Gerd Lippold: Der Erfolg bei schrittweiser Aufhebung von Sanktionsmaßnahmen wird nicht Ergebnis der AfD-Forderungen nach voraussetzungsloser Abschaffung sein
Redebeitrag des Abgeordneten Gerd Lippold zum Antrag der AfD-Fraktion:
"Ende der Embargo-Politik gegen Russland“
27. Sitzung des Sächsischen Landtags, 03. Februar 2014, TOP 11
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
das Thema Russlandsanktionen, das die AfD-Fraktion wieder einmal auf die Tagesordnung gebracht hat, ist ein durchaus komplexes Thema der internationalen Politik.
Nur bei Ihnen, meine Damen und Herren von der AfD, ist alles wieder ganz einfach. Denn hier wie anderswo halten Sie sich nicht lange mit Überlegungen zu Verhältnismäßigkeit und Abwägung auf.
Und so sehen Sie es offenbar als sauber abgewogen an, wenn auf der einen Seite die Grundprinzipien des Völkerrechts stehen, etwa die UN-Charta mit ihren gegenseitigen Verpflichtungen zu allgemeinem Gewaltverbot, zur Achtung der territorialen Integrität und Souveränität – und auf der anderen Seite die Milch- und Obstpreise.
Die Fähigkeit zur Abwägung ist Ihnen nicht nur in dieser Debatte verloren gegangen. Wie weit die erschreckende Verschiebung Ihres Koordinatensystems geht, wurde aus Ihren Reihen vor wenigen Tagen offenbart. Wenn Grundsätze wie das Verhältnismäßigkeitsprinzip und die Methode der Güterabwägung in Ihrem Weltbild auch nur irgendeine Bedeutung hätten, so wären Ihnen Ihre unerträglichen Schlussfolgerungen aus den Bestimmungen in den §§11-13 des Gesetzes über den unmittelbaren Zwang bei Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Bundes noch nicht einmal in den Kopf, geschweige denn über die Lippen gekommen.
Und ginge es Ihnen beim Thema Russlandsanktionen wirklich um die Auswirkungen auf die Wirtschaft, dann hätten Sie ja auch vor den Warnungen der Wirtschaft vor gravierenden Folgen von Grenzschließungen nicht die Ohren verschließen können.
Doch damit nicht genug. Auch Ihr Nationalismus steht in seltsamem Missverhältnis zu Ihrer unkritischen Haltung zu Putins imperialer Politik. Was wir da im Falle "Lisa" soeben erlebt haben, ist ein Kapitel aus dem Lehrbuch der politisch-ideologischen Diversion. Dass dabei ein zu dieser Zeit links verorteter Leipziger Stadtrat eine besondere Rolle spielte, macht die Sache nicht gerade besser.
Doch zurück zu den Sanktionen. Ja, Sanktionen sind ein außerordentliches Mittel. Sie sind die Ausnahme und dürfen nie zur Normalität in den internationalen Beziehungen werden – schon deshalb, weil sie dadurch als Präventionsinstrument wirkungslos werden würden. Deshalb muss selbstverständlich laufend geprüft werden, ob die Anwendung von Sanktionen noch gerechtfertigt ist.
Auch wir würden die Überwindung der bestehenden Sanktionen sowie der russischen Gegenembargomaßnahmen begrüßen. Jedoch nicht als voraussetzungslosen Schritt wie in Ihrem Antrag gefordert, sondern als sichtbaren Beleg endlich erreichter erheblicher Fortschritte bei der Kooperation zur Verbesserung der Lage in der Ukraine und bei der Umsetzung der Minsker Vereinbarung.
Es muss jetzt darum gehen, Voraussetzungen für die Aufhebung der EU-Sanktionen zu schaffen, meine Damen und Herren!
Es bestehen durchaus Aussichten auf Erfolg. Denn es hat sich gezeigt: wenn Russland bei der Bewältigung internationaler Krisen in die Pflicht genommen wird, dann können Schritt für Schritt die Grundlagen dafür geschaffen werden, dass die Zusammenarbeit wieder enger werden kann. So konnten die Sanktionen gegen den Iran auch deshalb aufgehoben werden, weil sich Russland konstruktiv an der Lösung des Konflikts um das iranische Nuklearprogramm beteiligt hat.
Ein Erfolg bei der schrittweisen gegenseitigen Aufhebung von Sanktionsmaßnahmen wird allerdings nicht Ergebnis Ihrer Forderungen nach voraussetzungsloser Abschaffung sein, meine Damen und Herren von der AfD.
Meine Damen und Herren, Russland befindet sich in einer krisenhaften Lage seiner Wirtschaft und seiner Finanzen. Es lässt sich nicht sauber voneinander trennen, was Effekte von Missmanagement, staatlichem Dirigismus, ungesunder Wirtschaftsstruktur und viel zu geringer Aufmerksamkeit für ein entwicklungsfähiges Segment kleiner und mittelständischer Unternehmen sind und wo Sanktionen über den Umweg der schwierigeren Geldbeschaffung im Bankenbereich wirklich wirksam gewesen sind. Der Rubel ist massiv abgestürzt. Der Verfall der Rohstoffpreise hat Russland – das nicht nur eine extrem hohe Abhängigkeit von der Rohstoffexportwirtschaft, sondern auch noch vergleichsweise hohe Ölförderkosten hat – eines erheblichen Teils seiner Staatseinnahmen beraubt.
Durch diese wirtschaftliche Entwicklung war der Außenhandel mit Russland bereits vor der Krim-Annektion und damit vor den Sanktionen deutlich rückläufig. Insofern würde eine Umsetzung Ihrer Forderung, die Sanktionen unverzüglich zu beenden, keinesfalls unmittelbar zu einer Handelsbelebung führen.
Ich bin überzeugt, dass wir in den nächsten Monaten Fortschritte bei der Schaffung der Voraussetzungen für die Aufhebung der Sanktionen sehen werden und folglich auch bei deren Aufhebung selbst. Auch Russland wird die Vorteile nutzen, sich als Bestandteil einer miteinander vernetzten Staatengemeinschaft zu verstehen, die sich an gemeinsam definierte Regeln hält.
Ihr Antrag ist dazu weder notwendig noch sinnvoll. Wir werden ihn ablehnen.
Vielen Dank!
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