Gisela Kallenbach: Bedingungslose Schecks aus Brüssel wird es nie geben – Wesentlich wichtiger als Geld sind Inhalte

Rede der Abgeordneten Gisela Kallenbach, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag zum Antrag der CDU/FDP-Fraktion „Zukunft der Europäischen Förderpolitik – Sächsische Interessen wahren!“ DRS 5/9369, 62. Sitzung des Sächsischen Landtages, 26. September 2012, TOP 9

– Es gilt das gesprochene Wort –
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Herr Präsident!
Meine Damen und Herren Kollegen!

Es gibt nichts Schöneres als den Streit darüber, wer am besten die sächsischen Interessen vertritt. Die Antragsteller nehmen das für sich in Anspruch. Die Macht möge mit Ihnen sein!

Richtig ist, sich für eine adäquate Anschlussfinanzierung der Phasing-Out-Regionen einzusetzen. Aber: nicht nur für Leipzig, sondern für alle betroffenen Regionen. Alles andere ist purer Lokalpatriotismus.

Zudem rächt sich, dass  immer noch das BIP das einzige Kriterium ist, um den Entwicklungsstand einer Region zu messen- und das vor allem durch das Votum von Christdemokraten und Liberalen hier im Land oder im Bund oder der EU. Würden weitere belastbare Kriterien hinzugezogen, hätten wir das Dilemma nicht.

Wesentlich wichtiger als das liebe Geld sind aber die Inhalte – und da haben Sie ja eine lange Liste vorgelegt, wo Sie meinen, Einfluss nehmen zu wollen. Ich finde es gut und richtig, dass die Kommission Bedingungen für den Mitteleinsatz definiert. Gerade weil es in Europa sowohl im Klimaschutz, in der Forschung, bei der Ressourcenschonung als  auch in der Bildung erheblichen Handlungsbedarf gibt – um nur einige der Prioritäten zu nennen.

Das Ziel, bis zum Jahr 2020 zwanzig Prozent weniger CO2 im Vergleich zu 1990 zu emittieren, ist beschlossenes Ziel der europäischen Mitgliedsstaaten!

Sie aber wehren sich gegen eine Quote für den Klimaschutz. Ja, glauben Sie die CO2-Emissionen sinken von allein? 2011 war das Jahr des höchsten Ressourcenverbrauches. Das Eis an den Polkappen schmilzt schneller als befürchtet, Wissenschaftler bestätigen die pessimistischsten Prognosen. Die klimabedingten Wetterextreme nehmen zu. Ohne ein entschiedenes Umsteuern werden die Probleme vertagt und verschlimmert.

Ich bin sicher, unsere Enkel werden uns eines Tages fragen, warum wir mit den Millionen aus den EU-Strukturfonds immer neue Straßen gebaut haben, statt den Klimawandel zu bewältigen.

Sie plädieren für mehr eigenen Gestaltungsspielraum; im Klartext eine unkonditionierte Aufstockung des Landeshaushaltes. Ich hoffe, dass die EU-Institutionen dieses Spiel nicht mitmachen.

Unsicher bin ich, wie die Antragsteller  die Rolle der Wirtschaftslobbyisten ausfüllen. Sie befürchten, dass zu viel Geld im ESF „verplempert“ wird. Jedoch: In Bildung zu investieren, ist eine Investition in die Zukunft – in die Zukunft von Menschen wie auch von Unternehmen.
 Beiden gereicht es zum Vorteil,  wenn Lehrlinge nicht mit Bildungslücken, sondern leistungsfähig eine Lehre aufnehmen.

Im Kontrast zur üblichen Mittelstandsrhetorik scheint mir Ihre Forderung seltsam, nicht nur KMU, sondern auch europäische Großunternehmen sollten Zugang zu EFRE-Mittel bekommen. Hab ich da etwa eine Trendwende verpasst? Mein Eindruck war bisher, wir tun alles für die Stärkung der Klein- und Mittelständischen Unternehmen?
Ihr Traum ist: Brüssel möge dem Freistaat einen möglichst bedingungslosen Scheck überreichen.

Seltsam: Ausgerechnet jene Parteien, die sich als Sachwalter der Leistungsgesellschaft verstehen, haben für Leistungskriterien nichts übrig. Zielvorgaben sind des Teufels. Konditionen von Übel. Sanktionen  unakzeptabel. Leistungsreserven, nein danke. Die Einhaltung von Konditionen kann man von den Griechen erwarten, aber doch nicht von den stolzen, selbstbestimmten Sachsen!

Ihr Antrag ist nicht nur im Politikstil von gestern. Er hat sich auch historisch überholt. Die Phase der heißen Einflussnahme auf die Verordnungsentwürfe von der Länderebene über den Bundesrat ist vorbei. Daher vergebe ich das Prädikat, formal zu spät und zudem weder europa- noch enkeltauglich.

Im Namen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: wir lehnen diesen den Antrag ab.

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