Eva Jähnigen zum Carsharing: Beginnen Sie endlich mit einer umfassenden Neuorientierung. Sie wäre eine effiziente und ökologische Ergänzung nach dem Jobticket

Redebeitrag der Abgeordneten Eva Jähnigen zum Antrag der Fraktion GRÜNE "Carsharing für Landesbehörden und nachgeordnete Einrichtungen" (Drs. 5/6895) in der 49. Sitzung des Sächsischen Landtages, 26.01., TOP 7

Es gilt das gesprochene Wort!
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Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
wir GRÜNEN wollen, dass die sächsische Verwaltung Carsharing – Angebote besser nutzt dort wo sie für die Verwaltung geeignet sind. Lassen Sie mich die Begründung unseres Antrages mit zwei Zitaten beginnen.
Erstens:
«Carsharing hat Zukunft! Auch innerhalb der Sächsischen Staatsregierung konnte sich dieses Prinzip mit einem zentralen Fuhrpark bereits bewähren»… «Mit der Aufnahme des größten ostdeutschen Carsharing-Anbieters in die Umweltallianz Sachsen sei nicht nur die freiwillige Umweltleistung zu würdigen, sondern auch der Anstoß zur Entwicklung und Anwendung neuer umweltfreundlicher und nachhaltiger Mobilitätskonzepte in Sachsen.»
Zweitens:
«Die Fahrzeugpalette der Carsharing Anbieter ist in der Regel nicht für den Transport mehrerer Bediensteter sowie deren mitgeführter Arbeitsunterlagen auf größeren Strecken geeignet. Hinzu käme der immense Verwaltungsaufwand zur Nutzung von Carsharing durch alle Bediensteten des Freistaates.»
Von wem stammen die Zitate? Sie ahnen es: Das erste von Umweltminister Frank Kupfer und das zweite von Verkehrsminister Sven Morlok. Sicher teilen Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen den Eindruck der GRÜNEN-Fraktion: Diese beiden Minister derselben Regierung ziehen an einem Strick – allerdings: Sie ziehen nicht in eine Richtung. Wir wollen, dass sich der Landtag an das Strickende von Herrn Kupfer stellt und die Dinge in Bewegung bringt.
Denn Klimaschutz gehört zu den wichtigen Zukunftsaufgaben unserer Gesellschaft. Alle Akteure, ob Politik, Wirtschaft oder Verbraucher, sind aufgerufen, konkrete Beiträge zum Einsparen klimawirksamer Treibhausgase zu leisten und den Verbrauch von fossilen, CO2-freisetzenden Energieträgern einzuschränken.
Der Verkehrssektor hat bisher seine Klimaschutzaufgaben nicht im Ansatz bewältigt – in Deutschland nicht und auch nicht in Sachsen. Die freiwillige Selbstverpflichtung der deutschen Automobilindustrie bzw. des Verbandes der europäischen Autoindustrie zur Einhaltung von definierten, niedrigeren spezifischen Kraftstoffverbräuchen der verkauften Neuwagen wurden nicht eingehalten.
Carsharing, das organisierte professionelle Autoteilen, das seine Dienstleistung in fast allen deutschen Großstädten zur Verfügung stellt, bietet sich als klimaschützende Alternative im Verkehr an.
Neben dem öffentlichen Personenverkehr mit Bus und Bahn, Fahrrad und zu Fußgehen, wird das CarSharing häufig als die vierte Säule des Umweltverbundes bezeichnet. Im Rahmen des betrieblichen Mobilitätsmanagements kann CarSharing bei Dienstfahrten und Geschäftsreisen eine kostengünstige und umweltentlastende Alternative zum firmeneigenen oder privaten Auto sein. Dies gilt besonders dann, wenn Reiseziele mit dem öffentlichen Verkehr schwer erreichbar oder schwere Gepäckstücke zu transportieren sind.
Deshalb beantragen wir, den Landesbehörden und nachgeordneten Einrichtungen des Freistaates die Nutzung von Carsharing-Angeboten zu ermöglichen und die normalen Dienstfahrzeuge schrittweise auf Carsharing-Angebote und beste verfügbare Technik umzustellen. Das betrifft also Fahrzeuge für den Alltag der Verwaltung – nicht aber die Spezialfahrzeuge der Polizei und anderer Dienste. Die Carsharing-Unternehmen haben eine breite Palette von Fahrzeugen im Angebot – vom Smart bis zum Kleinbus.Ständig und ausreichend stehen Renault Grand Scenic und Opel Zafira zur Verfügung. Ihre Fahrzeuge sind umweltfreundlich, durch den angepassten Einsatz preiswerter und werden von den Unternehmen selbst gewartet.
Die Nutzung des Carsharing hat eine Reihe von Umweltvorteilen: Jedes Carsharing-Fahrzeug ersetzt je nach örtlichen Verhältnissen etwa 5 – 8 private Fahrzeuge, die entweder abgeschafft oder gar nicht erst angeschafft werden, und trägt somit erheblich zur Flächenentlastung besonders im städtischen Verkehrsraum und zum Ressourcenschutz bei.
