Fleischkennzeichnung − Günther: Schluss mit verwirrender Vielfalt an Gütesiegeln

Rede des Abgeordneten Wolfram Günther (GRÜNE) zum Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ‚Für mehr Transparenz – Kennzeichnung der Haltungsform auf Fleisch und Fleischprodukten einführen‘
40. Sitzung des Sächsischen Landtags, 1. September 2016, TOP 10, Drs. 6/5702

– Es gilt das gesprochene Wort –
Frau Präsidentin,
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Unser Antrag lautet: „Für mehr Transparenz — Kennzeichnung der Haltungsform auf Fleisch und Fleischprodukten einführen“. Wir möchten, dass sich der Freistaat dafür einsetzt, dass auf Bundes- und vor allem auch EU-Ebene eine entsprechende Kennzeichnung von Fleischprodukten zustande kommt. Wir wollen dafür ein ganz einfaches System, ähnlich wie Sie es schon von den Eiern kennen, die Sie kaufen. Es ist ein Zahlensystem von 0 bis 3. „0“ ist Öko, also Bio, „1“ Zugang zum Freien, „2“ 30 % mehr Platz als gesetzlich vorgeschrieben und „3“ Einhaltung der gesetzlichen Mindeststandards.

Für den Verbraucher ist es derzeit sehr schwierig, im Laden zu erkennen, aus welcher Haltungsform das Fleisch kommt. Es gibt nur die Biosiegel, die eingeführt wurden. Aber für alles, was jenseits davon ist, gibt es eine Vielfalt von verschiedenen Erzeugern, die sich mit eigenen Siegeln zusammengetan haben. Das ist sehr unübersichtlich. Der Verbraucher kann kaum durchsehen, was in alledem wirklich drinnen steckt und an Gutem drauf steht. Von daher ist es naheliegend, ein einheitliches System einzuführen.

Wir holen das auch nicht ganz aus dem Kalten. Der Wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik und Verbraucherschutz beim Bundeslandwirtschaftsministerium empfiehlt genau so eine Kennzeichnung und vor allem auch ein staatliches Kennzeichnungssystem — um das gleich richtig festzuklopfen — insbesondere im Hinblick darauf, dass das Marktpotenzial für Fleischprodukte mit höheren Tierschutzstandards, als sie gesetzlich vorgeschrieben sind, noch nicht annähernd ausgeschöpft ist. Das muss man erst einmal zur Kenntnis nehmen. Das ist das, zu welcher Erkenntnis man fachlicherseits gekommen ist.

Ich darf daran erinnern: Die EU-Kommission hatte schon im Jahr 2005 eine Umfrage gestartet und festgestellt, dass von den EU-Bürgern 89,6 % für eine Kennzeichnung sind. In Deutschland sind es sogar noch mehr gewesen, nämlich 95,7 %. 89,2 % von ihnen haben EU-weit gesagt, das würde auch ihre Kaufentscheidung direkt beeinflussen — in Deutschland waren es sogar 94,2 % der Befragten. Sie sehen, das ist fast Commonsense, dass man das möchte und dass man seine Kaufentscheidung von so etwas leiten lassen will.

Infratest hat im Jahr 2013 in Deutschland eine Umfrage gemacht, in der 96 % der Befragten angegeben haben, dass ihnen eine tiergerechtere Haltung wichtig ist, und immerhin 61 % haben gesagt, dass sie sich beim Einkauf noch lange nicht ausreichend über die Haltung informiert fühlen.

Häufig kommt der Vorwurf: Ja, die Leute sagen das so schnell hin bei einer Befragung, aber das, was man bei einer Befragung sagt und das, was man hinterher tut — vor allen Dingen an der Ladenkasse —‚ das sind immer zwei verschiedene Welten. Auch dazu kann man einiges sagen. Es gibt nämlich ein leuchtendes Beispiel, und zwar die Eier. Dort hat das funktioniert.

Im Jahr 2000 wurde EU-weit eine Kennzeichnungspflicht eingeführt. Nach einer ganz aktuellen Umfrage von Emnid 2016 zu Eiern und Verarbeitungsprodukten haben 87 % der Befragten gesagt, sie lassen sich genau von dieser Kennzeichnung, die dort draufsteht, bei ihrem Kauf leiten, und 81 % wünschen sich, dass das endlich auf Verarbeitungsprodukten draufsteht. Das ist ja noch das kleine Manko. Wenn ich Eier in der Schale kaufe, habe ich die Kennzeichnung, wenn ich sie verarbeitet in der Nudel kaufe, habe ich sie eben noch nicht.

Das sind nicht nur Befragungen, was die Leute behaupten, sondern das sind Fakten, die sich nachvollziehen lassen, Im Jahr 2000 wurde die Kennzeichnungspflicht eingeführt und schon im Jahr 2005 — also Angebot und Nachfrage muss sich noch ein bisschen entwickeln — haben die Verkaufszahlen all dieser alternativen Haltungsformen die Produkte aus Käfighaltung überholt. Die Tendenz hat sich danach fortgesetzt und Käfighaltungseier sind jetzt auf dem Weg zu einem Nischenprodukt.

