Eva Jähnigen: Wir brauchen Transparenz über Nebenhaushalte. Negativ-Beispiele gibt es schon genug
Redebeitrag der Abgeordneten Eva Jähnigen zum Antrag der GRÜNEN-Fraktion "Haushaltstransparenz über Nebenhaushalte herstellen und Budgetrecht des Landtags stärken: Bericht über sächsische Unternehmen, Unternehmensbeteiligungen und Sondervermögen öffentlich vorlegen und jährlich fortschreiben" (Drs. 5/13289), 88. Sitzung des Sächsischen Landtages, 17. Dezember 2013, TOP 10
– Es gilt das gesprochene Wort –
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Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen,
ein jährlicher Beteiligungsbericht über landeseigene Unternehmen und Sondervermögen ist im Freistaat Sachsen leider keine Selbstverständlichkeit. Es scheint vielmehr zur Selbstverständlichkeit zu werden, dass es keinen mehr gibt.
An der Bedeutung des Themas kann es nicht liegen. Aktuell gibt es 30 unmittelbare Beteiligungen des Freistaates an Unternehmen des privaten Rechts. Darüber hinaus 48 mittelbare Beteiligungen. Dazu kommen noch Staatsbetriebe, Juristische Personen des Öffentlichen Rechts und eine Vielzahl weiterer Einrichtungen und Sondervermögen. Insgesamt ergeben sich nicht weniger als 176 Körperschaften, die als Nebenhaushalte qualifiziert werden. Das ergibt sich aus dem Schaubild des sächsischen Rechnungshofes (SRH) im aktuellen Jahresbericht.
Wir glauben, hier muss Transparenz rein, vor allem gegenüber dem Sächsischen Landtag als Haushaltsgesetzgeber. Deshalb haben wir Ihnen heute diesen Antrag vorgelegt. Wir wollen, dass die Staatsregierung bis zum 31. März 2014 einen umfassenden Bericht über die Situation und Zukunft der Nebenhaushalte im Freistaat vorlegt.
Warum ist das notwendig?
Wir haben durch die Pleite der Sachsen LB erfahren, welche Risiken für den sächsischen Steuerzahler damit verbunden sein können, dass sich die CDU-geführte Staatsregierung für den Freistaat unternehmerisch betätigt. Und wir haben durch ein von der GRÜNEN-Fraktion im Jahr 2009 errungenes Urteil vor dem Sächsischen Verfassungsgericht erfahren, dass auch der damalige Finanzminister, Horst Metz, durch die Genehmigung der Ausweitung von Kreditlinien für riskante Geschäfte gegen das Budgetrecht des Parlaments handelte, damit gegen die Verfassung verstoßen hat.
Wir wissen weiter, dass inzwischen 12,9 Prozent der Gesamtausgaben des Staatshaushalts im Jahr 2011 an Nebenhaushalte flossen, bereits rund ein Drittel des Personalbestands ist inzwischen aus dem Kernhaushalt ausgegliedert. Eine Entwicklung, die wir im Hinblick auf Haushaltstransparenz und das Budgetrecht des Parlaments sehr kritisch sehen.
Hier wird von wenigen Verantwortlichen (Geschäftsführer, Aufsichtsratsmitglieder und Gesellschaftervertreter) abseits der Haushaltsberatung großes öffentliches Vermögen bewegt und verwaltet. Einige Gesellschaften zeigen gute Entwicklungsperspektiven, andere schreiben seit Jahren rote Zahlen. Viele sind von veränderten oder sich verändernden Marktbedingungen in ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit betroffen. Die derzeit gesunkenen Zinssätze beeinflussen die Kreditmärkte wie auch viele Faktoren, die ich hier nicht komplett aufzählen kann.
Gerade jetzt, unter sich ändernden Marktlagen und unter den Prämissen der Schuldenbremse, bedarf es daher eines guten Beteiligungscontrollings unter Einbeziehung des Landtags und der Öffentlichkeit.
Wir fordern daher die regelmäßige Vorlage eines Beteiligungsberichts.
Damit greifen wir eine zentrale Kritik des Sächsischen Rechnungshofes aus dem aktuellen Jahresbericht 2013 auf. Der Rechnungshof teilt mit, dass es "nach Auskunft des SMF" offen sei, wann und in welcher Form weitere Beteiligungsberichte veröffentlicht würden. Außerdem fehlt es nach Ansicht des Rechnungshofs an einem einheitlichen Beteiligungscontrolling und an schriftlichen Vorgaben und strategischen Ansätzen für die Steuerung der Beteiligungen. Dieser Auffassung können wir uns so nur anschließen.
