Finanzierungsabkommen Sorbisches Volk − Schubert: Positive und unterstützende Grundhaltung bei den Verhandlungen zum neuen Finanzierungsabkommen beibehalten!
Redebeitrag der Abgeordneten Franziska Schubert zum Antrag der Fraktionen CDU und SPD zum Thema:
"Finanzierungsabkommen Sorbisches Volk" (Drs 6/15469), 11. Dezember, TOP 9
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
die Höhe der staatlichen Zuschüsse an die Stiftung für das sorbische Volk liegt heute – trotz leichter Steigerung in den letzten Jahren – nur 11 Prozent über dem Niveau des Jahres 2000. Allein die Inflationsrate betrug jedoch innerhalb dieser letzten 18 Jahre knapp 30 Prozent. Reell wurde also, ungeachtet aller politischen Bekenntnisse zum Stellenwert sorbischer Sprache und Kultur in Sachsen, an den Grundlagen für Erhalt und Weiterentwicklung derselben kräftig gespart. Das zeigt sich eindrucksvoll auch an den Mitarbeiterzahlen der sorbischen Institutionen, die in den letzten 25 Jahren um ein Viertel zurückgegangen sind. In einigen Fällen handelte es sich dabei um den Abbau überschüssiger Kapazitäten und Reaktionen auf einen damals tatsächlich akuten Sparzwang; so manche Institution wurde im Zuge dieser Sparmaßnahmen jedoch an die Grenze ihrer Arbeitsfähigkeit gebracht und steht dort im Wesentlichen bis heute. Öffentlich sichtbar ist das vor allem im Sorbischen Nationalensemble, das viele Programme aus Personalmangel nur noch reduziert oder überhaupt nicht mehr zeigen kann, jedoch reicht es auch in den restlichen Einrichtungen im Wesentlichen nur für den Erhalt des Status quo, nicht jedoch für die nötige Weiterentwicklung und die Übernahme neu entstandener Aufgaben. Die moderaten Aufwüchse der letzten zehn Jahre wurden durch Inflation und Tarifsteigerungen überwiegend nivelliert.
Einige zentrale Einrichtungen, wie die Obersorbische Sprachschule in Milkel, mussten in den 1990er Jahren sogar ganz geschlossen werden, weil die nötigen Mittel nicht mehr zur Verfügung standen. In diesem konkreten Fall wurde damit eine Bresche in den Bereich der sorbischen Erwachsenenbildung geschlagen, die auch heute noch schmerzlich spürbar ist. Es mangelt nicht etwa an Interessenten, die zumindest Grundlagen des Sorbischen erlernen wollen – es steht schlicht seit 25 Jahren keine leistungsfähige Struktur mehr zur Verfügung, die sie dabei unterstützen könnte. Die nunmehr angedachte Schaffung einer Schule für obersorbische Sprache und Kultur ist daher keine ’neue Aufgabe, keine zusätzliche Leistung, sondern wäre schlicht die längst überfällige Korrektur einer Sparentscheidung aus den neunziger Jahren.
Zugleich stellt die Digitalisierung des Alltags und der Arbeitswelt uns alle vor neue Herausforderungen. Während digitale Angebote wie Webseiten, Programme, Apps, Spiele, Online-Übersetzer, Sprachausgabe und Spracherkennung, Online-Streaming, Audio-Guides usw. in deutscher Sprache selbstverständlich sind und sowohl von internationalen Großkonzernen, als auch von der öffentlichen Hand und dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk vorangetrieben und ausgebaut werden, gilt das für dieselben Angebote in sorbischer Sprache nur sehr eingeschränkt. Zwar konnten in den letzten fünf Jahren dank zusätzlich zur Verfügung gestellter Bundes- und Landesmittel einige wegweisende Modellprojekte umgesetzt werden, wie zum Beispiel die sorbische Rechtschreibprüfung, ein Online-Sprachkurs oder das erste elektronische Lehrbuch in sorbischer Sprache. Andere Angebote wurden von sorbischen Enthusiasten in freiwilliger Arbeit auf den Weg gebracht.
