnigen zum Antrag "Bekämpfung der Kriminalität im grenznahen Raum", 77. Sitzung des Sächsischen Landtages, 16. Mai 2013, TOP 6
– Es gilt das gesprochene Wort –
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Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
ich möchte diese Rede mit schnöden Zahlen beginnen. Zahlen die Sie, verehrte Damen und Herren von CDU und FDP, in ihrem heutigen Antrag zur Grenzkriminalität vergessen haben zu erwähnen.
Um eine wirksame Bekämpfung der Grenzkriminalität anzugehen, bedarf es nämlich nicht nur eines Blicks auf die Kriminalstatistik. Die ist in der Tat alarmierend. Entlang der sächsischen Außengrenzen stieg die Zahl der erfassten Delikte – so können wir in Ihrem Antrag lesen – im vergangenen Jahr um 10,8 Prozent. Bei den KfZ-Diebstählen gibt es sogar ein Anstieg von 20 Prozent.
Vergessen haben Sie aber die anderen Zahlen, die in diesem Zusammenhang auch genannt werden müssen. Während im Jahr 2008 noch 3.386 Bundespolizisten in Sachsen ihren Dienst getan haben, waren es 2012 noch 2.367 – also über 1.000 Polizeibedienstete weniger. Und es sollen noch weitere rund 400 Stellen wegfallen.
Nicht viel besser ist es der sächsischen Polizei im Bereich Landes- und Bereitschaftspolizei ergangen: Hier wurden im gleichen Zeitraum 666 Stellen abgebaut.
Damit nicht genug. Das Organisationskonzept "Polizei.Sachsen.2020" sieht, im Bereich der Verkehrspolizeiinspektionen und den Autobahnpolizeirevieren einen Stellenabbau bis 2025 von 43 Prozent vor (im Vergleich zu 2010, ein Abbau von 941 Stellen 2010 auf 539 Stellen 2025). Bei den Beamten der Polizei also, die auf den Autobahnen für den Streifen- und Ermittlungsdienst zuständig sind und damit wichtige Arbeit gerade auch zur Bekämpfung der Grenzkriminalität leisten.
Und was tuen Staatsregierung und Sie, meine Damen und Herren von CDU und FDP, um dem Problem der Grenzkriminalität Herr zu werden? Sie verfallen in Symbolik.
So konnten wir vor zwei Wochen schöne Bilder sehen: Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und der sächsische Innenminister Markus Ulbig (CDU) unterzeichneten eine Kooperation für mehr Sicherheit und vertiefte Zusammenarbeit zwischen Bundespolizei und Landespolizei. Künftig sollen je zwei Beamte beider Polizeien mit zwei Streifenwagen auf den Autobahnen A4 und A17 unterwegs sein und – so wünscht es sich Bundesinnenminister Friedrich – "der Grenzkriminalität die Zähne zeigen".
Entschuldigung, sollen wir da wirklich klatschen? Das hatten Sie bereits 2009 in Ihrem 15-Punkte-Programm "zur Kompensation des Wegfalls der Schengengrenzen" versprochen. Im Übrigen genauso wie die Beibehaltung der bisherigen Präsenz in den Polizeirevieren mit Grenzbezug. Die Polizeireviere in Görlitz, Pirna und Zittau haben in den letzten Jahren aber samt und sonders Personal eingebüßt.
Und nun der Vorschlag von Ihnen, meine Damen und Herren von CDU und FDP, zur Privatisierung von Polizeiaufgaben und Abwälzung von Aufgaben der Polizei auf die Kommunen. Anders ist Ihr Vorschlag in dem Antrag unter Punkt 2e) und f) nicht zu verstehen.
Er zeugt von einer großen Hilflosigkeit, wenn nicht gar böswilliger Blauäugigkeit. Sie kommen aus dem Dilemma des jahrelangen Stellenabbaus und damit einhergehendem Anstieg der Grenzkriminalität nicht heraus und retten sich in das Allheilmittel des schlanken Staates: die Privatisierung. Unter Verkennung der engen Grenzen, in denen polizeiliche Aufgaben überhaupt auf private Sicherheitsunternehmen übertragen werden können, beabsichtigen Sie die Schaffung einer Scheinsicherheit. Private dürfen keinen unmittelbaren Zwang anwenden. Sie dürfen nicht gegen Verdächtige ermitteln.
Warum kommen Sie dann der Bevölkerung in den grenznahen Gebieten mit solchen Placebos? Sie glauben doch selbst nicht, was Sie sich da von der "verstärkten Zusammenarbeit von Kommunen und Landkreisen mit Unternehmen der Sicherheitswirtschaft" erhoffen. Streifenfahrten und -gänge von Gemeindemitarbeitern und privaten Sicherheitskräften? Wie sollen diese reagieren, wenn Sie einen Baustellendieb auf frischer Tat ertappen? Unter Wahrung des Gewaltmonopols festsetzen und über 20 Minuten auf die zwei Streifenpolizeibeamten waren, die sich gerade am anderen Ende ihres Reviers befinden? Wie stellen Sie sich die Bekämpfung des Crystalschmuggels vor? Soll die private Sicherheitsfirma verdächtige Fahrzeuge kontrollieren?
Sagen Sie uns konkret, wie der Beitrag der privaten Sicherheitsunternehmen bei der Bekämpfung der Grenzkriminalität aussehen soll. Sagen Sie uns auch, wer die Unternehmen bezahlen soll. Ich glaube nicht, dass Sie hier irgendein wirksames Instrumentarium vorzeigen können.
Wir GRÜNEN wollen keine Ersatzpolizei. Wir wollen keine Hilfssheriffs. Wir wollen gut ausgebildete "echte" Polizistinnen und Polizisten. Ihre und unsere wichtigste Aufgabe als Parlament ist es daher, sicherzustellen, dass die sächsische Polizei über ausreichend Personal verfügt, das innerhalb verbindlich festgelegter Zeiten vor Ort sein und eingreifen kann. Dann bekämpfen Sie die Grenzkriminalität meine Damen und Herren von CDU und FDP, aber erst dann.
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