Auch für Unternehmen oder die Verwaltung bietet sich die Chance, ihren Fuhrpark zu reduzieren oder ganz auf die Nutzung des Carsharings umzustellen. Durchschnittlich teilen sich dann 35 Nutzer ein Carsharing-Auto. In größeren Städten werden Carsharing Fahrzeuge 20 bis 35 Prozent, private PKW dagegen weniger als vier Prozent der Zeit pro Tag genutzt. Diese Effizienz spricht für sich! Carsharing ist zudem umweltentlastend, da die Nutzer das Angebot häufig im Zusammenwirken mit den Verkehrsmitteln des Umweltverbundes nutzen.
Die Berechnung der Kosten nach gefahrenen Kilometern bewirkt einen deutlichen Anreiz das Carsharing Fahrzeug möglichst wenig zu nutzen. Carsharing-Fahrzeuge werden nach aktuellem Platzbedarf und Komfortanspruch ausgewählt und nicht – wie häufig bei gewerblichen und privaten PKW – am selten benötigten Maximalbedarf. Deshalb gibt es auch unter bestimmten Bedingungen das Umweltzeichen "Blauer Engel" für Carsharing Anbieter u.a. im Mai 2011 durch Minister Kupfer an den sächsischen Anbieter Teilauto. Gleichzeitig nahm er das Unternehmen in die Umweltallianz Sachsen auf. Das Zitat zu Beginn meiner Rede stammt aus der Laudatio zu dieser Gelegenheit.
Nun erwarten wir, dass ihre Worte, Herr Staatsminister, die gesamte Regierung motivieren können mit gutem Beispiel voranzugehen. Bisher können von den knapp 80.000 sächsischen Landesbediensteten allerdings nur die Angestellten des Staatsbetriebes Staatsschauspiel und die Sächsische Landesstiftung Natur und Umwelt (LaNu) Carsharingangebote nutzen.
Bezeichnend übrigens ist, dass wir die erfreuliche Nutzung von Carsharing-Angeboten durch die LaNu nicht etwa in der Antwort auf meine Kleine Anfrage (Drs. 5/5865) erfuhren – sondern erst heute durch eine Pressemitteilung der Regierung anläßlich der Abstimmung unseres Antrags! Carsharing soll aber keine geheime Staatsangelegenheit bleiben, sondern beim Sparen und Klimaschützen helfen. Und es verdient breiteren Einsatz in der Verwaltung.
Vielleicht liegt das Geheimnis des Widerspruchs zwischen Kollegen Kupfers grünen Worten und den mangelnden Taten seines Kabinettskollegen Morlok an dessen Politikverständnis. Dass dieser den Einsatz von Carsharing aufgrund seiner negativen Einstellung gegenüber einer innovationsorientierten Verkehrspolitik ablehnt, überrascht nicht. Überraschend aber, ist die Begründung Carsharing-Autos seien ungeeignet zum Transport von Bediensteten und Akten.
Ich will gar nicht mutmaßen, wie groß die Aktenberge im SMWA oder ob die Bediensteten dort andere Leibesumfänge haben, als im Rest der freistaatlichen Verwaltung. Für unsere GRÜNE-Fraktion waren die Fahrzeuge immer ausreichend zum Transport aller Unterlagen und Menschen und das Carsharing wird von Abgeordneten und Mitarbeiterschaft gleichermaßen mit Vergnügen genutzt.  
Ich lade Sie, Herr Verkehrsminister, gern dazu ein sich in unserer kleinen Geschäftsstelle zu überzeugen wie minimal, der von Ihnen als "immens" betriebene Verwaltungsaufwand, in der Praxis ist und wie flexibel die Carsharing-Angebote nutzbar sind.
Aber auch die Landesnaturschutzstiftung stellt dem ein ausgezeichnetes Zeugnis aus: «Diese Fahrzeugnutzung ist unkompliziert und effizient» so Stiftungsdirektor Kammerschen, der aus Konsequent daraus alle Leasingfahrzeuge der Stiftung abgeschafft hat. Wenn Sie das alles, aber noch nicht überzeugt empfehle ich zusätzlich, den Kontakt mit dem Statistischen Bundesamt Wiesbaden, der Stadtverwaltung Mannheim, der Stadtverwaltung Dresden oder der Hamburgischen Gesellschaft für Wirtschaftsförderung mbH (HWF). Diese profitieren seit Jahren von der flexiblen passgenauen, kostengünstigen und ökologischen Lösung von Carsharing- Angeboten.
Übrigens, Auslöser der Entscheidung der Stadtverwaltung Mannheim für CARSHARING war der Ersatz zweier Fahrzeuge der eigenen Flotte gewesen.
Schon das vergangene Jahr wäre ein gutes Jahr gewesen, um im Freistaat eine stärkere CARSHARING-Nutzung zu ermöglichen. Der Freistaat hatte 2011 geplant 120 Fahrzeuge neu zu kaufen. Diese Anzahl an Neuerwerbungen innerhalb eines Jahres entsprach ungefähr der Gesamtsumme der Fahrzeugkäufe durch den Freistaat in den fünf Jahren davor.
Wir schlagen Ihnen nun vor nach den guten Erfahrungen in kleineren Verwaltungsbereichen in der Verwaltung des Freistaates, endlich mit einer umfassenden Neuorientierung zu beginnen. Sie wäre eine effiziente und ökologische Ergänzung nach dem Jobticket, dass – nach einem Antrag unserer Fraktion – nunmehr per 01.03.2012 von der Regierung eingeführt wurden ist.