Franziska Schubert: Ländlicher Raum ist Stiefkind im vorliegenden Haushaltsentwurf

Redebeitrag der Abgeordneten Franziska Schubert zur ersten Lesung: "Feststellung des Haushaltsplanes des Freistaates Sachsen für die Haushaltsjahre 2015/16)", 8. Sitzung des Sächsischen Landtages, 5. Februar 2015, TOP 1
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

Mit Überschriften wie „Sachsen ist unser Auftrag“ (Regierungserklärung) und „Sachsens Zukunft gestalten“ (KoalV) im Ohr habe ich mich hochmotiviert und akribisch vertieft in die Weiten des Haushaltsentwurfs. Gefunden habe ich vor allem die Themen, die nicht länger auszusitzen waren und auf die nun – mit oder ohne SPD – endlich reagiert werden musste. Das ist in diesem Doppelhaushalt nicht ganz so schwer (niedrige Zinsen und hohes Steueraufkommen). Nicht gefunden habe ich einen nachhaltigen Ansatz, ein Konzept wie die Staatsregierung über den Doppelhaushalt hinaus Sachsens Zukunft gestalten will. Ich habe den Eindruck, dass hier ein Übergangshaushalt, der Sicherheit suggerieren soll, vorgelegt wurde.

Dies ist mein erster Haushaltsentwurf in diesem Haus und irgendwie stellt sich bei mir nicht das Gefühl ein, dass es sich um ein transparentes, selbsterklärendes Zahlenwerk handelt.

Ich möchte auf zwei Schwerpunkte eingehen, zum einen auf strukturelle Auffälligkeit und zum anderen auf die Bedeutung des Entwurfs für den ländlichen Raum.

Sachsen ist nach wie vor in einem hohen Maß drittmittelabhängig. Ich glaube nicht, dass Sachsen die rückläufigen Transferleistungen von BUND und EU mittelfristig durch eigene Einnahmen kompensieren kann. Eine realistische Beurteilung, was das jetzt und zukünftig für Sachsen bedeutet, ist anhand dieses Entwurfs nicht möglich, da er einiges an Transparenz vermissen lässt.
Als junger, zukunftsbesorgte Mensch mache ich mir Gedanken, an welchen Stellschrauben noch gedreht werden kann und welche strukturellen Risiken weiterhin und über das Jahr 2016 hinaus von der Staatsregierung billigend in Kauf genommen  werden.

Zum Beispiel ist ein erheblicher Anteil der Haushaltsmittel in Nebenhaushalten und Sondervermögen gebunden. Ich weiß, dem  Sächsischen Rechnungshof ist es auch aufgefallen. Ganz kurz nur: In 2013 sind Zuschüsse und Zuführungen an Nebenhaushalte i.H.v. rd. 2,32 Mrd. € erfolgt. Das sind 14,1 % der Gesamtausgaben des Staatshaushaltes. Die Zuführung an die Nebenhaushalte erfolgt im Regelfall über zwei Titel. Bei einigen Nebenhaushalten reden wir da von dreistelligen Millionenbeträgen. Das ist nicht transparent.
In den vergangenen Jahren haben sich die Zuschüsse und Zuführungen an die Nebenhaushalte kontinuierlich erhöht – nämlich um gut 18 %. Da wir hier auch von Personalkosten reden – 28 %  aller beim Freistaat Beschäftigten sind in Nebenhaushalten tätig – ist davon auszugehen, dass der Finanzbedarf der Nebenhaushalte auch weiter in dieser Größenordnung ansteigen wird. Der Punkt ist: Die Nebenhaushalte entziehen sich zunehmend der Haushaltssteuerung durch das Parlament. Auch hier ist die dringende Bitte: Schaffen Sie mehr Transparenz. Gerade in Zeiten wie diesen müssen wir gemeinsam an ganzheitlichen Lösungen arbeiten und diese miteinander konstruktiv und offen diskutieren. Das wäre für alle ein Gewinn, auch für den Finanzminister, dem in Endlosschleife, zumindest nehme ich es so wahr, Tricksereien unterstellt werden.

Schauen wir zu den Sondervermögen. Es existiert wohl keine einheitliche Anlagestrategie für Sondervermögen im Freistaat Sachsen. Das mag aus der Unterschiedlichkeit der Fonds heraus resultieren. Aber dennoch wäre es für uns als GRÜNE und für alle Mitglieder des Parlaments interessant zu erfahren, wie mit diesen Millionenbeträgen, die in den Fonds gebunden sind, verfahren wird. Zum Beispiel ist bekannt, dass der Altlastenfonds Sachsen direkt nach seiner Gründung hätte langfristig angelegt  werden können– und nicht erst zwei Jahre später. Der daraus resultierende Zinsertragsverlust für das Sondervermögen soll mindestens 6,2 Mio. € betragen. Dafür hätte man zum Beispiel die Volkshochschulen mit Mitteln für politische Bildung im Bereich Weltoffenheit.
Ich finde das irgendwie schon komisch, dass einerseits der Kanon des an der Bankrottkante balancierenden Freistaates gesungen wird und andererseits auf Zinseinnahmen in Größenordnung verzichtet wird. Im Sächsischen Förderfondsgesetz sind einheitliche Anlagestrategien vorgesehen. Es wundert mich, warum das nicht umgesetzt ist, auch bei den Sondervermögen handelt es sich um einen Milliardenbetrag. (2,44 Mrd.)