Dennoch ist das Sorbische weit davon entfernt, einen festen Platz in der digitalen Welt zu besetzen. Noch immer haben Sorben keine andere Wahl, als ihre Smartphones und Computer auf Deutsch zu bedienen und Deutsch mit ihnen zu kommunizieren, da es keine sorbische Spracherkennung gibt. Damit steht einer der wesentlichen alltäglichen Sprachräume in einer der beiden Landessprachen Sachsens de facto nicht zur Verfügung. Eine Sprache muss jedoch in allen Lebensbereichen einsetzbar sein und eingesetzt werden können, um zukunftsfähig zu sein. Der Grund für diesen Rückstand liegt allerdings weder in der sorbischen Sprache selbst, noch in einem etwaigen Mangel entsprechender Fachleute, sondern in den meisten Fällen schlicht an den nötigen finanziellen Mitteln. Während sich Google, Microsoft, Facebook und andere globale Konzerne – ebenso wie öffentlich-rechtliche Anbieter und nicht zuletzt staatliche Stellen – mit immer neuen digitalen Angeboten in deutscher Sprache überbieten, ist eine Sprache mit wenigen zehntausend Sprechern, die zudem alle Deutsch verstehen, wirtschaftlich schlicht nicht von Interesse. An dieser Stelle ist somit der Staat gefragt, das entstandene Ungleichgewicht wenigstens an einigen Stellen auszugleichen.
Erklärtes Ziel des Freistaates ist es, die Anwendung der sorbischen Sprache in Wort und Schrift im öffentlichen Leben zu fördern. Der Anspruch muss es sein, Bedingungen zu schaffen, unter denen das Sorbische gleichberechtigt – oder zumindest etwas weniger benachteiligt – existieren kann. Dies ist im digitalen Bereich, für den bisher keine ständige Förderung vorgesehen war, nur durch verstärktes finanzielles Engagement machbar. Gleiches gilt für das Feld sorbischsprachiger Medien, insbesondere audiovisueller Produktionen. Da der öffentlich-rechtliche Rundfunk einerseits offenbar nicht willens ist, sein Angebot in sorbischer Sprache auf ein vernünftiges Maß auszuweiten, und sich andererseits der Medienkonsum vor allem der jüngeren Generation ohnehin vom linearen Fernsehen und Radio weg entwickelt, werden auch hier in den nächsten Jahren größere Anstrengungen seitens sorbischer Institutionen und Dritter nötig sein. Auch dies wird sich nicht zum Nulltarif verwirklichen lassen.
Neben dem Schwerpunkt Digitalisierung sowie der zuvor angesprochenen Erwachsenenbildung in sorbischer Sprache wird zukünftig auch die gezielte Nachwuchsförderung von sorbischsprachigen Fachkräften eine größere Rolle spielen müssen, um die Arbeitsfähigkeit sorbischer Institutionen und Organisationen zu erhalten. Auch hierfür müssen Strukturen aufgebaut werden.
Insbesondere die mittlere Lausitz und auch die Sorben jener Region bekommen nun ganz konkret zu spüren, was der über Jahrzehnte aufgeschobene Strukturwandel in der Braunkohleregion für sie zu aller erst bedeutet: Die noch von Vattenfall zum Zweck der Imagepflege großzügig in den Gemeinden verteilten ‚Geschenke‘ wurden vom Nachfolger LEAG bis auf wenige Ausnahmen zusammengestrichen. Davon sind auch sorbische Akteure vor Ort, z.B. in Schleife, Trebendorf und Rohne, direkt betroffen. Diese Region ist durch politische Entscheidungen in eine ungesunde Abhängigkeit von der Kohle geraten und hat Dutzende – oftmals sorbische – Dörfer verloren; durch eine politische Entscheidung steht nun das längst überfällige Ende der Kohleverstromung vor der Tür. Politische Entscheidungen müssen es also sein, die den Fortbestand wichtiger kultureller Einrichtungen wie etwa des Njepila-Hofes in Rohne trotz wegbrechender Unterstützung durch den Grubenbetreiber auch in Zukunft absichern.
Sachsen als Heimatland des größten Teils der Sorben ist in den vergangenen Jahren mehrfach – u.a. bei der Bereitstellung der zusätzlichen Mittel für die Präsenz der sorbischen Sprache in den elektronischen Medien – mit gutem Beispiel vorangegangen und hat den Bund und Brandenburg so motiviert, ihr Engagement ebenfalls zu verstärken. Die Staatsregierung möge diese positive und unterstützende Grundhaltung auch bei den Verhandlungen zum neuen Finanzierungsabkommen beibehalten. » Alle Infos zum 83./84./85. Plenum » Alle GRÜNEN Reden