Eva Jähnigen zum Geodaten-Gesetzentwurf
Geodaten ins Netz – Datenschutzlücken vermeiden!
Redebeitrag der Abgeordneten Eva Jähnigen zum Gesetzentwurf „Über das Geoinformationswesen im Freistaat Sachsen“, 15. Sitzung des Sächs. Landtages, 19. Mai, TOP 4
Es gilt das gesprochene Wort!
—————————————————————————-
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen!
Wie wichtig es ist, dass der Landtag der CDU und FDP-Koalition einen unabhängigen, arbeitsfähigen und gut ausgestatteten Datenschutzbeauftragten beratend zur Seite stellt – hat uns das Gesetzgebungsverfahren zum Geoinformationsgesetz eindrücklich gezeigt.
Wir halten es daher für untragbar, wenn CDU und FDP einhellig dort Stellen streichen. In völliger Verkennung, dass dem Datenschutzbeauftragten in den letzten Haushaltsverhandlungen gerade mal zwei (!!!) Stellen zugebilligt wurden, um die neue Mammutaufgabe „Datenschutz im privaten Bereich“ stemmen zu können.
Wer meint, dass die Skandale seit 2008 hier zu einer Grundsensibilität bei CDU und FDP geführt haben, hat offensichtlich zu viel erhofft.
Meine Fraktion begrüßt die Etablierung einer Geodateninfrastruktur, die jedem Bürger, jeder Bürgerin einen weitestgehend umfänglichen, einfachen und kostengünstigen Zugang zu Behördeninformationen insbesondere Geodaten und Umweltdaten gewährt – Informationsfreiheit gehört zu unserem Grundverständnis von demokratischem, transparenten, dienstleistungsorientierten Verwaltung.
Nichtsdestotrotz sehen wir die Verwaltung in der Verantwortung, Daten, die schutzwürdige Interessen Dritter berühren, vorausschauend zu wahren. Auch wenn es schwierig wird: die Missbrauchsgefahr ist einfach zu groß. Einmal Daten im Internet, lassen sich diese eben nicht wieder einfangen.
Einige Bemerkungen zum Beratungsverfahren im Innenausschuss:
Da die Umsetzung der INSPIRE-Richtlinie überfällig ist, wurde eiligst eine Anhörung zum Gesetzentwurf der Staatsregierung durchgesetzt und in der letzten Sitzung durch die Koalition eine Beschlussempfehlung des Innenausschusses zur Annahme des Gesetzentwurfes erwirkt, obwohl dieser überhaupt nicht entscheidungsreif war. Angekündigt wurde, dass ein Änderungsantrag zur 2. Lesung eingebracht wird, der uns jetzt seid einigen Minuten als Tischvorlage vorliegt.
Wenn sie auf den Ablauf der Umsetzungsfrist abstellen, dann sagen wir ihnen auch: Nicht zum Preis, sehenden Auges unausgegorener Gesetze! Wir haben schon ganz andere Richtlinien nicht fristgerecht umgesetzt und wir sind nach meiner Information auch längst nicht das einzigste Bundesland, welches noch fehlt. Bezeichnenderweise fehlt gerade auch Schleswig-Holstein, dessen Datenschutzbeauftragter im Vorfeld wesentlich die sog. Ampelstudie verfasst hat und eine Kategorisierung von Geodaten vorschlägt.
Datenschutz ist für sie einfach unrelevant, dass ist der Grund, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, am liebsten nur das beschließen zu wollen, was ihnen die Staatsregierung vorsetzt!
In Vorbereitung der Ausschussberatung am vergangenen Donnerstag hatte ich den Ausschussvorsitzenden in einem Schreiben gebeten, die Staatsregierung um Untersetzung ihrer Begründung für die Einführung einer Fiktion, zugunsten des öffentlichen Interesses zu bitten. In der Begründung zum Gesetzentwurf heißt auf S. 27:
„Eine datenschutzrechtliche Prüfung im Bereich des SMUL hat ergeben, dass es sich bei Geodaten in hohem Umfang um personenbezogene Daten handelt.“
Ich halte es schlichtweg für eine Missachtung des Parlaments, wenn der Ausschussvorsitzende meiner Kollegin im Innenausschuss dann erklärt, dass uns die Staatsregierung nur die Ergebnisse ihrer Willensbildung mitteilen muss, nicht jedoch interne Papiere offenlegen. Offensichtlich hielt er es nicht mal für nötig, meine Bitte an den Herrn Staatsminister weiterzuleiten? Das ist bezeichnend für das Staatsverständnis der CDU, für einen Gesetzgeber aber inakzeptabel.
Nehmen sie doch bitte mal zur Kenntnis, dass diese Arroganz der Macht regelmäßig vor dem Sächsischen Verfassungsgerichtshof scheitert. Meine Fraktion hatte in der letzten Legislatur erfolgreich 3 Organstreitverfahren geführt, in denen es um Informationspflichten des Parlaments ging. Beispielhaft möchte ich aus dem Urteil vom 23. April 2008 (Vf. 87-I-06) zitieren, in dem es um die fehlenden Informationen zu operationellen Programmen ging:
„Durch Mitteilung der betreffenden Entscheidung und gegebenenfalls der ihr zu Grunde liegenden Erwägungen muss das Parlament in die Lage versetzt werden, Anlass, Inhalt und Auswirkungen der Maßnahme zu bewerten und sich hierzu eigenverantwortlich einen politischen Willen zu bilden“.