Finanzminister Georg Unland hat erst einen einzigen Beteiligungsbericht vorgelegt und der stammt nicht aus seiner Regierungszeit. Das wichtige Thema bleibt seither unbearbeitet – oder aber die Bearbeitung wird dem Parlament und der Öffentlichkeit gezielt vorenthalten. Ich finde das peinlich für die Regierung und inakzeptabel aus Sicht der Steuerzahler und des Parlaments. Dabei waren Sie es doch Herr Finanzminister, der 2009 im letzten Beteiligungsbericht wortgewaltig ausführte:
"Die Betätigung des Freistaates Sachsen bei Unternehmen des privaten und öffentlichen Rechts steht derzeit noch immer unter dem Eindruck der schwersten Finanz- und Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit. Kaum ein Unternehmen blieb von den Auswirkungen der Krise verschont. Management, Aufsichtsorgane und Anteilseigner der Unternehmen mit Landesbeteiligung sind angesichts der veränderten Rahmenbedingungen in besonderem Maße gefordert, die Auswirkungen für ihr jeweiliges Unternehmen zu analysieren und notwendigenfalls steuernd entgegenzuwirken."
So, und was ist in den letzten fünf Jahren ihrer Regierungszeit daraus geworden? Entweder ist nichts passiert, oder Sie wollen es uns nicht erzählen. Dabei hat uns doch das Sachsenbankdesaster gezeigt: Fehlendes Risikomanagement und falsche Entscheidungen in öffentlichen Unternehmen führen immer zu einer Haftung der Steuerzahlenden. Auch für Unternehmen, die ständig Nachschüsse brauchen, sind die Steuerzahlenden in der Haftung. Es gibt Aufgaben, die das rechtfertigen – aber auch Aufgaben, von denen man auf Dauer erwarten muss, dass sie kostendeckend arbeiten. Und es gibt auch Aufgaben, bei denen man die Frage stellen muss, ob es Aufgabe des Staates ist, sich daran zu beteiligen.
In den letzten Monaten ist in diesem Landtag immer wieder die Transparenz bei kommunaler Unternehmenstätigkeit eingefordert worden. Das ist zweifelsohne richtig. Aber: kommunale Unternehmen sind zu Transparenz längst verpflichtet. Jährlich müssen sie detaillierte Berichte öffentlich vorlegen – und das ist gut so. Dafür gibt es eine rechtsaufsichtliche Kontrolle. Doch der Freistaat sollte nicht von seinen Kommunen fordern, was er nicht selbst einhalten will. So ein Beteiligungsbericht ist übrigens meistens sehr erhellend. Dem Beteiligungsbericht der Landeshauptstadt Dresden kann man zum Beispiel folgendes entnehmen:
Die Flughafengesellschaft kommt trotz der umfangreichen Investitionen mit mehreren Hundert Millionen nicht aus den Roten Zahlen heraus. Sie übernimmt die Verluste der beiden Flughäfen Dresden und Leipzig. Im letzten vorgelegten Bericht des Freistaates – eben vom Jahr 2008 – ist man noch optimistisch und verweist darauf, dass der Flugverkehr eine "Wachstumsindustrie" sie.
Gewachsen sind lediglich die Verluste der Gesellschaft. Betrugen diese vor 2009 noch um die 40 – 50 Millionen Euro jährlich, sind sie in den letzten drei Jahren auf 76 Millionen Euro angestiegen. Die Ursache dafür sind die steigenden Verluste des Flughafens Leipzig. Diese bewegten sich inzwischen deutlich über 60 Millionen Euro jährlich und sind seit 2008 um ca. 20 Millionen Euro pro Jahr gestiegen.
Herr Prof. Dr. Unland, ich kann ja verstehen, dass Ihnen diese Situation als stellvertretendem Aufsichtsratsvorsitzenden der Mitteldeutschen Flughafen AG unangenehm ist: Aber wir kommen nicht umhin, uns alle zu fragen, warum ausgerechnet der Flughafen mit hohen Lärmbelastungen ohne Nachtflugverbot und Billiggebühren steigende Verluste produziert und wie es hier in Zukunft vorangehen soll.
Wir müssen als Landtag unser Budgetrecht auch tatsächlich wahrnehmen können. Dazu brauchen wir hinsichtlich der Transparenz bei Beteiligungen ähnliche Vorschriften, wie bei den Kommunen. Unsere Verfassung verbietet es, diese Kompetenzen an Manager und die Verwaltung allein abzudelegieren. Wie sollen wir denn sonst über Zuschüsse, Kapitalerhöhungen usw. sachgerecht entscheiden?
Ich kann Ihnen dieses Problem an einem sehr markanten Beispiel zeigen und zitiere aus dem Bericht des sächsischen Rechnungshofes zum Staatshaushalt 2012. Hier heißt es im Bericht zum Einzelplan 15 zur Allgemeinen Finanzverwaltung: "Im Doppelhaushalt 2011/12 sind unter ‚Vorsorgen im Beteiligungsbereich‘ Kapitalzuführungen von 19,7 Millionen Euro und 19,3 Millionen Euro an die SLG (gemeint ist die Sächsische Lottogesellschaft) vorgesehen. Am 29.12.2011 ist eine Kapitalzuführung von 19,75 Millionen Euro tatsächlich erfolgt. Das SMF begründete die Kapitalzuführung mit erheblichen Investitionen durch neue Produkte, durch den Ausbau des Internetbetriebs und Marketingmaßnahmen. Insbesondere die Auslobung eines hohen Gewinns bei der im März 2012 gestarteten Lotterie Eurojackpot habe die Kapitalzuführung erfordert. Weder die Kapitalzuführung noch die damit verfolgten Ziele sind mit dem staatlichen Interesse einer Bekämpfung der Spielsucht, das der Beteiligung zugrunde liegt, vereinbar."
