Eva Jähnigen: Wie steht es um die öffentliche Sicherheit?
Rede der Abgeordneten Eva Jähnigen in der Debatte um den Doppelhaushalt 2013/2014, 66. Sitzung des Sächsischen Landtages, 11. Dezember 2012, TOP 1
– Es gilt das gesprochene Wort –
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Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
die CDU-geführte Koalition redet gern von Sicherheit. Die Realität im Lande Sachsen sieht leider anders aus.
Wie steht es um die öffentliche Sicherheit? Beschwerden über fehlende Polizeikapazität oder zu spätes Erscheinen der Polizei in Gefahrenlagen nehmen zu. Kapazitätsprobleme sind offenbar. Ich erinnere nur an die durch die Presse bekannt gewordene Bedrohung eines Paares aus Hoyerswerda am 17. Oktober. Dort standen gewaltbereiten Neonazis stundenlang so wenige Polizeikräfte gegenüber dass es nicht gelang die Identität der Täter an Ort und Stelle der Tat festzustellen. Und Sie, Herr Ministerpräsident, sprachen heute früh in diesem Haus von einer Polizei „die den Neonazis auf den Füßen“ stehen würde. Wo leben Sie eigentlich? Wollen sie die Probleme immer noch klein reden?
Auch die Antworten auf meine kleinen Anfragen nach realen Interventionszeiten bei Gefahr für Leib und Leben zeigen die Probleme: oft muss deutlich länger als 20 Minuten auf Polizei gewartet werden.
Offen wird aus der Polizei selbst der Stellenabbau der Regierung kritisiert. Wir Abgeordnete werden gefragt, warum in Sachsen die Polizeidichte nur nach der Einwohnerzahl bestimmt werden soll. Wir GRÜNE meinen, dass sich Sachsen an den 2008 einhellig beschlossenen Empfehlungen der Innenministerkonferenz orientiert sollte. Maßstab für die Polizeistärke müssen auch die Aufgaben der Polizei werden und die Entfernungen in unserem Flächenland mit seiner langen Außengrenze.
Angesichts dessen müssen wir den Stellenabbau bei der Polizei stoppen – und nicht schicksalhaft hinnehmen. Bis 2030 gehen im Schnitt jährlich 400 Polizeibedienstete in Altersruhe – allein 2013/14 672. Der Haushaltsentwurf sieht jährlich nur 300 neue Stellen vor. So werden bis 2020 2000 Beamte weniger arbeiten. Das würde die vorhandenen Probleme deutlich vergrößern! Wir schlagen deshalb vor die Stellen der Polizeianwärter in der Ausbildung und die Neueinstellungen um je 100 jährlich aufzustocken – selbstverständlich mit einer Gegenfinanzierung.
Neben den Streifenbediensteten machen mir besonders die Situation in Verkehrs- und Kriminalpolizei sowie die Prävention Sorgen. Die Verkehrspolizei wird von 941 Stellen in 2010 bis 2025 auf 539 Stellen reduziert – mehr als 40 % weniger. Bereits jetzt gibt es hier aber Mankos. So erfuhr die Öffentlichkeit durch unsere Große Anfrage zum Radverkehr dass die Anzahl der Polizeistunden zur Kontrolle trotz deutlich gestiegener Unfallzahlen in den letzten 5 Jahren um ein Drittel zurückgingen!
Sehr geehrter Kolleginnen und Kollegen,
seit einem Jahr wissen wir, dass die neonazistischen Täter der NSU ihre Straftaten 10 Jahre lang unerkannt von Sachsen aus begehen konnten. Ursachenanalyse und Konsequenzen daraus? Bei CDU und FDP bis heute Fehlmeldung! Immer noch will sich die Koalition den an der Einwohnerzahl bundesweit größten Verfassungsschutz eines Flächenlandes leisten. Bringt uns diese unkontrollierbare Superbehörde mehr Sicherheit? Nein. Aber dafür streichen Sie die Kriminalpolizei zusammen – wirklich eine falsche Weichenstellung!
Gleichzeitig suggerieren Sie aus der Koalition gern dass weitere teure Überwachungstechnik für die Sicherheit Sachsens zwingend gekauft werden müsse. Schaut man sich die von mir in erfragen Ergebnisse des Tests zum Kennzeichenscanner oder die Bilanz der Überwachungsdrohne an, sieht man: hier wird mit viel Geld wenig Nutzen bewirkt. Wir meinen, dass Polizei gut ausgebildetes Personal und moderne Technik braucht. Aber sie braucht nicht jede Art von Überwachungstechnik zu jedem Preis und mit hohen Personalaufwänden – wenn die eigentlich gewollten Effekte fehlen und schlechte Nebenwirkungen beim Datenschutz entstehen. Deshalb kann hier durchaus gespart werden.
Für dringend halten wir allerdings eine Erhöhung des gut eingeführten Förderprogrammes "Weltoffenes Sachsen". Denn diese Demokratieförderung muss in breit und vielfältig in der sächsischen Zivilgesellschaft verteilt werden. Wer mehr Demokratieprojekte in Jugendhilfe, Feuerwehr und Katastrophenschutz will sollte aber keine falsche Konkurrenz mit den bisherigen Initiativen auf Basis unklarer Förderverfahren aufmachen. Wir lehnen daher die von Ihnen geplante Verengung der Förderzwecke ab. Sie führt de facto zu einer Kürzung. Gemeinsam mit Linken und SPD wollen wir eine Aufstockung der Fördermittel auf jährlich 5 Mio. So bekommt das Programm eine breite Basis – und zwar frei von verfassungswidrigen Bekenntniszwängen. Mein Kollege Miro Jennerjahn wird dann die interfraktionellen Anträge dazu einbringen.
In der Stadtentwicklung legen wir GRÜNE Schwerpunkt auf Investitionen, mit denen wir Handeln für Klimaschutz mit Entlastung der öffentlichen und privaten Haushalte verbinden können. Wir schlagen Ihnen dazu ein Förderprogramm zur energetischen Sanierung von Mietwohnungen in Altbauten vor. Denn hier gibt es seit Jahr und Tag eine Lücke in allen vorhandenen Förderungen. Dieses Zuschussprogramm kann ein ausgezeichnetes Konjunkturprogramm für das regionale Handwerk werden.
Außerdem wollen wir GRÜNE weniger europäische Fördermittel für Beton in Straßenbau und überdimensionierte Hochwasserschutzanlagenverbauen. Stattdessen braucht das Land nachhaltige Flächenentsiegelung und Aufwertung der Innenstädte. Last but not least halten wir wegen der parallelen Kürzungen im Bund ein sächsisches Programm für Quartiersmanagement und benachteiligte Stadtteile für notwendig und finanzierbar. Meine Kollegin Gisela Kallenbach wird Ihnen bei der Beratung der Änderungsanträge diese Förderansätze genauer vorstellen.
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