Geschlechtergerechte Sprache – Hammecke: Ein kleiner Schritt hin zu mehr Gerechtigkeit
Redebeitrag der Abgeordneten Lucie Hammecke (BÜNDNISGRÜNE) zum Antrag der Fraktion AfD: „Worten endlich Taten folgen lassen – CDU-Positionspapier zur sogenannten geschlechtergerechten Sprache in allen Ministerien umsetzen“ (Drs 7/9343)
50. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Donnerstag, 05.05.2022, TOP 6
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
sehr geehrte Abgeordnete,
waren Sie von der AfD einfach nur zu faul? Oder gehen Ihnen die Antragsideen aus? Geht es Ihnen mal wieder nur darum, andere vor sich herzutreiben und zu spalten?
Erst im Juli vergangenen Jahres mussten wir hier im Hohen Haus schon mal über einen Ihrer Anträge mit identischem Thema debattieren. Der Titel lautete „Anwendung der sogenannten geschlechtergerechten Sprache in der behördlichen und ministerialen Kommunikation unterbinden“.
Es langweilt.
Uns BÜNDNISGRÜNEN wird ja eigentlich immer vorgeworfen, Verbote für alles Mögliche auszusprechen oder mit missionarischem Eifer „Sternchen vor uns her zutragen“. Ich möchte hier nur mal festhalten, dass die AfD es immer wieder ist, die zum Thema geschlechtergerechter Sprache nicht schweigen, sondern Verbote will.
Herr Abgeordneter Gahler von der AfD antwortete in einer Schüler*innen-Gruppe, auf die Frage, was wir gerne kriminalisieren würden: Gendersprache. Konnte allerdings nicht antworten, wie er es gerne sanktionieren würde.
Und nun werden also schon Faltblätter oder Datenschutzinformationen von Ministerien nach Sternchen oder Unterstrichen gescannt oder sich damit gebrüstet, dass Formulierungen von der Homepage genommen werden. Ich frage mich, wer hier die Sprachpolizei ist. So ein bisschen Vielfalt scheint Ihnen ernsthaft weh zu tun.
Daher direkt Mythos Nummer 1 aufgedeckt: Es wären Feminist*innen, die über nichts anderes sprechen. Nein – es sind Rechte, die ihre Ablehnung zur geschlechtergerechten Sprache in nicht einmal einem Jahr gleich zweimal zum Thema hier im Landtag zu machen.
Ich glaube, es überrascht nicht, dass wir Ihren Antrag ablehnen werden und dass wir als BÜNDNISGRÜNE auch eine andere Auffassung haben, als die des Positionspapiers der CDU. Das ist auch in Ordnung.
Denn nicht die Positionspapiere einzelner Fraktionen sind Grundlage des Regierungshandelns – immerhin sind wir in dieser Koalition zu dritt.
Da ich weiterhin das Gefühl habe, dass es wichtig (und außerdem didaktisch wertvoll) ist: Hier noch einmal ein paar Fakten. Anscheinend haben beim letzten Mal nicht alle zugehört.
Geschlechtergerechte Sprache ist keine Erfindung von Feminist*innen des 21. Jahrhunderts. Der Anspruch, konkret benannt zu werden, ist tatsächlich mindestens 233 Jahre alt. Die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte, die am 26. August 1789 von der französischen Nationalversammlung verabschiedet wurde. Sie legte in 17 Artikeln die Menschen- und Bürgerrechte fest, die jedem Franzosen unveräußerlich als Mensch und als Bürger Frankreichs zuerkannt wurden.
Jedem Franzosen? Auch nicht Jedem im Frankreich lebendem? Nein. Jeder Französin? Keiner. Und schon damals fand sich Kritik daran in Form der Schrift von Olymp de Gouges: der „Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin“. Denn keineswegs waren mit dem generischen Maskulinum Männer und Frauen beide gemeint.
Und auch über das Wahlgesetz für den Reichstag des Norddeutschen Bundes habe ich im vergangenen Jahr bereits berichtet – in dem der Wähler definiert wurde und die Bedingungen, die er erfüllen musste, beispielsweise 25 Jahre alt sein, seinen Wohnsitz im Bundesstaat haben. Zum Geschlecht keine Aussage – und trotzdem(!) durften Frauen selbstverständlich nicht wählen.
Das macht auch nochmal eine Sache sehr deutlich: Die männliche Form stammt aus einer Zeit, in der man Frauen nicht ansprechen musste. Denn sie waren keine gleichberechtigten Bürgerinnen. Keine Politikerinnen. Keine Wählerinnen.
Heutzutage ist unsere Gesellschaft natürlich vielfältiger, nicht nur Männer sind präsent und gleichberechtigter Bestandteil unserer Gesellschaft. Aber Studien zeigen, dass es einen Unterschied macht, WIE wir sprechen. Das beste Beispiel sind Berufsbezeichnungen: Deshalb verstehen sie Sprache daher auch als Standortvorteil. Junge Mädchen können es sich viel eher vorstellen als Elektrikerin zu arbeiten – wenn man das genau so schreibt. Und können so viel besser ermutigt werden, später einmal in eher frauenuntypische Berufe zu gehen.
Damit kann geschlechtergerechte Sprache ein kleiner Schritt hin zu mehr Gerechtigkeit sein. Geschlechtergerechte Sprache ist ein Schritt, ein kleiner, aber wichtiger Schritt, hin zu einer inklusiveren, einer gerechteren Gesellschaft.
Und GENAU DESHALB dürfen wir nicht in den Debatten der vergangenen Jahrzehnte stecken bleiben. Trauen wir uns, Sprache weiterzuentwickeln und dem anzupassen, was wir in der Realität ganz praktisch haben!
Denn: Es gibt in unserer Gesellschaft nicht nur Männer und Frauen. Und das Ganze ist seit 2017 sogar höchstrichterlich bestätigt. Bekannt als Urteil zur dritten positiven Geschlechtsoption. Die Geschlechterbinarität, die existiert nicht – und es ist an uns, diese gesellschaftlichen Realitäten anzuerkennen.
Wie können wir Sprache nutzen, ohne zu diskriminieren? Wir sollten hier eine sachliche Debatte führen. Der Antrag tut dies ganz bestimmt nicht.
Trauen wir uns, Sprache weiterzuentwickeln. Sie müssen das ja nicht tun, die Herren der AfD. Verfassen Sie ihre Papiere doch, wie sie wollen. Auch geschlechtergerechte Sprache würde deren Inhalt nicht aufwerten.
Vielen Dank.