Giegengack: Wir müssen vom Denken zum Handeln kommen. Wir haben kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem
Redemanuskript der Abgeordneten Annekathrin Giegengack zum Antrag GRÜNE „Für eine bessere Personalaussattung und Fachberatung für Kindertagesstätten und -pflege…“ in der 10. Sitzung des Sächsischen Landtages am 11. März 2010, TOP 7
Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Der Landtag debattiert seit Jahren über eine Verbesserung der Personalsituation in unseren Kindertageseinrichtungen, insbesondere seit Inkrafttreten des Bildungsplanes 2006. Ich könnte jetzt ein Grundsatzreferat über die Bedeutung der frühkindlichen Bildung halten, immerhin bilde ich seit knapp zehn Jahren Erzieherinnen, Heilpädagogen und Sozialpädagogen aus. Doch ich glaube, dieses Referat ist gar nicht mehr nötig, denn spätestens seit Montag, wo bei der CDU-Denkfabrik über dieses Thema ebenfalls debattiert wurde, durfte auch dem letzten Kollegen der schwarzen Fraktion die Bedeutung der frühkindlichen Bildung bewusst sein.
Nun müssen wir vom Denken zum Handeln kommen, meine Damen und Herren. Wir haben kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem. Die zuständigen Fachleute haben das längst erkannt, allen voran der Landesjugendhilfeausschuss, der bereits im Juni 2009 Handlungsbedarf formuliert hat.
Erstens. Der Ausschuss hält eine schrittweise Aufstockung des Personalschlüssels und die Einführung einer kinderdienstfreien Zeit in den Kindertagesstätten für unerlässlich. Die Staatsregierung wird aufgefordert, dazu einen Stufenplan zu erstellen und mit den Kommunen abzustimmen.
Zweitens. Für die Kinderpflege bedarf es einer unterstützenden Netzwerksstruktur, die vor Ort in kommunaler Verantwortung und landesweit in Verantwortung des Freistaates etabliert werden muss. Die Staatsregierung wird aufgefordert, dazu mit den örtlichen Jugendhilfeträgern eine gemeinsame Umsetzungsstrategie zu entwickeln
Drittens. Für den weiteren Ausbau der Fachberatung der Kindertageseinrichtungen soll die Staatsregierung in Abstimmung mit den Kommunen und freien Trägern eine Organisations- und Finanzierungsstrategie entwickeln.
Wir wissen alle, dass die Staatsregierung bisher keiner der drei Forderungen nachgekommen ist. Aus diesem Grund haben wir die Forderungen dieses wichtigen Gremiums aufgenommen und bringen sie heute als eigenen Antrag im Landtag ein. Nur am Rande sei bemerkt, dass der Beschluss des Landesjugendhilfeausschusses damals einstimmig fiel. Das heißt, auch der sozialpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Herr Krauß, und der jetzige haushaltspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Herr Rohwer, haben damals ihre Hand gehoben. Im Juni 2009 war das Wort Finanzkrise durchaus kein Fremdwort mehr, im Gegenteil. Abgesehen von der allgemeinen Presseberichterstattung hat allein das Finanzministerium von Januar bis Juni 2009 fünf Pressemitteilungen abgesetzt, wo es um Steuerausfälle und Mehrausgaben für den Freistaat in den nächsten Jahren ging.
Wenn der jetzige haushaltspolitische Sprecher der CDU-Fraktion angesichts der Krise die Staatsregierung trotzdem auffordert, beim Personalschlüssel bei der Kindertagespflege und Fachberatung tätig zu werden, muss es ja gehen, denn die nehmen für diesen Posten ja nicht jeden, aber das nur am Rande.
Studie „Evaluation der Personalausstattung in Kindertageseinrichtungen“
Worum geht es konkret‘? Hintergrund für den Beschluss des Landesjugendhilfeausschusses im Juni 2009 war die vom Institut PädQUIS gGmbH erbrachte Studie „Evaluation der Personalausstattung in Kindertageseinrichtungen“. Die Verfasser der vom SMS in Auftrag gegebenen Studie sind in ihrem 180-seitigen Abschlussbericht zu folgendem Ergebnis gekommen:
Erstens: Die derzeit im Sächsischen Kita- Gesetz festgeschriebenen Personalschlüssel für Krippe, Kindergarten und Hort können in der Realität aus vielen Gründen nicht eingehalten werden. Von daher ist eine deutliche Verbesserung des Personalschlüssels entsprechend den europäischen Standards umzusetzen.
Zweitens: Die Qualitätssicherung in der Kindertagespflege ist durch die vielfach isolierte Arbeitssituation der Pflegepersonen sehr erschwert und bedarf deshalb einer unterstützenden Netzwerkstruktur.
Und Drittens: Die Qualität und Quantität der Fachberatung in den Kindertageseinrichtungen ist nicht überall in gleichem Maße abgesichert, weshalb auch dort ein Ausbau erfolgen sollte.
Als kleinen Exkurs in diesem Zusammenhang möchte ich auf die Antwort auf meine Kleine Anfrage zu diesem Thema hinweisen, die sehr anschaulich demonstriert, wie unterschiedlich der Stellenwert bei den Kreisen und kreisfreien Städten in Bezug auf Fortbildung und Fachberatung in den Kitas ist. So gibt zum Beispiel die Landeshauptstadt Dresden 160 Euro pro Erzieherin und Fortbildung aus, Leipzig 65 Euro und meine Heimatstadt Chemnitz fühlt sich dafür überhaupt nicht verantwortlich.
Doch, meine Damen und Herren, ganz so überraschend und neu waren die Ergebnisse dieser PädQUIS-Studie nicht. Bereits 2007 wurde in einem 60-seitigen Bericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes unmissverständlich festgestellt, dass ohne verbesserte Personalausstattung die Ziele und Intentionen des Bildungsplanes in der Praxis gar nicht erreicht werden können.
Wir haben, meine Damen und Herren – ich sagte es bereits – weniger ein Erkenntnis-, sondern vielmehr ein Umsetzungsproblem. Das haben wir auch bei den Haushaltsverhandlungen 2008 gesehen. Da gab es viele gute Absichtserklärungen, aber leider keine gemeinsame Strategie. Die Kommunen wurden nicht rechtzeitig mit einbezogen. Dieses Scheitern wollen wir mit unserem heutigen Antrag verhindern.