Glücklicherweise war dann doch ein Vertreter des SMUL anwesend, der uns aus seiner Sicht die Notwendigkeit der Fiktion damit begründete, dass ansonsten 80.000 Datensätze zu Bohrungen einer individuellen Anhörung bedürften. Man erkannte also das Problem, dass diese Daten einen Personenbezug haben, löste dieses aber mit in völliger Verkennung der Grundrechtsrelevanz, indem man einfach per Gesetz festlegt, dass dieser Personenbezug nicht einer Veröffentlichung im Internet und dem allgemeinen Zugang entgegenstehen soll. Das mag für die Bohrlöcher sogar verhältnismäßig gewesen sein – ein unverhältnismäßiger Verwaltungsaufwand leuchtet irgendwie ein!
Aber die abstrakt generelle Regelung trifft eben alle Geodaten.
Diese Fiktion wurde – wie heute schon mehrfach erwähnt – durch die Intervention des Datenschutzbeauftragten gekippt; unseren entsprechenden Änderungsantrag hat die Koalition übernommen.
Da ist zu begrüßen, aber das Problem der Überforderung der Verwaltungen bleibt.
Ich hatte es bereits in der Anhörung thematisiert und keine Antwort erhalten: Wie soll die einstellende Fachkraft entscheiden, ob das einzelne Geodatum bei der Masse an einzustellenden Daten einen Personenbezug hat und mit welchen Folgen? Hier wird seit Jahren diskutiert und eine Kategorisierung von Geodaten vorgeschlagen (sog. Ampelpapier unter wesentlicher Beteiligung des unabhängigen Datenschutzzentrums in Kiel). Wir haben einen entsprechenden Vorschlag im Ausschuss gemacht und werden ihn auch dem Plenum nochmals zur Annahme vorschlagen. vertröstet wurden wir von der Koalition, dass es dafür noch einen Vorschlag geben wird.
Zum Änderungsantrag:
Wie bereits erwähnt, ist mit der Streichung der Fiktion weder das Problem der dateneinspeisenden Stellen gelöst, festzustellen, ob ein Satz an Geodaten einen Personenbezug aufweist, noch eine Erleichterung der Abwägung, ob dieser schutzwürdig sind und das öffentliche Interesse an der Allgemeinzugänglichkeit überwiegt.
Wir halten es nicht für zielführend, die Verwaltung mit dieser Aufgabe völlig allein zu lassen. Gerade um eine rechtsförmige und einheitliche Verwaltungspraxis sicherzustellen, sehen wir die Notwendigkeit, gewisse Kriterien/ Handlungsanleitungen bereitzustellen.
Wir schlagen ihnen vor, die Staatsregierung zu ermächtigen per Rechtsverordnung Kategorien zu bilden, um ein abgestuftes Verfahren zu ermöglichen. Beispielsweise könnte man sich vorstellen das vom SMUL angegebene Problem der 80.000 Datensätzen zu Bohrlöcher mit einer öffentlichen Ausschreibung zu lösen ist, für 80.000 Datensätze zu Sozial- oder Gesundheitsdaten brauch es sicher eine sensiblere Lösung.
Wegen der Grundrechtsrelevanz halten wir eine Kategorisierung/ Pauschalisierung auf der Ebene einer bloßen Verswaltungsvorschrift/ Handreichung für zu unverbindlich. Das Zustimmungserfordernis des Landtages halten wir in diesem Ausnahmefall für angemessen vor dem Hintergrund, dass ohne Einbeziehung des Parlaments zwar der Vollzug der Gesetze gelöst werden kann, aber eben nicht das „Ob“ weitere Grundrechtseingriffe.
Zum Änderungsantrag der Koalition:
Zur Verwaltungsvereinfachung sieht der Änderungsantrag nun vor, dass bei einer Vielzahl von gleichartigen Entscheidungen zu personenbezogenen Geodaten die Anhörung der Betroffenen durch öffentliche Bekanntmachung einer Anhörungsmöglichkeit und -frist ersetzt werden kann.
Wir bleiben aber dabei, dass nicht allein der Verwaltungsaufwand und der Umfang der einzustellenden Datensätze entscheidendes Anknüpfungskriterium sein kann sondern auch die vorgesehenen Dateninhalte.
Vorstellbar ist, dass für Bohrungen dieses Verfahren die angemessene Lösung ist, bei Geodaten mit Sozial- oder Gesundheitsbezug aber eben nicht.
Es besteht immerhin die Möglichkeit, dass nicht alle Betroffenen die öffentliche Bekanntmachung zur Kenntnis nehmen.
Wir halten daher zumindest ergänzend an unserem Vorschlag der Kategorisierung nach Dateninhalten fest und werden uns bei dem Änderungsantrag der Koalition enthalten.