Gisela Kallenbach: Baukulturelle Erbe muss angemessenen Platz unter Prioritäten der neuen EU-Förderperiode ab 2014 finden
Redebeitrag der Abgeordneten Gisela Kallenbach zum Antrag der GRÜNEN-Fraktion "Leipzig Charta umsetzen und Baukulturelles Erbe als Förderschwerpunkt der EU-Förderperiode 2014-2020 aufnehmen" (Drs. 5/9267), 58. Sitzung des Sächsischen Landtages, 14. Juni 2012, TOP 6
– Es gilt das gesprochene Wort –
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Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
Europa ist heute wieder auf der Tagesordnung und das nicht erst im Nachtprogramm des Landtages. Beste Voraussetzungen für Ihre geschätzte Aufmerksamkeit zu unserem Antrag, der dazu auffordert, künftig den Denkmalschutz als eigenständigen Fördertatbestand in den Strukturfonds aufzunehmen.
Es geht um die Bewahrung des kulturellen Erbes in baulicher und stadträumlicher Hinsicht als immateriellem Wert sowie Erhalt, Sanierung und Wiederherstellung baukulturell wertvoller, oftmals denkmalgeschützter Bausubstanz als materiellem Wert.
Sollten die Herren Staatsminister zwischenzeitlich erfolgreich Lobbyarbeit für dieses Anliegen in Berlin und Brüssel betrieben haben, könnte sich die Diskussion schnell erübrigen. Allein: wir wissen es nicht. Ich kann daher nur gebetsmühlenartig wiederholen: Informieren Sie den Landtag über die Prioritäten der nächsten Förderperiode und ersparen Sie uns das weitere Hase- und Igel-Spiel.
Mit diesem Antrag wollen wir absichern, dass das baukulturelle Erbe einen angemessenen Platz unter den Prioritäten der neuen Förderperiode findet und unterstützen damit die Position engagierter Denkmalschützer.
Mit guter Brille findet man das Stichwort Kulturerbe im Entwurf der EU-Kommission zu dem Bestimmungen für den Europäischen Fonds für Regionalentwicklung vom 6.10.2011. Er "versteckt" sich in den Investitionsprioritäten des Artikel 5, unter Punkt (7) Umweltschutz und Förderung der nachhaltigen Nutzung der Ressourcen, im Absatz (c): "Schutz, Förderung und Entwicklung des Kulturerbes".
Das ist besorgten Denkmalschützern zu vage. Deshalb schlugen sie Alarm und wandten sich an den zuständigen EU-Kommissar. Dieser reagierte mit dem Verweis, dass man für Investitionen in den Denkmalschutz auch andere Begründungen finden könne, wie die Förderung der Energieeffizienz oder die Anpassung an den Klimawandel.
Aber auch das ist weder konkret noch verlässlich. Daher unser Appell an die Staatsregierung: setzen Sie sich über den Bundesrat dafür ein, dem Schutz und der Entwicklung des baukulturellen Erbes einen eigenen Artikel in den Zielsetzungen zu geben.
Sachsens hochwertiger Bestand an baulichen Kulturdenkmalen prägt zu einem erheblichen Teil das internationale Ansehen unseres Landes.
Um Missverständnissen vorzubeugen: Ich erkenne durchaus den wertvollen Beitrag, den der Erhalt kulturellen Erbes zu einem nachhaltigen Ressourcenschutz leistet und will das gern auch begründen, unser Antrag stellt diesen Kontext nicht in Frage. Wir sehen aber die Gefahr, dass das kulturelle Erbe bei untergeordnetem Stellenwert in den Verordnungstexten eine ebenso untergeordnete Förderung erfährt.
Erstens: Bauwerke zu erhalten ist per se ein Beitrag zum Ressourcenschutz.
Zweitens: Eigentümer und Handwerksbetriebe stehen bei deren energetischer Sanierung vor große Herausforderungen. Baustoffe und Technologien sind so anzupassen bzw. zu entwickeln, dass die Ästhetik einzelner Bauwerke oder ganzer Ensembles nicht zerstört und gleichzeitig der Energieverbrauch gesenkt wird.
Drittens: Neben Fragen der Ästhetik und energetischer Nachhaltigkeit geht es auch um die Wirkung der Baukultur auf die Siedlungs- und Verkehrsentwicklung. Mit lebendigen, attraktiven und kompakten Städten kann man den Druck auf die Siedlungsränder mindern, Verkehr und CO2-Emissionen einsparen.
Gerade für kleinere und mittlere Städte, in denen die Investoren nicht Schlange stehen, ist die Haltung zum Denkmalschutz eine zentrale Frage. Man kann mit der historischen Bausubstanz auch ein Identifikation stiftendes Stadtbild retten, dazu brauchen die Kommunen aber Kontinuität, Planungssicherheit und Rückhalt.
Aktuelles Beispiel: Zittau. Nachdem über viele Jahre der Verfall nur punktuell aufgehalten werden konnte, freut sich die Stadt über einen Investor, der in zentraler Lage eine ganze Straße überbauen und flächenhaft abreißen will. Zittau wird sich enorm verändern. Dazu hätte es nicht kommen müssen, wenn man mit den Mitteln des Denkmalschutzes stärker Impulse gegeben hätte.
Eine solche Chance ist gegeben mit dem gezielten Einsatz europäischer Fördermittel.
Ich zitiere einen letzten Satz aus der Leipzig Charta zur nachhaltigen europäischen Stadt:
"Die Baukultur ist eine Notwendigkeit für die Stadt als Ganzes und deren Umgebung…. Historische Gebäude, öffentliche Räume und deren städtische und architektonische Werte müssen erhalten bleiben. Dies ist eine Gemeinschaftsaufgabe der (…) Behörden, aber auch der Bürger und Unternehmen."
In diesem Sinne bitte ich Sie um Ihre Zustimmung zu unserem Antrag.