Eva Jähnigen: Was Sie hier vorgelegt haben, verdient die Worte Reform oder Modernisierung des Sächsischen Kommunalrechtes nicht

Redebeitrag der Abgeordneten Eva Jähnigen zum Gesetzentwurf "Gesetz zur Fortentwicklung des Kommunalrechts" (Drs. 5/11912)
86. Sitzung des Sächsischen Landtages, 27. November 2013, TOP 2
– Es gilt das gesprochene Wort –
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Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren,
lange wurde eine umfassende Reform des Sächsischen Kommunalrechtes angekündigt. Was dann auf den Tisch kam, war schlichtweg enttäuschend. Unbenommen: Sie ändern viele Details – manches geht wie das Verfahren bei der Ausschussbesetzung und die Neuregelung beim 2. Wahlgang zur Bürgermeisterwahl in die richtige Richtung, manches auch in die falsche, beispielsweise die Befangenheit von Ratsmitgliedern.
Aber entscheidend ist, was sie nicht regeln wollen.
Was Ihrem Gesetzentwurf fehlt, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, ist eine Vorstellung, wie man Sachsens Kommunen fit für die Zukunft macht. Sie haben offenbar nicht einmal Antworten auf diese Zukunftsfragen gesucht – leider ist dieses Gesetzesvorhaben ein typischer Fall von "als Tiger gesprungen und als Bettvorleger gelandet".
Dabei stehen Sachsens Gemeinden und Landkreise aufgrund großer Umbrüche vor Herausforderungen:
Die Landkreise sind seit der sogenannten Reform von 2008 an Fläche und Umfang der Verwaltungsaufgaben nahezu explodiert. Diese Strukturen sind für Ehrenamtliche kaum noch überschaubar und sollen dennoch weiter von ehrenamtlichen Kreisräten gesteuert und kontrolliert werden.
Auch die Gemeinden sollen nach Meinung der Regierung demnächst deutlich größer werden – mittelfristig ist eine Mindestgröße von 5.000 Einwohnern vorgesehen. Auch damit wird Aufgabenzuwachs verbunden sein.
Dabei hat die Arbeitsbelastung der kommunalen Vertreter in den vergangenen Jahren bereits zugenommen. Besonders in den kreisfreien Städten steht die Ehrenamtlichkeit der Gemeinderäte nur noch auf dem Papier. Auf diese Anforderungen hätten Sie reagieren müssen.
Gleichzeitig verlieren besonders Mittel- und Kleinstädte weiter an Bevölkerung, besonders an jungen Menschen.
Sie hätten sich deshalb die Frage stellen müssen, wie man die Kommunen in unserer Situation durch mehr Demokratie und Mitbestimmung attraktiv machen kann. Davon reden Sie zwar gern in Tagungen zum demografischen Wandel. Aber sie handeln nicht. Dazu gehört, dass Kontroll- und Beteiligungsdefizite in so großen, kommunalen Strukturen abgebaut werden müssen. Ihr Vorschlag zur bescheidenen Absenkung der Quoren für Bürgerentscheide leistet das nicht einmal im Ansatz.
Und die Energiewende, zu der sich ja zumindest die CDU verbal bekennt, wird entscheidend durch kommunale Unternehmen vorangebracht werden müssen. Offenbar sehen Sie diese besondere Kraft der kommunalen Selbstverwaltung aber nicht als Pfund, mit dem wir in Sachsen wuchern können sondern als ein Problem.
Welchen Maßstäben müsste eine echte Kommunalrechtsreform in Sachsen genügen?
1. Entscheidungsabläufe müssen zugunsten der Bürger und der ehrenamtlichen Hauptorgane demokratisiert werden – weg von der einseitigen Verwaltungslastigkeit. Die Hauptvertretungen, Stadt- und Gemeinderäte sowie Kreistage, müssen deutlich mit Entscheidungs- und Kontrollrechten sowie Arbeitsmöglichkeiten gestärkt werden, z.B. auch durch die Abschaffung des Ratsvorsitzes von BürgermeisterInnen und Landräten. Die deutliche Absenkung der Quoren für Bürgerentscheide und Bürgerbegehren ist unverzichtbar. Die kommunalen Pflichten zur Beteiligung der Einwohnerinnen und Einwohner gehören erweitert.
2. Kommunale Unternehmen brauchen eine Stärkung im Rahmen ihrer öffentlichen Aufgaben und der Subsidiarität, besonders für die Energiewende. Der Trend zur Kommunalisierung ist spürbar. Die Kommunen werden künftig stärker auf kommunale Unternehmen setzen müssen, z.B. Stadtwerke, Wohnungsunternehmen, Pflegeheime, Kulturbetriebe. Dringend hätten sich auch CDU und FDP fragen müssen, wie eine überörtliche Tätigkeit kommunaler Unternehmen künftig aussehen soll und welche Handlungsformen gebraucht werden, z.B. die kommunale Anstalt öffentlichen Rechts.
