Frauenförderungsbericht – Hammecke: Gleichstellungspolitik ist ein gesamtgesellschaftliches Anliegen

Redebeitrag der Abgeordneten Lucie Hammecke (BÜNDNISGRÜNE) zu Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verfassung und Recht, Demokratie, Europa und Gleichstellung zu „Sechster Frauenförderungsbericht des Freistaates Sachsen – Bericht zur Umsetzung des Sächsischen Frauenförderungsgesetzes (SächsFFG) sowie zur Situation von Frauen im öffentlichen Dienst im Freistaat Sachsen“ (Drs 7/6837)
34. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 21.07.2021, TOP 12

– Es gilt das gesprochene Wort

 

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Abgeordnete,

der Frauenförderungsbericht ist ein Instrument aus dem Frauenförderungsgesetz und soll Einblicke in die Situation von Frauen im öffentlichen Dienst geben. Dies tut auch der 6. Frauenförderungsbericht, der uns jetzt vorliegt und der einen Berichtszeitraum bis zum 30. Juni 2018 hat. Dort spielte Corona offensichtlich noch keine Rolle.

Zunächst zum Status quo: Mehr als die Hälfte aller Beschäftigten im Öffentlichen Dienst hier im Freistaat Sachsen sind Frauen. Von 210.000 Beschäftigten sind es 140.000 und damit rund 65 Prozent. Allerdings sind weitaus weniger Frauen verbeamtet, nämlich nur 43 Prozent.

Schauen wir auf die Führungsebene oder den Ausbildungsbereich schärft sich dieses Bild. Seit 2013 stagniert der Frauenanteil in Führungspositionen bei 46 Prozent. Der Frauenanteil bei Beamt*innen mit der höchsten Besoldungsgruppe liebt bei 39,2 Prozent und laut Bericht ist der Frauenanteil bei Beamtinnen in Ausbildung sogar leicht (um zwei Prozent) zurückgegangen.

In Gremien, wie etwa Aufsichtsräten, sind von 88 der vom Freistaat bestimmten Gremienmandaten nur 15 mit Frauen besetzt.

Wir sehen also: Die Gleichstellung von Frauen und Männern im öffentlichen Dienst, gerade in den Führungspositionen, stagniert bestenfalls. Und auch mit dem Nachwuchs wird es keine Veränderung geben. UND Sachsen liegt beim Frauenanteil bei den Beamt*innen sogar um 15 Prozent hinter anderen Bundesländern wie Brandenburg oder Thüringen.

Der Bericht macht deutlich: Es ist kein gezieltes Gegenlenken zu erkennen, um den Frauenanteil in Führungspositionen, in den höchsten Besoldungsgruppen oder in den Gremien künftig spürbar zu erhöhen.

Und das, meine Damen und Herren, liegt auch an einem in die Jahre gekommenen Frauenförderungsgesetz. Dieses hätte schon längst angepasst werden müssen und sollen. Das Frauenförderungsgesetz ist älter als ich es bin – viele Bundesländer haben seitdem modernere Gleichstellungsgesetze eingeführt oder eben ihre Gesetze modernisiert.

Dass das funktioniert, sieht man beispielsweise in Berlin. Dort wurde das Gleichstellungsgesetz seit 1991 regelmäßig geändert und angepasst. Der Frauenanteil der Beschäftigten liegt dort – wie in Sachsen – bei 60 Prozent. Allerdings findet sich dieser Durchschnitt in allen Laufbahnen bis zum höheren Dienst wieder.

Rheinland-Pfalz hat sein Gleichstellungsgesetz ebenso 2015 novelliert und beispielsweise weitergehende Regelungen zur Greminenbesetzung und zur Beteiligung von Gleichstellungsbeauftragten und deren Rechten durchgesetzt.

Für Sachsen gibt der Bericht unter anderem genau diese Handlungsempfehlungen, und das nicht zum ersten Mal. Alle diese Probleme existieren nicht seit gestern. All diese Handlungsempfehlungen gab es immer wieder in den vergangenen Frauenförderungsberichten. Einige Empfehlungen aus dem aktuellsten Frauenförderungsbericht:

Erstens, die Frauenförderplane müssen endlich konkretisiert werden. In Rheinland-Pfalz müssen in den Gleichstellungsplänen Zwischenziele festgelegt werden, wie hoch der Anteil von Frauen nach drei Jahren in den Bereichen sein soll, in denen Frauen unterrepräsentiert sind. Außerdem sieht Rheinland-Pfalz einen Sanktionsmechanismus  vor, wenn kein Gleichstellungsplan erstellt wird. Eine Einstellung ist dann nur mit Zustimmung der übergeordneten Dienststelle möglich.

Als weiteren wichtigen Punkt nennt der Bericht die Stärkung der Frauenbeauftragten. Ich kann mich an dieser Stelle dem Dank, wie er im Vorwort des Berichtes zum Ausdruck kommt, nur anschließen: Die Frauenbeauftragten sind eine essentielle Säule der Frauenförderung. Leider fühlen sich laut Bericht viel zu oft die Frauenbeauftragte in der Rolle als „Alleinkämpferin“ wieder und beklagen, dass die Gleichstellungsförderung immer noch als „Nischenthema“ betrachtet wird. Dabei ist es das genaue Gegenteil, ein absolutes Querschnittsthema, was eben nicht nur in das Gleichstellungsministerium gehört – sondern in alle Ressorts und in die Köpfe aller Führungspersonen.

