Ganztagsangebote − Zais: Die schöne Prosa von CDU und SPD muss sich auch in der Finanzierung im Landeshaushalt niederschlagen
Rede der Abgeordneten Petra Zais zum Prioritätenantrag der Fraktionen CDU und SPD zum Thema:
‚Ganztagsangebote (GTA) qualitativ weiterentwickeln‘ (Drs 6/12061)
71. Sitzung des Sächsischen Landtags, Donnerstag, 26. April, TOP 3
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
der Antrag zur qualitativen Weiterentwicklung der Ganztagsangebote (GTA) in Sachsen enthält viele gute Gedanken und Anregungen. Alle wichtigen Schlüsselworte tauchen auf: von Reformpädagogik bis hin zu Bildungslandschaften. Um es vorweg zu nehmen: Wir GRÜNE stimmen dem Antrag zu, verbunden allerdings mit dem dringenden Hinweis, dass sich die schöne Prosa auch in entsprechenden Haushaltsbudgets zur Finanzierung niederschlagen muss. Denn ansonsten wird dieser Antrag keines der Probleme, mit denen alle GTA anbietenden Schulen in Sachsen konfrontiert sind, lösen.
Welches sind die Probleme – lassen sie mich drei nennen:
1. Probleme mit der Qualität der GTA
Im Jahr 2015 gab es drei höchst problematische Entscheidungen, die in Summe eine qualitative Weiterentwicklung der GTA erschweren:
Im Februar 2015 lief die Servicestelle Ganztagsangebote in Sachsen aus.
Im September 2015 wurde das Ende der externe Evaluation von Schulen eingeläutet.
Schließlich wurde zum Schuljahr 2015/16 das Förderverfahren für GTA auf eine pauschalierte Förderung umgestellt und, wie es im Antrag heißt, der „Prozess der Qualitätsüberprüfung und -sicherung vom Antragsverfahren gelöst“.
Das Ergebnis dieser Entscheidungen von 2015 lautet:
Die Schulen sind gezwungen, selbst ihre GTA zu entwickeln, geeignetes Personal dafür zu finden und eigenständig die Qualität der Angebote zu sichern. Jede Schule arbeitet alleine vor sich hin. Die viel zitierten Beratungs- und Unterstützungsleistungen reichen bei Weitem nicht mehr aus, um den Bedarf zu decken. Wer – frage ich – soll die Unterstützung leisten, wenn es, ausweislich der Stellungnahme der Staatsregierung, die Schulaufsicht NICHT leisten kann?
2. Probleme beim Personal für GTA
Seit Jahren sinkt der Anteil an Lehrkräften im GTA-Bereich. In der Stellungnahme zum Antrag heißt es: >>Lehrkräfte, die bisher im Rahmen von Ganztagsangeboten tätig waren, müssen prioritär zur Absicherung der Unterrichtsversorgung eingesetzt werden.<< Das leuchtet ein.
Es gibt aber ein weiteres Problem. Lehrerinnen und Lehrer sind schlicht nicht bereit, im GTA-Bereich zur günstigen Honorarkraft zu werden. In anderen Bundesländern werden für den GTA-Bereich Lehrerwochenstunden zugewiesen und entsprechend entlohnt. Nicht so in Sachsen!
Auch in der Stellungnahme zum Antrag räumt das Kultusministerin ein, dass es „zunehmend schwieriger [wird], geeignete Angebotsleiter zu finden. Gut qualifizierte Fachkräfte sind meist nicht (mehr) bereit, für ein Stundenhonorar zwischen 12 und 15 Euro qualitativ hochwertige Angebote zu unterbreiten.“ Wer könnte es den Lehrkräften und Angebotsleiterinnen und -leitern verdenken?
3. Probleme bei der Zusammenarbeit Grundschule und Hort
In der Onlinebefragung 2014 im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung der GTA fühlte sich fast die Hälfte der befragten Horte durch die GTA-Förderung und den Ausbau der Ganztagsangebote in den Grundschulen in ihrer Arbeit „an den Rand gedrängt“.
Die Mitarbeiterinnen kritisieren das „asymmetrische Kräfteverhältnis“, denn „gleichberechtigte Einflüsse auf die konzeptionelle Planung und Organisation der GTA [sind] eher selten“ – „Schule scheint diesbezüglich eindeutig diese Aspekte zu dominieren“. Die Zusammenarbeit ist vor allem dann erschwert, wenn GTA vor allem am Nachmittag stattfindet, also in der klassischen „Hortzeit“. Genau diese Organisationsform ist aber in Sachsen am häufigsten: der offene Ganztag, bei dem Angebote i.d.R. am Nachmittag stattfinden. GTA bleibt so oftmals das „Anhängsel“ des regulären Schulunterrichts!
Abschließend drei ergänzende Anmerkungen:
a) GTA sollte unterrichtsergänzende Angebote bereithalten, kann Unterricht aber nicht ersetzen. Ich sage das deutlich vor dem Hintergrund der Lehrplanüberarbeitung und mit Blick auf das Handlungsprogramm zur Lehrergewinnung. Dort heißt es: >>Um kurzfristig zusätzliche Angebote zu ermöglichen und langfristig Veränderungen der Stundentafel konzeptionell zu begleiten, werden die Mittel für Ganztagsangebote um 13,5 Mio. Euro pro Jahr beginnend ab 1. August 2019 erhöht<<.
Die zwischenzeitig geplanten Stundenkürzungen in den Fächern Kunst, Musik und Sport schweben nach wie vor wie ein Damoklesschwert über uns. Und ich sage deutlich: Wir werden es nicht zulassen, diese Fächer einfach in den GTA-Bereich auszugliedern!
b) Es wäre zu überlegen, GTA-Mittel nicht weiter mit der Gießkanne zu verteilen, sondern einen Sozialindex hinzuzuziehen. Hamburg macht es vor – und ist, wie der letzte IQB-Bildungstrend zeigt, damit durchaus erfolgreich. Schulen mit besonderen Problemlagen brauchen besondere Unterstützung – auch im Bereich GTA.
c) Zu den Mindeststandards für den Ganztag gehört per Definition die Bereitstellung eines Mittagessens. Dabei gibt es gute Gründe für die Annahme, dass die Übernahme der Personal- und Sachkosten, die mit der Ausgabe des Essens in der Schulküche in Verbindung stehen, eine Pflichtaufgabe des Schulträgers darstellen. Diese Sichtweise hat sich in Sachsen noch nicht durchgesetzt, da muss aus unserer Sicht etwas passieren.
Fazit:
Quantitativ gibt es bei GTA in Sachsen kaum Luft nach oben, qualitativ umso mehr. Nicht überall, wo GTA drauf steht, ist auch GTA drin. Die Staatsregierung hat das Beratungs- und Unterstützungssystem für Schulen soweit kaputt gespart, dass die Schulen zunehmend auf sich alleine gestellt sind.
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