Eva Jähnigen zur Änderung der Sächsischen Bauordnung: Koaliton liefert schlechte Kopie eines grünen Gesetzentwurfs

Unserem Originalgesetz zur Förderung erneuerbarer Energien würden wir gern zustimmen, aber nicht mit den vergifteten Ergänzungen in der Bauordnung zum Radverkehr
Redebeitrag der Abgeordneten Eva Jähnigen zum Gesetzentwurf "Gesetz zur Änderung der Sächsischen Bauordnung" (Drs. 5/5593) in der 40. Sitzung des Sächsischen Landtages, 14.09., TOP 3

Es gilt das gesprochene Wort!
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Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren,
es hätte ein Happy-End werden können, verspätet, aber immerhin: die GRÜNE-Fraktion bringt 2010 einen Gesetzentwurf zur Genehmigungsfreiheit von Solaranlagen ein. Alle Sachverständigen unterstützen ihn – aber die Fraktionen der CDU und der FDP lehnen im März 2011 ab. Im Mai 2011 bringen CDU und FDP einen fast wortgleichen Entwurf ein! Wir GRÜNEN sind nicht kleinlich und hätten unter Verweis auf unser copy right unserem Vorschlag mit ihrem Absender zugestimmt.
Doch unserem guten Gesetzentwurf hängen nun vergiftete Ergänzungen an. So will die Koalition Werbung in Wohngebieten öffnen und größere Gaststättenterrassen genehmigungsfrei stellen. Mit einer vermeintlichen Normenverschlankung schaffen Sie Konflikte, die nachträglich mit großem Aufwand von Behörden und Gerichten aufgearbeitet werden müssen, davor warnte sie die Präsidentin des Dresdner Verwaltungsgerichtes, Frau Dr. Dahlke-Piel. Leider umsonst.
Besonders schlimm ist die de facto Abschaffung der Stellplatzpflicht für Fahrräder. Theoretisch hat die Regierung 2006 in ihrer Radverkehrskonzeption beschlossen, dass der umwelt- und gesundheitsfreundliche Radverkehr gesteigert und dazu umfassend gefördert werden soll. Wörtlich heißt es: "Fahrradfahren soll beliebter und sicherer werden." Schon jetzt ist der Radverkehr in vielen Städten eine Wachstumsbranche und hat Verkehrsanteile von 15 bis 20 Prozent wie in Radebeul, Leipzig und Dresden. Dieser Anteil kann und muss ausgebaut werden – sonst erreicht Sachsen seine Klimaziele nicht.
Das Rad muss abgestellt werden können. Komfort, Sicherheit und genügend Raum sind gefragt. Der Trend zum Zweitrad und zu wertvollen Rädern, z.B. Pedelacs mit Batterieunterstützung, nimmt zu. Nutzbare Fläche wird knapp. In den Städten gibt es Streit um Platz für Kinderwagen, Räder, Rollstühle und Rollatoren. Kollege Biesok von der FDP schlug im Innenausschuss die erweiterte Nutzung von Laternenpfählen vor. Eine wirklich weltfremde Variante: da können Sie zur Haupteinkaufszeit aber lange suchen.
Auch die Fahrradstellplatzpflicht in der sächsischen Bauordnung basierte auf einem Vorschlag der GRÜNEN. Der Abgeordnete Klaus Gaber setzte sie im 1. sächsischen Landtag durch. Die Gleichstellung von Rad und Auto war damals wegweisend, der Fahrradanteil am Gesamtverkehr noch nicht halb so stark wie heute. Andere Länder griffen das auf. Ihr Abschaffungsvorschlag heute zeigt wie weltfremd Ihr Ansatz ist: in Leipzig z. B. haben 75 Prozent aller Einwohner mindestens ein Rad, das sind fast 400.000 Räder und die Anzahl steigt mit dem Radentwicklungsplan der Stadt. Nur wohin damit? In Berlin ist das Fahrradparken durch die Einführung der Stellplatzpflicht deutlich sicherer geworden. Die Diebstähle sinken trotz steigender Besitzerzahlen.
Das ist Radverkehrsförderung und Kriminalitätsvorbeugung in einem.
Die von Ihnen vorgeschlagene Regelung ist auch im Detail unbrauchbar. Der Unterschied zwischen Gebäuden mit bis zu sechs Wohnungen und darüber ist willkürlich – Fahrradverkehr hängt von Orts- und Bewohnerstruktur ab. Die Beschränkung auf Sonderbauten ist falsch. Warum müssen an Verkaufsstätten unter 800 Quadratmetern keine Radstellplätze eingerichtet werden, auch wenn erheblicher Radverkehr zu erwarten ist?
Der Sachverständige des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs ADFC hat Alternativen aufgezeigt. Kleine Häuser mit bis zu zwei Wohnungen könnten ausgenommen werden. Für besonders bedenkenswert halte ich seine Idee, dass Kommunen selbst die Stellplatzpflicht per Satzung regeln dürfen – für Räder und Autos. So könnte die Verschiedenheit dicht bebauter Stadtteile zu Einzelhausbebauungen berücksichtigt und sogar autofreies Wohnen gefördert werden. Auch darüber wollten Sie nicht einmal nachdenken.
Wir werden heute von Änderungsanträgen absehen. Wir möchten dieser zweifelhaften Gesetzesberatung nicht den Anschein einer echten Fachdebatte geben, haben wir doch den Eindruck, dass die CDU unseren Gesetzentwurf überhaupt nur mit Konzessionen an die FDP einbringen durfte. Da hat einer ihrer Mitarbeiter das Wort Entbürokratisierung aufgeschrieben und Sie haben im Pawlowschen Reflex alles abgenickt, ohne sich über die Folgen klar zu werden. Anstelle des Radfahrens fördern sie die Enge auf Gehwegen und in Hausfluren. Im Ergebnis werden die Kommunen mit ihrem knappen Geld noch mehr Radstellplätze finanzieren müssen.
Wir GRÜNEN beantragen die punktweise Abstimmung des Gesetzentwurfes und werden die kritisierten Teile ablehnen. Unserem Originalgesetz zur Förderung erneuerbarer Energien sind wir immer noch bereit zuzustimmen, aber nicht um den Preis solcher Verschlechterungen in der Bauordnung. Deshalb werden wir uns zu Ihrem unveränderten Gesetzentwurf enthalten.