Sachsen ist das einzige Bundesland, welches die Bestellung einer Frauenbeauftragten nur dann vorsieht, wenn eine Mindestanzahl von Frauen in den Dienststellen beschäftigt sind. Alle anderen Bundesländer orientieren sich an der Gesamtzahl der Beschäftigten. In Sachsen heißt es also salopp gesagt: Je weniger Frauen ich einstelle, umso eher brauche ich keine Frauenbeauftrage!

Das ergibt wenig Sinn. Wir müssen endlich weg kommen von dem Image der Gleichstellungspolitik als lästiges Anhängsel und hin zu der Erkenntnis, dass Gleichstellungspolitik ein gesamtgesellschaftliches Anliegen ist.

Denn unsere gesellschaftlichen Realitäten führen dazu, dass Frauen eben mehr Sorgearbeit übernehmen, eher in Teilzeit arbeiten, weniger in Führungsverantwortung sind und damit auch mit geringerem Einkommen rechnen müssen. Und das setzt sich fort auch im Alter. Altersarmut ist weiblich.

Gleichstellung ans zentrales Anliegen, als zentrale Aufgabe, auch im öffentlichen Dienst.

Um die Anliegen der Frauen auch angemessen vertreten zu können, braucht es zur Stärkung der Frauenbeauftragten Entlastungsregelungen in Form von Freistellungen. Die Tätigkeit ist nichts, was man zwischen Telefonat und nächster Besprechung erledigt. Es braucht regelmäßige Fortbildungsmöglichkeiten und ein Klagerecht. All dies ist beispielsweise bereits in den Gleichstellungsgesetzen von Rheinland-Pfalz oder Thüringen geregelt und wird vom vorliegenden Bericht auch bestätigt.

Weitere notwendige Änderungen sehe ich auch bei der paritätischen Besetzung von Gremien. Hier sind noch viel zu wenige Frauen vertreten, nur 15 der 88 Gremienmandate sind Frauen. Damit ist sogar der extrem männliche Sächsische Landtag weiblicher besetzt als die Gremienmandate. Dabei sind sowohl der Landtag als auch diese Gremien zentrale Organe, es geht hier um ganz konkrete Fragen der Verteilung in unserer Gesellschaft. Und die liegt noch immer vor allen bei den Männern in unserer Gesellschaft.

Der Bericht nennt als Grund für den Männerüberschuss die nicht rechtzeitige Nachfolgeplanung der Gremienbesetzung, die zeitliche oder räumliche Organisation oder fehlende frühzeitige Ansprache von Frauen. Die Frauenbeauftragten werden bisher bei der Gremienplanung auch nicht mit eingebunden. Anders in den anderen Bundesländern. Dort ist die Beteiligung ein Muss.

Auf Bundesebene wird für die paritätische Besetzung von Aufsichtsgremien festgelegt, dass mindestens 30 Prozent der Mitglieder weiblich beziehungsweise männlich sein müssen. In Rheinland Pfalz sind die Gremien zu gleichen Teilen zu besetzen. Sachsen ist wieder einmal Schlusslicht: Hier ist lediglich auf eine paritätische Besetzung „hinzuwirken“. Und wie man sieht ohne Erfolg.

Nicht zuletzt Corona hat uns gezeigt, wie schnell unsere Gesellschaft wieder zu alten Rollenverteilungen zurückkommt: die Frau, die die Kinderbetreuung übernimmt und auf Arbeit kürzer tritt. Deshalb müssen wir an dem Thema Vereinbarkeit Familie und Beruf dran bleiben. Wir müssen den Digitalisierungsschub aus der Corona-Pandemie nutzen. Gerade im Öffentlichen Dienst sind Telearbeit und Homeoffice selten erwünscht.

Wir brauchen flexible Arbeitszeiten, Telearbeit, gute Angebote zur Kinderbetreuung und Teilzeitmöglichkeiten – und zwar bis in die Führungsebene. Auch im öffentlichen Dienst müssen wir über neue Arbeitsmodelle nachdenken, um Familienfreundlichkeit von Führungspositionen zu etablieren, wie Job-Sharing-Modelle oder Teilzeitmodelle. Denn hier hat der öffentliche Dienst eine Vorbildfunktion für die konsequente Umsetzung von Chancengerechtigkeit von Frauen und Männern für die Wirtschaft und in der Gesellschaft.

Denn – und das wird im Bericht deutlich – auch 28 Jahre nach Verabschiedung der Sächsischen Verfassung und der dort in Artikel 8 festgeschriebenen Gleichstellung von Frauen und Männern haben wir diese noch nicht erreicht. Der Freistaat ist verpflichtet, die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu fördern und auf die Beseitigung bestehender Nachteile hinzuwirken, wie es auch in Artikel 3 des GG verankert ist.