Gerd Lippold: CETA-Vertragsentwurf sieht Absenkung von Verbraucherschutzstandards vor und schränkt kommunale Handlungsfähigkeit ein

Redebeitrag des Abgeordneten Gerd Lippold zum antrag der Fraktion DIE LINKE:
"CETA-Freihandelsabkommen ablehnen" (Drs 6/5061)
34. Sitzung des 6. Sächsischen Landtags, 26. Mai 2016, TOP 7

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
Zunächst meine Dank an die Linken für die heutige Debatte zum CETA-Abkommen.
Der EU-Handelsministerrat will bereits im Oktober dieses Jahres über das Abkommen beschließen. Das Abkommen liegt aber immer noch nicht in deutscher Sprache vor. Höchstwahrscheinlich wird es erst Ende Juni/Anfang Juli, also zu Beginn der parlamentarischen Sommerpause, vorliegen. Können Sie sich angesichts der Tatsache, dass es sich um 500-Seiten Vertragstext mit 1.500 Seiten Anhänge handelt, ein geordnetes parlamentarisches Beratungsverfahren im Deutschen Bundestag und eine Meinungsbildung in den Landtagen vorstellen?
Die Sache drängt. Wenn wir die Staatsregierung auffordern wollen, der Bundesregierung in Sachen CETA- Abkommen etwas mit auf den Weg nach Brüssel zu geben, so müssen wir das jetzt tun. Schon das Thema Schiedsgerichte ist wie beim TTIP-Abkommen zwischen der EU und den USA Grund genug, das Abkommen nochmal gründlich anzuschauen, bevor es zu spät ist. Im Unterschied zu TTIP liegt der komplette CETA-Vertragstext bereits seit Sommer 2014 vor, wenn auch auf Englisch.
Wenn wir von den Befürwortern hören, dass die Standards des Verbraucherschutzes durch diese Verträge nicht abgesenkt werden, dann hätten Sie hier nun die Chance, das am konkreten Text zu zeigen. Immer nur allgemein zu behaupten, es sei alles gut, ist nicht besonders überzeugend.
Gehen wir mal zum Thema Gentechnik. Bisher ist es so: Gegenüber genetisch veränderten Pflanzen, deren Risiko noch nicht überprüft worden ist, gilt in Europa die Null-Toleranz. Das heißt, Produkte mit gentechnisch veränderten Pflanzen dürfen in anderen Produkten nicht auftauchen. In diesem Vertrag steht jetzt aber, dass es das gemeinsame Ziel ist, diese Null-Toleranz-Regelung abzuschaffen. Das ist doch eine Absenkung des Verbraucherschutzniveaus, nicht mehr und nicht weniger. Deshalb kann das nicht drin bleiben, wenn das Verbraucherschutzniveau nicht abgesenkt werden soll.
Im Vorgriff auf den Vertrag haben sich Kanadas Sojahersteller bei der Europäischen Kommission beschwert, sie wollten endlich eine Zulassung für ihre gentechnisch veränderten Sojaprodukte haben; denn das sei ihnen in den Verhandlungen zu CETA zugesichert worden. Der Verbraucherschutz wird also schon im Voraus ausgehebelt. Das dürfen wir nicht zulassen.
Wenn CETA vorläufig in Kraft treten würde, dann hieße das auch, dass die Gentechnikunternehmen aus den USA freie Bahn hätten. Sie bräuchten TTIP nicht mehr. Eine Tochtergesellschaft in Kanada reicht und schon können die über das CETA-Abkommen all ihre Gentechnikprodukte nach Europa bringen. Und wer da heute bereit ist, dieses CETA-Abkommen durchzuwinken, kommt uns anschließend vielleicht mit dem Argument, man könne dann auch die Gegenwehr gegen TTIP einstellen, weil doch das Kind schon in den Brunnen gefallen sei und somit keine weitere Verschlechterung mehr drohe.
Die kommunale Daseinsvorsorge wird im Abkommen unzureichend geschützt. Die Perspektive nämlich, millionenschweren Entschädigungsklagen vor Schiedsgerichten ausgesetzt zu sein, würde die kommunale Handlungsfreiheit ganz erheblich lähmen.
Angesichts der breiten öffentlichen Debatte des TTIP-Prozesses und seiner überwiegenden Ablehnung ist es inakzeptabel, mit dem CETA-Abkommen als ‚blue print‘ und Vorreiter für TTIP nun im Hau-Ruck-Verfahren vollendete Tatsachen zu schaffen. Das würde Tür und Tor öffnen, um auch im TTIP-Prozess Handlungsalternativen zu verbauen.
Offensichtlich ist deshalb dringendes Handeln auf allen Entscheidungsebenen erforderlich: CETA darf weder vorläufig in Kraft gesetzt noch in der vorliegenden Form auf Bundesebene und in der EU endgültig akzeptiert werden.
Wir unterstützen deshalb den Antrag der Linken, die Staatsregierung dazu aufzufordern, sich gegen das vorläufige und endgültige Inkrafttreten des CETA-Freihandelsabkommen der EU mit Kanada einzusetzen.

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