Geschlechtsspezifische Auswirkung durch Digitalisierung – Meier: Die Aufgaben liegen auf der Hand, doch die sächsische Staatsregierung hat keine Antworten
Rede der Abgeordneten Katja Meier zur Großen Anfrage der Fraktion DIE LINKE: "Geschlechtsspezifische Auswirkungen der Digitalisierung der Arbeitswelt", Drs 6/13483
91. Sitzung des 6. Sächsischen Landtags, Donnerstag, 11. April, TOP 9
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
die digitale Transformation aller Lebensbereiche schreitet voran. Sie wirkt sich bereits heute stark auf die ökonomischen, ökologischen, politischen, sozialen und kulturellen Rahmenbedingungen unserer Gesellschaft aus. In der Arbeitswelt bietet die Digitalisierung große Chancen und sie hat das Potenzial, die Arbeitsbedingungen positiv zu verändern. Genauso gilt aber, dass die Digitalisierung Risiken für die Erwerbstätigen birgt. Es kommt hier darauf an, die richtigen Rahmenbedingungen für gesunde digitale Arbeit zu schaffen. Leider hinkt aktuell die notwendige politische Mit- und Ausgestaltung dieser rasanten gesellschaftlichen Entwicklung hinterher. Das wurde in der Antwort auf die Große Anfrage der LINKEN einmal mehr deutlich. Vieles, was ich da las, klang eher nach pauschalen Lippenbekenntnissen als nach konkreten Ideen dafür, wie Frauen gleichberechtigt an der Digitalisierung der Arbeitswelt teilhaben können.
Dabei liegen doch die Aufgaben auf der Hand: Es muss gelingen, Frauen und Männer so zu qualifizieren, dass sie auch in der digitalen Arbeitswelt dauerhaft gute Chancen haben. Um Sicherheit auch jenseits der klassischen Erwerbsbiografie zu gewährleisten, müssen die sozialen Systeme fit für die neuen Herausforderungen gemacht werden. Damit die Chancen der digitalisierten Arbeitswelt allen zugutekommen, muss ein fairer Interessensausgleich zwischen Beschäftigten und Arbeitgebern sichergestellt werden. Auf all diese Herausforderungen hat die Sächsische Staatsregierung allerdings keine Antworten.
Im Zuge der Digitalisierung nimmt die Halbwertzeit von Wissen weiter ab, Arbeitsplätze und -inhalte verändern sich rasant. Regelmäßige Weiterbildungen werden zukünftig so wichtig wie die Erstausbildung sein, um sicherzustellen, dass alle Erwerbstätigen in die digitale Zukunft mitgenommen werden. Es fehlen jedoch die Strukturen und Angebote, um das Schlagwort vom lebenslangen Lernen mit Leben zu füllen. Ein Bildungsfreistellungsgesetz – wie es unsere Fraktion eingebracht hat – wäre hier eine Stellschraube. Aber dieses ist, wie so vieles andere, an der Halsstarrigkeit der CDU gescheitert.
Die berufsbegleitende Qualifizierung Erwerbstätiger muss aber zur zweiten zentralen Säule der Arbeitsmarktpolitik werden. Nur so wird Sachsen wettbewerbsfähig und der öffentliche Dienst attraktiv bleiben und wieder werden. Dazu gehört auch, dass die Arbeitszeitsouveränität erhöht wird, um Erwerbsarbeit und private Verpflichtungen und Bedürfnisse besser miteinander vereinbaren und partnerschaftlicher teilen zu können. Gerade deshalb bietet die Digitalisierung der Arbeitswelt eine besonders große Chance für Frauen. Denn sie kann helfen, dieses berechtigte Anliegen umzusetzen – und damit gleichzeitig zur Fachkräftesicherung beitragen.
Die Teilzeit, wie wir sie kennen, ist nicht mehr die Antwort auf die veränderten Lebensentwürfe der Menschen sein. Denn es zeigt sich: Zu viele Frauen sind nach der Geburt eines Kindes in der Teilzeitfalle hängen geblieben. Trotz Benachteiligungsverbot ist Teilzeit immer noch ein Karrierekiller und vor allem Frauensache. Männer entscheiden sich nur selten dafür, weil sie genau sehen, was aus ihren teilzeitbeschäftigten Kolleginnen alles NICHT wird. Doch innovative, auf die individuellen Lebenslagen der Beschäftigten angepasste Lösungen und Angebote suche ich in der Antwort der Staatsregierung vergebens. Das Engagement der einzelnen Ministerien beschränkt sich auf das gesetzliche Mindestmaß zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie und für die Gesundheit der Beschäftigten.
Aber es gibt doch einen größeren Gestaltungsspielraum für Arbeitsbedingungen, die der Lebenswirklichkeit von Frauen gerecht werden können. Dass da noch sehr viel Luft nach oben ist, wissen wir nicht zuletzt seit der Veröffentlichung des Frauenförderungsberichts. Es braucht neue und flexible Arbeitszeitarrangements für Beschäftigte.
Wahlarbeitszeiten und mehr Mitbestimmungsrechte über das Wann und Wo ihrer Arbeit schaffen neue Optionen und Freiheiten für Frauen und Männer.
Davon profitieren auch die sächsischen Unternehmen und nicht zuletzt der Öffentliche Dienst, der aktuell auf jede fähige Frau und jeden fähigen Mann angewiesen ist.
Die Beschäftigten in Sachsen müssen aber auch vor den Risiken der Digitalisierung der Arbeitswelt geschützt werden. Die Möglichkeit ständiger Erreichbarkeit ist sowohl für die Arbeitgeberseite als auch für die Beschäftigten verführerisch. Es ist aber jetzt schon erwiesen, dass dieser vermeintliche Vorteil der digitalisierten Arbeitswelt als Boomerang zurückkommt und negative gesundheitliche Auswirkungen bei den Beschäftigten mit sich bringt.
Das hat die Linksfraktion in ihrem Entschließungsantrag erkannt und fordert entsprechende Maßnahmen zur Prävention. Die Sächsische Staatsregierung, als Vorbild für andere Arbeitgeber in Sachsen, muss hier klar Position beziehen.
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