Was macht die schwarz-gelbe Koalition stattdessen?
Bei den Quoren für Bürgerentscheiden bewegt sie sich nur soweit, wie es objektiv unumgänglich war. Die bescheidene Anpassung der Quoren ist keine echte Verbesserung angesichts der riesigen Landkreise und kommender Großgemeinden.
Warum nehmen sie keine generelle Anpassung des Quorums für Bürgerbegehren auf 5 Prozent vor, wie wir GRÜNE es vorschlagen? Bereits jetzt ist das fakultativ möglich und hat keine Probleme gebracht. Warum fassen sie die zu hohen Erfolgsquoten der Bürgerentscheide nicht an?
Was ist mit Stärkung der Ehrenamtlichen in den Räten? Mehr Kontrollmöglichkeiten und Rechte für einzelne Ratsmitglieder? Immer noch Fehlanzeige! Stattdessen wird die Fraktionsfinanzierungspflicht in den Kreistagen sogar abgeschafft, und dass nach den Kreisvergrößerungen 2008.
Das in der Gemeindeordnung eingefügte Finanzierungsgebot für Fraktionen bei Gemeinden über 30.000 Einwohnen klingt schön, betrifft aber ganze 13 Gemeinden. Zusätzlich legen Sie noch die Axt noch die die Arbeitsfähigkeit der Kreistagsfraktionen.
Moderne Beteiligungsverfahren zugunsten der Einwohnerinnen und Einwohner, darüber denken Sie nicht einmal nach. Einwohneranträge und Einwohnerbegehren laufen wegen zu hoher Quoren weiter leer. Von Informationsfreiheitsrechten rede ich jetzt gar nicht erst. Hier bleibt der Gesetzentwurf ein Denkmal der Ignoranz von CDU und FDP gegenüber den Bedürfnissen der Bevölkerung.
Und wie steht es mit einem klaren Bekenntnis zu kommunalen Unternehmen in den Zeiten von Energiewende und demografischem Wandel?
Hätten wir GRÜNE nicht der Koalition auf die Finger geschaut, wäre der Handlungsrahmen kommunaler Unternehmen erheblich eingeschränkt. Haben Sie auf ein Parlament im Tiefschlaf gehofft? Nach unserem Antrag im letzten Plenum nun in letzter Minute eine Rolle rückwärts eingelegt.
Leider haben sie nur das halbe Problem beseitigt. Es bleibt immer noch das neue Bürokratiemonstrum übrig: die Anhörungspflicht aller betroffenen Kammern vor kommunalen Unternehmensentscheidungen. Was haben Sie in FDP und CDU denn für ein Verständnis von flexiblem Unternehmenshandeln?
Verabschieden Sie sich doch von der unsinnigen Vorstellung, dass Freiberufler und Unternehmen ihre Kammern dafür finanzieren, damit diese die Tätigkeiten gemeindlicher Unternehmen "evaluieren". Dafür sind die Rechtsaufsichten zuständig. Übrigens: auch Kammern erfüllen staatliche, hoheitliche Aufgaben mit Pflichtbeiträgen klein- und mittelständischer Unternehmen, über die sich in der Wirtschaft auch geärgert wird. Es ist mal wieder bezeichnend für die Bigotterie der FDP, dass an allen Ecken und Enden die Monstranz des Bürokratieabbaus vor sich hergetragen wird. An entscheidender Stelle wird dann ein Bürokratiemonster ausgedacht, um den Kommunen Steine in den Weg legen.
Sie sollten sich lieber um den Bericht des Rechnungshofs zu den Landesunternehmen und deren künftiges Controlling kümmern. Das wäre dann mal Staatsmodernisierung.
Meine Damen und Herren, der Nachbesserungsbedarf dieses Gesetzentwurfs ist riesig. Wir haben aus unseren Anträgen daher heute nur die allerwichtigsten heraussortiert und werden diese noch einmal im Plenum zur Abstimmung stellen:
– die Senkung der Erfolgsquoten für Bürgerbegehren auf 5 Prozent und Bürgerentscheide auf 10 Prozent
– die Pflicht zur Fraktionsfinanzierung für Landkreise und größeren Gemeinden
– Streichung des sinnwidrigen Anhörungsverfahrens der Kammern bei kommunalen Unternehmen
Damit würden wir immerhin Teile der großen Defizite des Gesetzentwurfs beheben. Das, was Sie hier vorgelegt haben, bleibt am Ende nicht mehr als ein Rechtsbereinigungsgesetz. Die Worte Reform oder Modernisierung verdient es nicht.

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