Gerstenberg: Graffiti-Debatte – CDU/FDP-Koalition verharrt in „Law and Order“-Rhetorik und hat keine eigenen Vorschläge
Redebeitrag des Abgeordneten Karl-Heinz Gerstenberg zum Antrag "Illegale Graffiti sind Straftaten – Bekämpfung verstärken – Eigentum respektieren"
95. Sitzung des Sächsischen Landtages, 10. April 2014, TOP 7
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
meine Damen und Herren,
Straftaten müssen von Strafverfolgungsbehörden ermittelt und verfolgt werden. Das ist gesetzliche Aufgabe von Staatsanwaltschaft und Polizei.
Illegale Graffiti sind Straftaten, wenn sie einen Straftatbestand erfüllen. Einer Sachbeschädigung macht sich strafbar, wer eine fremde Sache beschädigt oder zerstört. Die Strafverfolgungsbehörden werden auf Antrag oder von Amts wegen aktiv, wenn sie ein besonderes öffentliches Interesse bejahen. Wir kennen die mitunter schwierigen Abgrenzungen, wann tatbestandlich eine Straftat vorliegt.
Aber dafür braucht es keine politische Willensbildung hier im Sächsischen Landtag, dafür gibt es Staatsanwaltschaften und Gerichte.
Wozu also diese Debatte?
Offensichtlich geht es der Koalition aus CDU und FDP wieder einmal darum, sich als Garant für Law and Order zu präsentieren und da ist Ihnen der große Topf von "Graffiti-Schmierereien" gerade recht. Sie lassen Ihren Sorgen um sichere und saubere Städte freien Lauf – und im Zweifel müsse man eben über schärfere Gesetze nachdenken, so kann man es sinngemäß aus Ihrer Begründung herauslesen. Allein, Ihnen fehlt die Tatsachengrundlage, Ihnen fehlen Zahlen, Tatmotive und Tatmittel – die wollen Sie sich mit Ihrem Antrag erst schaffen. Sie geben vor, aufklären zu wollen, aber Sie haben Ihr Urteil schon getroffen: Sie fordern schon mal in der Überschrift die Bekämpfung zu verstärken, selbstverständlich nur von "illegalen Graffiti", auch wenn Ihnen – so zeigt die Debatte – generell "Schmierereien" von Übel sind. Sie bemühen die moralisierende Kategorie des "Respekts vor Eigentum".
Von wem meinen Sie eigentlich, den einfordern zu müssen? Auch von Graffiti-Künstlern und von denjenigen, die diese nicht von vornherein stigmatisieren, sondern legale Entfaltungsmöglichkeiten schaffen wollen? Von den Polizisten, die das öffentliche Interesse nicht bejahen können, weil sie bei immer ausgedünnteren Besetzungszahlen alle Hände voll zu tun haben, wenigstens Gefahren für Leib und Leben abzuwehren? Auch habe ich heute nichts davon gehört, dass sie sich an menschenverachtenden, diskriminierenden Botschaften stören, die Stadteile überziehen und Schwärzungen nach sich ziehen, weil Bürgerinnen und Bürger das so nicht vor ihrem Haus stehen lassen wollen.
Die GRÜNE-Stadtratsfraktion hat in Dresden einen Antrag eingebracht, der Graffiti als streetart ernst nimmt und auf einen Interessenausgleich abzielt. Wir wollen erreichen, dass sich die Stadt Gedanken macht, an welchen städtischen Objekten und Liegenschaften (z. B. Schulen, Kitas, Rathäuser, Ortsämter u. a.) geeignete Flächen vorhanden sind, die für Urban Art freigegeben werden können. Daraufhin soll eine Übersicht erarbeitet und veröffentlicht werden, in der die Nutzungsart und Dauer beschrieben wird, nämlich z.B. eine Gestaltung als Kunstprojekt, eine freie legale Nutzung (im Sinne einer Legal Plain), aber eben auch eine Gestaltung als Projekt der Graffitiprävention, die Tabus festlegt. Wir wollen, dass die Stadt mit Eigentümern (z. B. der Bahn, dem VVO, den Wohnungsgenossenschaften und privaten Eigentümern) Verhandlungen führt über geeignete Wände und Flächen, die für eine legale Nutzung durch Street Artists freigegeben werden können.
Wir werden Ihrem Antrag heute nicht zustimmen, nicht, weil wir Eigentum nicht respektieren würden, sondern weil wir nicht darauf setzen, mit Stimmungsmache für öffentliche Sicherheit zu sorgen.
Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, sind für uns nur glaubhaft in Ihrem Einsatz für die öffentliche Sicherheit, wenn Sie sich solchen Konzepten, wie wir GRÜNE sie für Dresden vorschlagen, nicht verschließen, wenn Sie die Polizeipräsenz nicht immer weiter zurückfahren und die Sicherheitslage in Großstädten umfassend betrachten. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass die Zahlen der Fahrraddiebstähle in Sachsen seit 2010 um bis zu 50 Prozent gestiegen sind. Das hat meine Kollegin Eva Jähnigen mit einer Kleinen Anfrage erfragt. Dass Diebstahl zu bestrafen ist, ist keine Frage; genau wie Sachbeschädigung durch Graffiti.
Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der regierungstragenden Fraktionen müssen sich für die ordentliche Ausstattung der sächsischen Polizei starkmachen und nicht hier im Plenum die rhetorische Law-und-Order-Keule schwingen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!