Gedenktag 17. Juni – Maicher: Gesetzentwurf ist ein Beispiel für die Scheinpolitik der AfD; von Unterstützung der Gedenkstätten, Initiativen und Vereine hört man von Ihnen nichts

Rede der Abgeordneten Dr. Claudia Maicher zur zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktion AfD: "Gesetz zur Einführung des Gedenktages ‚Tag der Freiheit und Demokratie (17. Juni)‘ im Freistaat Sachsen" (Drs. 6/13080)
75. Sitzung des Sächsischen Landtags, 28. Juni, TOP 6
– Es gilt das gesprochene Wort – 

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen,
der 17. Juni ist der Gedenktag, an dem die Erinnerung an den Aufstand gegen das SED-Regime im Jahr 1953 wach gehalten werden soll. Darin besteht für uns GRÜNE kein Zweifel.
Wir dürfen die Menschen nicht vergessen, die für ihre Rechte gekämpft haben und dafür leiden mussten.
Diese Erinnerung wird weiterhin wichtig sein, um die deutsche Geschichte zu verstehen. Und sie ist wichtig um die Auseinandersetzung mit der Diktatur in der DDR zu einer Auseinandersetzung mit unserer Gegenwart, mit der Entwicklung von Demokratie und Freiheit zu nutzen.
Und an alle, die jetzt scheibchenweise Freiheit und unsere liberale Demokratie aufgeben wollen, sage ich: Denkt daran, wie brutal und schwer es ist, verlorengegangene Freiheit, staatlich eingeschränkte Freiheit als Bürgerinnen und Bürger wieder zurück zu erkämpfen.
Der 17. Juni ist bereits bundesweit ein offizieller Gedenktag. Dieser Status gibt dem Gedenken und der Aufklärung einen verbindlichen Rahmen.
Hieraus einen weiteren arbeitsfreien Tag zu machen, bringt nicht mehr Erinnerung.
Das Gedenken wird bereits auf vielfältige Weise lebendig gehalten, durch Gedenkstunden, Ausstellungen, Diskussionen, Zeitzeugenberichte, Kranzniederlegungen und Beflaggung öffentlicher Gebäude.
Ob das alles in der derzeitigen Form ausreicht oder wie das Erinnern weiterentwickelt werden kann, dafür bräuchte es eine breite Diskussion.
Darum kümmert sich die AfD-Fraktion aber herzlich wenig. Sie legt einen Gesetzentwurf vor, in dem die erinnerungspolitischen Hintergründe in keiner Weise mitgedacht werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich finde es auch nicht sinnvoll, wenn Politik allein solche Festlegungen trifft, ohne Wissenschaft, Zivilgesellschaft und erinnerungskulturelle Praxis einzubeziehen. Das gilt für die Gedenktage wie für die gesamte Erinnerungskultur in Sachsen, wir brauchen ein Gesamtkonzept, in deren Erarbeitung diejenigen eingebunden werden, die sich für die historisch-politische Bildung engagieren.
Bei dieser Initiative der AfD müssen wir fragen: Haben Sie mit den Akteuren eigentlich gesprochen?
Allem Anschein nach nicht. Deren Bedarf ist nämlich ganz anders gelagert. Aber von der besseren Unterstützung der Gedenkstätten, Initiativen und Vereine hört man von Ihnen überhaupt nichts.
Dieser Gesetzentwurf ist ein Beispiel für die symbolische Scheinpolitik der AfD, mit der sie die Bürgerinnen und Bürger verschaukelt.
Mit den tatsächlichen Herausforderungen der Erinnerungsarbeit, mit dem verantwortungsvollen Umgang mit Geschichte durch Gedenkstätten und Bildungsarbeit befassen sie sich nicht.
Warum auch, eine Stärkung dieser Arbeit würde Ihren Bestrebungen glatt zu wider laufen.
Aus den Reihen der AfD wird immer wieder gezeigt, wie sie mit Geschichte umgehen. Sie greifen Erinnerungsarbeit und Geschichtswissenschaft an und zwar gezielt, mit sauber kalkulierter Nazi-Rhetorik.
Da wird Geschichte massiv relativiert und umgedeutet.
Die DDR-Geschichte, auch den Aufstand 1953, versuchen sie sich gleichwohl zurechtzubiegen, wobei sie den Kern der Ereignisse, den Einsatz für Menschenwürde, Freiheit und Gerechtigkeit, ausblenden.
Sie versuchen, diejenigen zu vereinnahmen, die sich 89/90 gegen eine Diktatur gestellt und für Meinungsfreiheit und Demokratie gekämpft haben.
Sie klagen jeden Widerspruch gegen ihre Positionen als Zensur an und verleumden damit letztlich die Demokratie.
Eine Leitfigur ihrer Partei, ihr Björn Höcke, hat in einer Rede am 17. Juni 2016 gesagt: "Die AfD ist die Partei des 17. Juni." Ich sage Ihnen, die AfD instrumentalisiert das Gedenken an diesen Tag für ihre Beschwörung eines neuen Volksaufstands.
Das ist die Triebfeder für die Erinnerungspolitik auch der sächsischen AfD-Fraktion. Wir GRÜNE stellen uns ihr entschieden entgegen und lehnen den Gesetzentwurf ab.
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