Franziska Schubert: Dieser Haushaltsentwurf ist kein Zukunftswerk – Sachsen fehlt ein Leitbild
Redebeitrag der Abgeordneten Franziska Schubert zu TOP 1:
"Generaldebatte zum Doppelhaushalt 2015/16"
12. Sitzung des Sächsischen Landtags, 28. April 2015
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
unsere Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Änderungsvorschläge mit einem Gesamtvolumen von 955 Millionen Euro vorgelegt unter Beachtung der Haushaltsgrundsätze und mit soliden Deckungsvorschlägen. In vielen Bereichen wurde seit dem ersten Entwurf des Doppelhaushalts deutlich nachgebessert, was wir anerkennen und begrüßen. Das große Ziel muss aber sein, Zukunftsfähigkeit in Sachsen langfristig und strategisch zu sichern. Dazu gehört vor allem, auf den demografischen Anpassungsbedarf in Land und Stadt Antworten zu finden sowie den öffentlichen Dienst zukunftssicher aufzustellen. Das kann man nach wie vor nicht aus dem Haushaltsentwurf erkennen; er ist kein Zukunftswerk und wer das behauptet, ist entkoppelt von den Realitäten. Ich denke, dass die Weichen anders gestellt werden könnten, und es muss nicht nur an einzelnen Schrauben gedreht werden.
Sachsens Zukunftsfähigkeit wird durch die Art und Weise, wie investiert wird in Zeiten der sich ändernden demografischen Rahmenbedingungen maßgeblich mitbestimmt. Die Kernfrage ist doch: Wie gehen wir mit dem demografischen Wandel sowohl im städtischen als auch im ländlichen Raum um in den Kernbereichen Bildung, Katastrophenschutz, Energieversorgung und Mobilität. Als junge Abgeordnete, die sich um ihre Heimat schon seit Jahren kümmert, kenne ich den Handlungsbedarf vor Ort und weiß, was es heißt, wenn der demografische Wandel angekommen ist. Ich möchte an dieser Stelle klarstellen, dass die ländlichen Räume mehr sind als Land- und Forstwirtschaft. Ihre finanzielle Vernachlässigung ist nach wie vor nicht aufgehoben. Wenn wir etwas für die Menschen in diesem Land tun wollen, dann müssen wir dazu beitragen, dass sie frei, glücklich und sicher in mehrfacher Hinsicht leben können. Das heißt: anpassen und ausprobieren, Zeit gewähren und Lernwillen beweisen. Dazu gehören neue Formen zukünftiger Arbeitsteilung und Wertschöpfung sowie neue Funktionsbeziehungen zwischen Stadt und Land; das erfordert Strategiearbeit. Zukunftsmacher brauchen finanzielle Planungssicherheit und die muss hergestellt werden. Es war für mich erschreckend zu erleben, wie visionsarm sich die Fachressorts zu großen Teilen präsentierten. Die Fragen für Investitionen in Zukunftsfähigkeit müssen doch heißen: in wen investieren wir, aus welchem Grund, was heißt es in der Folge? Jedes große Unternehmen ist damit kontinuierlich befasst. Aber in Sachsen, da stellt man diese Fragen seit Jahren nicht, es fehlt an einem wirklichen Leitbild.
Sachsens Haushalt leidet nach wie vor unter strukturellen Risiken. Zur hohen Drittmittelabhängigkeit sowie zu den Nebenhaushalten werde ich mich an dieser Stelle nicht noch einmal äußern. Fürs Protokoll möchte ich jedoch festhalten: bei den Nebenhaushalten ist das Transparenzdefizit wachsend und beim Thema Staatsbetriebe wissen wir alle, dass hier Handlungsbedarf besteht. Das muss angegangen werden; es wird vom Sächsischen Rchnungshof seit Jahren angemahnt. Unser konstruktiver Beitrag dazu: ein eigener Antrag im Haushaltsgesetz.
Das Thema Personal ist und bleibt der Klassiker in allen Haushalten. Der öffentliche Dienst muss funktionstüchtig bleiben und zukunftsfit gemacht werden. Der Sächsische Landesrechnungshof hat in seinem Sonderbericht Anfang 2014 dargelegt, was der Stellenabbau in der von der Staatsregierung praktizierten Form bedeutet. Vom angestrebten Stellenabbau abgesehen, werden bis 2031 nahezu zwei Drittel aller Bediensteten altersbedingt ausscheiden. In aller Deutlichkeit muss gesagt werden: das wird nicht erst 2031 ein Problem. Trotzdem gibt es bis heute kein personalwirtschaftliches Konzept; keine Idee, wie diese radikale Veränderung gesteuert bzw. gestaltet werden kann. Dann passieren solche Sachen: die knapp 3.000 neuen Lehrerinnen und Lehrer wurden außerhalb des Stellenplans in den Einzelplan 05 geschrieben. Die werden natürlich nicht alle auf einmal eingestellt, sondern sind auf fünf Jahre verteilt. Außerhalb des Stellenplans heißt dann aber auch, dass wir prüfen müssen, wie viele davon noch im nächsten Haushaltsentwurf stehen werden und ob überhaupt. Wo steuert das Schiff des öffentlichen Dienstes in Sachsen also hin? Diese wichtige Frage bleibt offen – wir bieten dazu einen Entschließungsantrag an.
Das, was jetzt geschieht, ist die vergegenwärtigte Zukunft und sie sollte an Sachsen nicht vorbeiziehen. Mit einem Ausspruch von Antoine de Saint-Exúpery möchte ich enden, der einmal sagte: "Zukunft soll man nicht vorhersehen wollen – Zukunft muss man möglich machen."