Zum Zukunftssicherungsfonds auch noch eine Anmerkung: Es ist nicht erkennbar wie dieser verzinst wird. Aus Sicht der Staatsregierung, macht der Zukunftssicherungsfonds sicher Sinn: Man legt Geld hinein, lässt es vom Parlament absegnen, und schaut dann in 2017, für welchen der angegeben 7 Bereiche die Mittel dann tatsächlich benötigt werden. Uns GRÜNEN ist ein Förderschwerpunkt wie Innovative Projekte im Bereich gesellschaftlicher Wandel viel näher als z. B. der Straßenbau. Es hat einen Beigeschmack und den Charme von zweimal bezahlt, wenn diesem Doppelhaushalt Millionen entnommen werden, um sie als Investition in 2017/18 wieder einzubringen. Und irgendwie stellt der Landtag der Staatsregierung thematisch einen Blankoscheck aus. Es ist bedauerlich, dass die dort benannten Maßnahmen als echte Zukunftssicherung weder kreativ noch innovativ sind – aber das ist keine haushalterische sondern ein inhaltliche Debatte.

Damit komme ich zu meinem zweiten Schwerpunkt:
Das Stiefkind des Haushaltsentwurfes ist und bleibt der ländliche Raum. Im Großen und Ganzen sollte es doch darum gehen, die Attraktivität von Regionen wie der Oberlausitz, dem Erzgebirge oder Nordsachsen als Arbeits- und Lebensorte zu erhöhen. Dazu braucht es Rahmenbedingungen – und die sehe ich nur bedingt im Haushaltsentwurf verankert. Schlimmer noch, man gewinnt den Eindruck, dass sich eine finanzielle und konzeptverlorene Vernachlässigung manifestiert, die mit der Leuchtturmpolitik vor Jahren begann. Der ländliche Raum zahlt genauso Steuern und daher ist es eine legitime Forderung, auch eine Gleichbehandlung zu erfahren! Auch hierzu einige Beispiele:
Der Breitbandausbau ist seit EU und Bundesregierung das Thema aufs Tableau gehoben haben, auch ein Thema der Staatsregierung. Wir GRÜNE setzen uns seit Jahren dafür ein. Schnelles Internet ist auch für den Ländlichen Raum eine Chance, weil viele Branchen, z.B. im Bereich der Kultur- und Kreativwirtschaft, Finanz- und Wissensökonomie zu großen Teilen ortsunabhängig arbeiten können. Bisher ist jedoch nicht bekannt, wie das Ziel der Bundesregierung (50Mbit/ flächendeckend) in Sachsen technisch umgesetzt werden soll und was an Kosten tatsächlich auf Sachsen zukommt. D.h., es fehlt jegliche Berechnungsgrundlage der im Haushaltsentwurf eingestellten Summe.
Zweites Stichwort: Kulturraumförderung. Lebendige Kulturangebote zählen zu den weichen Standortfaktoren – qualifizierte Arbeitskräfte suchen vielfältige Lebenswelten und diese gilt es, zu erhalten. Für die im Doppelhaushalt 2015/16 vorgesehenen Kulturraummittel gab es bereits  deutliche Rückmeldungen. Die Erhöhung wird nicht mal ausreichen, um die Kostensteigerungen der letzten Jahre aufzufangen.
Drittes Stichwort: Demografie. Mit dem Landesprogramm Demografie hatten Sachsens ländliche Räume die Möglichkeit, Konzepte und Strategien zu erarbeiten und zu erproben, wie mit den demografischen Herausforderungen umgegangen werden kann. Im KoaV wurde die Aufstockung der Mittel und die Unterstützung von Projekten, auch in Form von Investitionen, zugesichert (S. 89, KoaV). Nach einem ersten Blick in den Haushaltsentwurf ist zu sagen, dass weder für Kommunen noch für Investitionen Mittel eingeplant sind. All das stützt meine These, von der zunehmende Vernachlässigung der ländlichen Räume.
Zusammengefasst ist zu sagen: der Haushaltsentwurf ist ein Übergangshaushalt und der ländliche Raum sein Stiefkind. Die strukturellen Haushaltsprobleme nehme ich ernst und bringe auch Verständnis auf für vorsorgende Sparbüchsen. Was mir nicht gefällt, ist die fehlende Offenheit, das fehlende Vertrauen in den parlamentarischen Diskurs, um die Herausforderung der Zukunft zu meistern und Sachsens Chancen wirklich zu nutzen.