Franziska Schubert: Kein anderes Bundesland gibt so viel Geld für eine Imagekampagne aus wie Sachsen. Allein das ist Grund genug, immer wieder darauf hinzuweisen, dass die Kosten in keiner Relation zum Nutzen stehen.

Redebeitrag der Abgeordneten Franziska Schubert zur Großen Anfrage:
"’So geht sächsisch‘ – Standortkampagne für den Freistaat Sachsen"
13. Sitzung des Sächsischen Landtags, 30. April 2015, TOP 9

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Damen und Herren,
zugegebenermaßen, in der letzten Zeit komme ich nicht wirklich oft dazu, aber manchmal, zur Sicherung des eigenen Überlebens, schaffe ich ihn: den Gang in den Supermarkt. Bei einem dieser Gänge steuerte ich zielgerichtet zu den Milchtüten. Und da blitzte es mich an: das Sachsenwappen. Auf Müllers Milchtüten prangte es über einer adrett in farblos gekleideten Frau mit einem Kinderwagen. Darüber steht: "Wir finden, wer Karriere macht, sollte sich auch einen Sportwagen leisten können." Ich stutzte. Vor Kurzem gehörte ich zu der Zielgruppe, die Sachsen zu erreichen versucht: im erwerbs- und gebärfähigen Alter, mit guter Hochschulausbildung, gesellschaftlich engagiert, weiblich. Potenzielle Mutter. Ich fragte mich also, ob mich die Botschaft auf der Milchtüte damals dazu hätte bewegen können, Sachsen wieder als meinen Lebensmittelpunkt zu wählen. Im Geiste antwortete ich mir: nein. Keine einzige Maßnahme der Standortkampagne, die mir bekannt ist, hätte mich bewogen. Bewogen haben mich: meine familiären Wurzeln, die Möglichkeit, an Dresdens TU am Lehrstuhl für Wirtschafts- und Sozialgeographie Südost- und Osteuropas einen Lehrauftrag anzunehmen, die Aussicht auf Rückkehr in meine Oberlausitzer Heimatregion, in der mein Engagement geschätzt und gewollt wurde.
Von dieser eher qualitativen, am Fallbeispiel orientierten Werbewirkungsanalyse, möchte ich zum Thema des Entschließungsantrags der Linken kommen und zu quantitativen Fakten übergehen.
Da wir uns gerade noch in der Haushaltsbefassung befunden haben: Kein anderes Land gibt so viel Geld für eine Imagekampagne aus wie Sachsen.
Allein das ist uns Grund genug, immer wieder darauf hinzuweisen, dass die Kosten dieser Kampagne in keiner Relation zum Nutzen stehen. Wir haben auch für diesen Doppelhaushalt wieder die Halbierung des Mittelansatzes beantragt. Das Ergebnis ist bekannt. Es werden weiterhin 8 Millionen Euro pro Jahr für "So geht Sächsisch" zur Verfügung stehen. Nur zum Vergleich: die Kampagne der Baden-Württemberger ("Wir können alles. Außer Hochdeutsch.") läuft seit 1999 und hatte in ihren haushalterisch besten Zeiten ein Budget von 3,2 Millionen Euro pro Jahr. 2011 wurde das Konzept angepasst, und seitdem stellt Stuttgart für die Imagepflege noch 400.000 Euro pro Jahr in den Haushalt ein.
Da stellt sich schon die Frage, was an Sachsens Standortkampagne so innovativ ist, wenn Jahr über Jahr dermaßen viel Geld zur Verfügung gestellt wird.
Aus der Haushaltsbefassung kann ich berichten, dass weder die Staatsregierung noch die Koalitionsfraktion gegenüber dem Parlament darlegen konnte, warum auch in diesem Jahr eine so teure Imagekampagne gerechtfertigt ist.
Im Koalitionsvertrag steht, dass "Die Standortkampagne ‚So geht sächsisch.‘ zur weiteren Erhöhung des Bekanntheitsgrades von Sachsen im In- und Ausland weiterentwickelt werden soll. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Einbeziehung und Stärkung aller Akteure und Partner von Wirtschaft, Tourismus, Kunst, Kultur und Sport, die sich unter der Dachmarke ‚So geht sächsisch.‘ wiederfinden."
Noch allgemeiner gehalten ist der Zweck der Standortkampagne im Koalitionsvertrag von 2009: "Um die Bekanntheit und Attraktivität des Freistaats Sachsen zu erhöhen, soll mit einer neuen Dachmarke eine breit angelegte Imagekampagne beginnen, die Wirtschaft, Wissenschaft, Tourismus, Kultur und Sport einschließt."