Eine Kennzeichnung auch für Fleischprodukte würde also erstens dem Tierschutz dienen. Unser Hinweis ist ja: mehr Platz. Ganz viele Probleme — ob es nun angebissene Schwänze bei den Ferkeln oder Verletzungen sind —‚ haben immer etwas mit dem Platz zu tun, den die Tiere haben; da könnte man sehr vielen nützen. Es würde auch den Landwirten nützen — das hat man bei der Produktion der Eier schon gesehen; die Leute sind bereit, mehr Geld auszugeben —‚ genau diesen wirtschaftlichen Anreiz zu bringen. Der Verbraucher würde mehr bezahlen für bessere Haltung. Das heißt, die Landwirte, die es besser machen würden, würden dafür die ausreichenden Finanzen bekommen. Vor allem könnten die Landwirte, die sich schon heute vorbildlich verhalten und mehr tun als das, was im Gesetz steht, endlich den Mehraufwand durch Verkaufspreise wiederbekommen.

Es geht ausdrücklich um solche Kennzeichnungen — wir haben es bei den Eiern gesehen —; wir sehen es im Prinzip auch auf Bundesebene in Diskussionen. Es geht bei unserem Antrag ausdrücklich nicht darum, neue Vorschriften einzuführen, dass den Landwirten neue Haltungsbedingungen vorgeschrieben werden, an die sie sich halten müssen, sondern es geht einzig und allein darum, Anreize zu schaffen — Anreize sowohl für die Verbraucher als auch für die Landwirte — für ein freies eigenverantwortliches Handeln, damit sie etwas daraus machen können. Die Erfahrung bei der Eierproduktion zeigt, es funktioniert.

Von daher würden wir uns wünschen, wenn Sie das in Ihren Redebeiträgen — alles spricht dafür — vielleicht auch mit zum Ausdruck bringen könnten und hinterher gleich noch unserem Antrag zustimmen würden.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist manchmal ganz erstaunlich, was aus einem solchen Antrag von den Kollegen der anderen Fraktionen heraus gezaubert wird. Der Antrag lautete ja gerade, ein einfaches Kennzeichnungssystem mit vier Zahlen einzuführen: Null für Bio/Öko — im Prinzip gibt es das schon —‚ Eins heißt einfach nur Zugang zum Freien — das ist eigentlich auch etwas ganz Schlichtes —‚ die Zwei heißt, dass die Tiere 30 % mehr Platz haben als gesetzlich vorgeschrieben, und Drei bedeutet schlicht, dass man die gesetzlichen Vorgaben erfüllt.

Das ist genau die Antwort darauf, wenn eingewandt wird, es gebe so viele komplexe Fragen in der Haltung. Es ist richtig; das kann man nicht alles in ein Label pressen. Aber deswegen muss man sich für bestimmte Dinge entscheiden, und ich hatte es vorhin schon einmal kurz angerissen: Gerade der Platz, der den Tieren zur Verfügung steht, ist eben bei all den Fragen, die man immer diskutiert, was gut oder schlecht ist, einer der wesentlichsten Hebel. Deswegen kann man auf ihn eingehen, genauso darauf, ob Tiere überhaupt Zugang zum Freien haben oder auch nicht. Deswegen sollten diese zwei ganz schlichten Punkte dort eingehen.

Alles andere, was ich hier gehört habe, dass der Verbraucher das nicht mehr lesen kann, erscheint mir nicht nachvollziehbar, so der Vorhalt, auf der Verpackung seien eine Null, eine Eins, eine Zwei oder eine Drei nicht mehr zu finden. Schlichter kann man es halt nicht machen.

Von daher lade ich Sie herzlich ein, sich den Antrag vorzunehmen, ihn sich einmal anzugucken und davon Ihre Entscheidung abhängig zu machen, ob Sie dem zustimmen können oder nicht. Sofern Sie das getan haben, kann ich davon ausgehen, dass wir hier eine ganz große Mehrheit bekommen. Vielen Dank.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wie gesagt, es geht um ein einfaches System, und es gibt auch kein Problem bei der Nachvollziehbarkeit, woher ein Stück Fleisch kommt, weil man dies schon heute nachvollziehen können muss. Da kann man auch eine Ziffer von 0 bis 3 weiter mit fortführen.

Vor allen Dingen ist Folgendes wichtig: Wir sagen oft, unsere sächsischen Produzenten tun oft schon viel mehr, stehen aber im Wettbewerb mit Anbietern aus anderen Ländern, die bei Weitem noch nicht solche Standards einhalten wie wir. Das wäre einmal eine Möglichkeit, dies auch zu zeigen, weil es für Verbraucherinnen und Verbraucher oft wichtig ist, das zu sehen.

Damit helfen wir unseren Landwirten, die sich auf diesem Gebiet Mühe geben und die auch investieren — es kostet ja auch Geld, wenn sie die Tiere besser halten —‚ und es wäre ein ganz einfaches Mittel, ihnen zu helfen und einfach einmal einem Bedürfnis nachzukommen – ich hatte die Zahlen vorhin gebracht —‚ das weit über 90 % der Verbraucherinnen und Verbraucher haben, die so etwas wünschen. Deshalb erneuere ich meine Bitte um Zustimmung, und dann war es das von uns.