Liebe Kolleginnen und Kollegen, vielleicht versetzen wir uns noch mal in das Jahr 2011: Da gab es den Beschluss der großen Kürzungen bei sozialen Leistungen und Jugendhilfe. Allein bei der Jugendhilfepauschale für die Kommunen sind 2010 – 2012 ca. 12 Millionen Euro gekürzt worden. Gleichzeitig pumpt der Freistaat fast 20 Millionen Euro in seine Lottogesellschaft. Der Reinertrag der Lottogesellschaft beträgt dem Rechnungshof zufolge übrigens lediglich 1,2 bis 1,3 Millionen Euro jährlich, die die SLG autonom verteilt. Geld kann man sinnvoller nutzen. Welche Konsequenzen der Freistaat daraus gezogen hat, bleibt uns in Ermangelung eines entsprechenden Berichts verborgen. Im Bericht 2013 stellte der SRH zudem noch fest, dass die Lottogesellschaft ihr neues Gebäude unwirtschaftlich betreibt. Hier gibt es dringenden Handlungsbedarf, dem wir als Parlament nachkommen müssen.
Der Rechnungshof fordert nicht nur einen regelmäßigen Beteiligungsbericht sondern auch ein einheitlichen Beteiligungscontrolling. Es gibt zwar eine hohe Anzahl von Mitarbeitern aus dem Finanzministerium, die in Gremien sächsischer Beteiligungen agieren. Ein einheitliches übergeordnetes Controlling jenseits einzelner Referatsstrukturen, welches Leitlinien festlegt, gibt es offenbar nicht. Unser Ziel ist ein Beteiligungscontrolling für alle Beteiligungen und Nebenhaushalte und nicht nebeneinander her arbeitende Referate.
Ein Beteiligungscontrolling, das Richtlinien, das Ziellinien und den grundsätzlichen Umgang mit den Beteiligungen des Landes einheitlich steuert und sich auch tatsächlich mit der Frage beschäftigt, welche Beteiligungen und Nebenhaushalten wir wirklich brauchen.
Als weiteres Beispiel sei der 1992 bis 2010 mit 128 Millionen Euro Investiven Mitteln und 69 Millionen Euro Verlustausgleich, also mit 197 Millionen Euro subventionierte Staatliche Kurbetrieb genannt. Auch dieser hat seine Situation nicht verbessern können. Ich bin mir der Bedeutung des Standortes für das Vogtland im Klaren; dennoch muss die Frage gestellt werden, ob eine derartig hohe Subventionierung sinnvoll ist.
Wir wüssten auch gern, wie die Regierung die Entwicklung der Schlösser Lichtenwalde, Scharfenberg und Augustusberg verbessern will, die ja eigentlich das positive Beispiel der Schlösserprivatisierung werden sollten – es aber ausweislich ihrer Bilanzen nicht sind.
Wir brauchen eine bessere Steuerung unserer Nebenhaushalte. Gerade in Zeiten knapper Kassen ist es unabdingbar, Aufgabenkritik und Sparsamkeit auch für öffentliche Unternehmen und Sondervermögen zu realisieren. Denn wir brauchen genügend Geld für wirklich zentrale staatliche Aufgaben wie Bildung und Polizei.
Zudem fordert der Rechnungshof, dass sich Sachsen einen eigenen "Public Corporate Governance Kodex" für seine Beteiligungen gibt, also ein strategisches Handlungskonzept zur Steuerung der Beteiligungen, zum vorbildlichen Verhalten der Unternehmen nach innen und außen – also z. B. zur Einhaltung ökologischer Wirtschaftsziele, Korruptionsvorbeugung sowie guter und familienfreundlicher Personalentwicklung einschließlich Frauenquote. Das ist ein Thema, dem sich der Landtag ebenfalls stellen muss. Dafür reicht eine Plenardebatte heute nicht sondern es wird weiterer parlamentarischer Initiativen bedürfen, denen wir mit diesem Antrag eine Grundlage legen wollen.
Wir GRÜNE wollen Transparenz über alle indirekten Verschuldungs- und Haftungsrisiken des Freistaates. Wir meinen: Die Öffentlichkeit, die Unternehmen und die Menschen, die die Steuern zahlen, haben ein Recht auf Klarheit über die sächsischen Nebenhaushalte.
Und wir wollen mit diesem Auftrag nicht zuletzt belastbareren Grundlagen die Haushaltsberatungen 2014 für 2015/16 im neu gewählten Sächsischen Landtag schaffen.
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