Da das bereits der zweite Doppelhaushalt ist, in dem diese Kampagne mit so einem Budget ausgestattet ist, möchte ich hier als Parlamentsmitglied auf unsere Kontrollfunktion gegenüber der Staatsregierung und ihrer Verwaltung hinweisen. Schließlich geht es hier um Steuergeld. Um diese Aufgabe erfüllen zu können, ist die Staatsregierung dem Landtag zu Rede und Antwort verpflichtet. Im Falle der Standortkampagne ist das die Staatskanzlei.
Wie die Große Anfrage der Linken zeigt, interessieren sich nicht nur die GRÜNEN für diese Kampagne.
Die Beantwortung der großen Anfrage durch die Staatsregierung hätte kaum oberflächlicher ausfallen können. Im Ergebnis ist zu sagen, die Antworten haben mehr Fragen aufgeworfen, als Transparenz ins Umsetzungsverfahren gebracht.
Daher haben wir auch noch mal nachfragen müssen und hoffen, dass die Antworten der Staatskanzlei diesmal informativer ausfallen.
Wir fragten daher nochmal nach:
Welche konkreten Projekte und Initiativen wurden im Rahmen der Standortkampagne bisher umgesetzt?
Welche vertraglichen Grundlagen gibt es mit ‚Sachsenmilch‘?
Welche sächsischen Unternehmen wurden in welchem Umfang im Rahmen der Standortkampagne beauftragt?
Wer sitzt im Fachbeirat der Standortkampagne?
Allgemeine Platzhalter, wie "Ziel der Kampagne ist es, den Bekanntheitsgrad von Sachsen im In- und im Ausland zu erhöhen" oder "Alle Entscheidungen werden in ganz enger Abstimmung mit der Staatskanzlei getroffen" sind weder informativ noch zeitgemäß.
Zu 1. muss man ganz klar sagen, der derzeitige Bekanntheitsgrad Sachsens ist vermutlich kaum noch zu übertreffen. Viel schlimmer hätte es ohne die Kampagne auch nicht werden können, aber es wären acht Millionen Euro pro Jahr gewesen. Mittel, die zum Beispiel für die auskömmliche Finanzierung der FÖJ-Stellen hätten eingesetzt werden können.
Und wenn von Seiten der Staatskanzlei mitgeteilt wird, man würde die aktuelle Lage in aller Ruhe analysieren, stellt sich gleich wieder die Frage, ob der Mittelansatz angebracht ist … Aber das hatten wir gerade.
Die Staatsregierung hat in der gesamten Laufzeit nicht überzeugend darstellen können, dass sie ein schlüssiges, in sich greifendes Konzept für den Freistaat Sachsen als Standort entwickelt und erprobt hat. Sie verweist immer wieder darauf, dass es sich bei "So geht sächsisch." um eine Dachmarke handelt. Wie sich aber die regionalen Tourismusverbände, die Wirtschaftsförderung, die Landkreise etc. da konzeptionell einfügen und andocken, wissen wir bis heute nicht.
Die Kampagne ist zu teuer und verfehlt, weil nach wie vor nicht einmal die Zielgruppen klar sind. Studierende gewinnt man durch Qualität, Fachkräfte durch ordentliche Löhne, Frauen durch bessere Karrierechancen und Touristen aus aller Welt vor allem durch Weltoffenheit und nicht allein durch ein reiches kulturelles Erbe.
Der Entschließungsantrag der Linken trifft bei uns auf Zustimmung, allerdings hätten wir weitere Zusätze, wie die Forderung nach einer Darstellung Sachsens auch als Lebensstandort, regelmäßige Werbewirkungsmessungen mit unaufgeforderter Bekanntgabe der Ergebnisse an die Mitglieder des Sächsischen Landtags und eine transparente Auftragsvergabe mit Stellungnahme durch die Staatskanzlei, wenn die Auftragssumme den Wert von 50.000 Euro überschreitet. Mit Blick auf einen Artikel in der heutigen Sächsischen Zeitung, wo im Rahmen der Standortkampagne eine Sonderbriefmarke vorgestellt wird, wo als neuster Clou ein "Meissen Couture Mops" zu sehen ist, kann ich nur mit Kopfschütteln fragen: So geht sächsisch? Ei verbibbsch.