GAP 2013: Ein „weiter so“ ist keine Option. Die bisherige Agrarpolitik ist gescheitert

Ein "weiter so" ist keine Option. Die bisherige Agrarpolitik ist gescheitert. Sie findet keine Lösungen für die anstehenden Probleme
Redebeitrag des Abgeordneten Michael Weichert zum Antrag der Fraktion GRÜNE "Gemeinsame Europäische Agrarpolitik (GAP) nach 2013 nachhaltig gestalten" (Drs. 5/7826) in der 48. Sitzung des Sächsischen Landtages, 25.01., TOP 10
Es gilt das gesprochene Wort!
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Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
"Steter Tropfen höhlt den Stein." Diese alte Weisheit begründet, warum wir heute noch einmal über die europäische Agrarpolitik sprechen werden, zumal die Regierungserklärung vom Dezember offenbart hat, dass es in Sachsen noch lange tropfen muss.
Für die Vorschläge der Kommission zur europäischen Agrarpolitik nach 2013 gilt ein Satz, den ich in der Regierungserklärung von Minister Kupfer gelesen habe:
«Die Kompassnadel zeigt meist in die richtige Richtung, obgleich wir noch an mehreren Punkten Nachbesserungsbedarf sehen!»
Der Satz passt so gut, dass ich ihn recycelt habe. Den Rest dieser Regierungserklärung kann man jedoch nicht recyceln – die gehört fachgerecht entsorgt, am besten in die Tiefen irgendeines Archivs. Selten wurden in einer Rede die Tatsachen derartig verdreht. Ein Beispiel:
Der Minister meint, die Direktzahlungen dienen der Aufrechterhaltung "sehr hoher rechtlicher Anforderungen" u.a. im Tierschutz. Das ist eine Frage der Perspektive. Diese hohen rechtlichen Anforderungen stehen im Tierschutzgesetz:
Paragraph § 5 erlaubt beispielsweise das Schwänze-Kupieren bei Ferkeln unter 4 Tage ohne Betäubung. Paragraph § 6 erlaubt das Kupieren des Schnabels bei Geflügel unter 10 Tagen.
Beides sind Maßnahmen die notwendig werden, wenn Tiere nicht artgerecht gehalten werden. "Qualzucht" ist der passende Ausdruck dafür – alles legal und auf der Grundlage der "hohen rechtlichen Anforderungen" unserer Gesetze.
Oder nehmen wir den Ökolandbau, den neuen Liebling des Ministers. Auf den ist er ganz besonders stolz. Was für ein Hohn vor dem Hintergrund der realen Politik dieser Staatsregierung. Laut Sächsischen Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft (SMUL) ist der Ökolandbau seit 1990 mit 51 Millionen Euro gefördert worden. Dass im gleichen Zeitraum rund 1,8 Milliarden Euro an sächsische Landwirtschaftsbetriebe insgesamt geflossen sind, wird verschwiegen. Drei Prozent davon gingen an den Ökolandbau. Das sind gerade einmal traurige 2,5 Millionen Euro pro Jahr bzw. nicht einmal drei Prozent! Herr Staatsminister, wir sind es nicht, die hier die Fakten verdrehen.
Belustigt hat mich Ihre Aussage, alle Betriebe – egal wie groß oder klein – seien Ihnen wichtig. Nach dem Motto «alle Betriebe sind gleich, aber manche sind gleicher als gleich» zielte Ihre Politik bisher auf die Wahrung der Interessen weniger Großbetriebe. Ihre Kritik an den Vorschlägen der Kommission ist ein beredetes Beispiel dafür, dass Sie nichts dazugelernt haben. Mit der Ablehnung von Kappungsgrenzen für Direktzahlungen will die Staatsregierung die ungerechte Fördermittelvergabe zementieren. Die degressive Vergabe von Direktzahlungen, verbunden mit einer Kappungsgrenze, stärkt die Position kleiner und mittelständiger Betriebe.
Es ist dem Steuerzahler nicht länger zuzumuten, dass er mit seinem Geld extensiv wirtschaftende Großbetriebe am Leben erhält, deren Betriebsergebnis negativ ist und die sich überwiegend mit europäischen Subventionen finanzieren! Die Kappung der Direktzahlungen bei 100.000 Euro pro Betrieb und die degressive Abnahme der Direktbeihilfen mit zunehmender Fläche eines Betriebes schafft für landwirtschaftliche Unternehmen Anreize, nach neuen Produktionswegen zu suchen und damit wirtschaftlicher und unabhängiger von Flächenbeihilfen zu werden.
Meine Damen und Herren, sieben Prozent der Acker- und Dauerkulturfläche eines Betriebes sollen künftig laut EU als ökologische Vorrangfläche ausgewiesen werden. Für Minister Kupfer kommt dies dem Untergang des Abendlandes gleich, drum schießt er mit Kanonen auf Spatzen. Gefährdet seien Welternährung, Nahrungsmittel- und Pachtpreise. So schürt man Ängste und und verschaukelt die Bevölkerung!
Bisher hat die EU-Agrarpolitik nicht viel zur Sicherung der Welternährung beigetragen. Ganz im Gegenteil: Mit unseren Steuern subventionierte Billig-Exporte zerstören die Lebensmittelmärkte in Entwicklungsstaaten. Und Ihre Sorge um die landwirtschaftliche Nutzfläche in Sachsen ist ebenso eine Farce! Wo waren die Mahner von CDU und Bauernverband, als es um den überdimensionierten und oft unsinnigen Neu- und Ausbau von Straßen oder um die Zersiedlung unserer Kommunen ging? Dadurch schwindet doch die Ackerfläche in Sachsen.
Wir wollen die Neuausrichtung der gemeinsamen Agrarpolitik konstruktiv begleiten. Zukünftige Herausforderungen, wie weltweites Bevölkerungswachstum, die zunehmende Konkurrenz von Nahrungsmittel- und Energiepflanzenproduktion, häufigere Witterungsextreme und eine Verknappung wichtiger Ressourcen wie saubere Luft, fossile Rohstoffe und Boden zwingen zum Umdenken. Ein "weiter so" ist keine Option. Die bisherige Agrarpolitik ist gescheitert. Sie findet keine Lösungen für die anstehenden Probleme.
Wir brauchen stattdessen eine sozial, ökologisch und wirtschaftlich nachhaltige Landwirtschaft mit regional angepassten Größenstrukturen und keine weitere Industrialisierung, Intensivierung und Preisdumping. Unter dem Leitsatz "Öffentliches Geld für öffentliche Leistungen" soll eine Landwirtschaft unterstützt werden, die sich dem Schutz der Umwelt sowie der Entwicklung des ländlichen Raumes verpflichtet fühlt. Ökologische, wirtschaftliche und soziale Nachhaltigkeit zeichnet sich beispielsweise durch Umweltschutz, Erhöhung der Biodiversität, Kohlenstoffbindung durch Humusmehrung im Boden, Produktion hochwertiger Lebensmittel, Bereitstellung von erneuerbaren Energien und die Schaffung von Arbeitsplätzen in ländlichen Regionen aus. Mit unserem Antrag fordern wir die Staatsregierung auf, sich im Bundesrat für diese Art Landwirtschaft einzusetzen und die alten Zöpfe endlich abzuschneiden.
Unsere Forderungen tragen zu einem deutlichen "Greening" der GAP nach 2013 bei und ermöglichen mehr Umweltschutz, Biodiversität und eine klimafreundlichere Landbewirtschaftung. Anhand einiger Beispiele will ich Ihnen verdeutlichen, wofür unsere Steuern sinnvoll angelegt wären:

  1. Eine möglichst weit gestellte Fruchtfolge ist für Pflanzengesundheit und Bodenfruchtbarkeit ausschlaggebend. Die Integration von Leguminosen (oder auch Hülsenfrüchler) in die Fruchtfolge trägt dazu bei, Luftstickstoff im Boden zu binden und diesen pflanzenverfügbar zu machen. Landwirtschaftliche Betriebe können somit auf einen beträchtlichen Teil der eingesetzten Pflanzenschutz- und Düngemittel verzichten.
  2. Körnerleguminosen wie Erbse, Ackerbohne und Lupine sind hochwertige Eiweißfuttermittel und verringern die Abhängigkeit von Sojaimporten, mit all den negativen Auswirkungen des exzessiven Sojaanbaus auf die Ökosysteme der Herkunftsländer. Am Beispiel des Leguminosenanbaus wird deutlich, was wir unter Nachhaltigkeit verstanden wissen wollen. Anstatt synthetischen Stickstoff zu düngen, der unter enormem Energieaufwand hergestellt und transportiert wird, kann durch Leguminosen eine ausreichende Stickstoff-versorgung angebauter Kulturpflanzen nahezu ohne klimarelevanten Energieaufwand gewährleistet und zusätzlich die Biodiversität erhöht werden.
  3. Biodiversität auf und im Boden, ist durch den Einsatz von Agro-Gentechnik gefährdet. Darum verbietet sich diese Technologie, deren weitgehend unerforschte Risiken in keinem Verhältnis zum Nutzen stehen. Gefördert werden muss stattdessen die gentechnikfreie Erzeugung von Nahrungs- und Futtermitteln. (Dass die grüne Gentechnik hier in Deutschland keinerlei Rückhalt in der Bevölkerung genießt, zeigt der Rückzug der Gentechnik-Sparte von BASF aus Deutschland.)

Meine Damen und Herren, alle weiteren Vorschläge können Sie in unserem Antrag nachlesen. Ich bitte Sie um Zustimmung, denn wir wollen mit ihm die Vorschläge der Kommission nicht verwässern, sondern verbessern. Vielen Dank!