Gerstenberg: Die derzeitigen Aufwendungen für die Hochschulen müssen stabilisiert und wo notwendig, die Ausgaben je Student erhöht werden

Redebeitrag des Abgeordneten Karl-Heinz Gerstenberg zur Antrag der Fraktion GRÜNE „Ausgaben für Bildung und Forschung dauerhaft steigern – Vorschläge der Staatsregierung zur Finanzierung des auf dem Bildungsgipfel vereinbarten 10-Prozent-Ziels rechtzeitig vorlegen“ in der 12. Sitzung des Sächsischen Landtages am 31. März 2010, TOP 9
Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

„Mehr junge Menschen sollen ein Studium aufnehmen“ – so lautet die auf dem ersten Bildungsgipfel vereinbarte Leitlinie der Qualifizierungsinitiative, welche für den Hochschulbereich zentral ist. Angesichts der geburtenschwachen Jahrgänge, die in den nächsten Jahren die Hochschulreife erlangen, ist das für Sachsen eine ganz besondere Herausforderung. Wir müssen die Quote derjenigen, die nach dem Abitur ein Studium aufnehmen, deutlich erhöhen und zugleich deutlich mehr auswärtige Studienanfänger anziehen. Vor allem aber muss der Freistaat die Weichen dafür stellen, dass ausreichend Lehrkapazitäten zur Verfügung stehen.
Hier liegt jedoch einiges im Argen.
Alle reden über den Ärztemangel, aber was macht die Staatsregierung? Sie zwingt die medizinischen Fakultäten zum Abbau von Kapazitäten. Statt über 300 Studienanfänger können jährlich nur noch 250 ein Medizinstudium in Leipzig beginnen – das ist ein eindeutiger Verstoß gegen den Hochschulpakt!
In keiner Sonntagsrede fehlt die Bedeutung frühkindlicher Bildung. Aber trotz starker Nachfrage gibt es keine Ausweitung der entsprechenden Studiengänge für Erzieherinnen und Erzieher.
Über die notwendigen Kapazitäten für das Lehramtsstudium will ich heute gar nicht erst sprechen, das Thema wird uns ohnehin noch beschäftigen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
die sächsischen Hochschulen haben das Zeug dazu, die Prognosen über den Rückgang der Studienanfängerzahlen zu widerlegen. Dazu brauchen sie aber auch die notwendigen Ressourcen. Im Zuge der laufenden Hochschulentwicklungsplanung haben Sie als Koalition die Chance, die Weichen richtig zu stellen. Ich will die Zahlen noch einmal in Erinnerung rufen: Laut Hochschulentwicklungsplanung liegen die Ausgaben des Freistaates je Student bei 6.676 Euro, im Bundesdurchschnitt betragen sie aber immerhin 7.272 Euro.
Herr Ministerpräsident und meine Damen und Herren von der Koalition, wenn sie das 10 Prozent-Ziel ernst nehmen, dann kommen sie gar nicht darum herum, unsere Forderungen zu erfüllen. Sie müssen die derzeitigen Aufwendungen für die Hochschulen zumindest stabilisieren und wo notwendig, die Ausgaben je Student erhöhen.
In Sachsen ist vieles möglich, aber Wunder dauern auch hier etwas länger
Ein weiterer Schwerpunkt bei der Erfüllung des 10 Prozent-Zieles liegt im Bereich der Forschung. Auch wenn Sachsen bei den öffentlichen Forschungsausgaben mit einem Anteil von 1,3  Prozent am Bruttoinlandsprodukt überdurchschnittlich gut abschneidet, so zeigt der Ein-Prozent-Anteil der privaten Forschungsinvestitionen am BIP, wie bitter nötig das ist. Deshalb müssen wir selbstverständlich alles unternehmen, um die private Forschung zu fördern. Wir schwer das jedoch ist, macht beispielsweise das aktuelle Beispiel der mit EU-Mitteln geförderten Industriepromotionen deutlich. Deren Stipendien müssen von Unternehmen zu 50 Prozent kofinanziert werden. Bisher sind von den geplanten 14 Millionen Euro gerade einmal 700.000 abgeflossen. Die vollständig vom Freistaat geförderten Landesinnovationspromotionen sind hingegen zweifach überzeichnet.
Machen wir uns also nichts vor: Wir werden aufgrund der vorhandenen Wirtschaftsstruktur auch bis 2020 nicht die privaten Forschungsinvestitionen verdreifachen können. Das aber wäre nötig, um zu Bayern oder Baden-Württemberg aufzuschließen. In Sachsen ist vieles möglich, aber Wunder dauern auch hier etwas länger. Umso wichtiger ist ein starker Anteil der öffentlichen Forschung, die intelligent mit den Unternehmen vernetzt ist und auswärtige Wissenschaftler anzieht.
Aber auch hier macht die Staatsregierung im Rahmen des laufenden Haushaltsvollzugs das Gegenteil dessen, was nötig wäre. Sie kürzt die Landesforschungsförderung um 2,5 Millionen Euro. Das mag gering klingen, hat jedoch bei den einzelnen Budgets Einschnitte um bis zu 10 Prozent zur Folge. Wenn in Folge dessen geplante Forschungsprojekte sich verzögern oder nicht durchgeführt werden können, dann drohen ganze Forschungsbereiche den Anschluss zu verlieren. Ein Rückstand, der vielfach nicht mehr aufzuholen wäre.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition!
Unser Antrag bietet ihnen eine gute Gelegenheit, jetzt mit der richtigen Prioritätensetzung anzufangen. Herr Ministerpräsident Tillich, hören Sie auf, mit dem Herumkürzen bei Bildung und Forschung! Nehmen Sie sich selbst ernst, lassen Sie wie in Leipzig verkündet „mehr Geld in diesen Bereich fließen und nicht weniger“! Setzen sie das 10 Prozent-Ziel ambitioniert um! Die sächsischen Studierenden und Wissenschaftler werden es Ihnen danken.