Gisela Kallenbach: DDR-Geschichte prägt Biografien – Arbeit des Landesbeauftragten bleibt unverzichtbar

Rede der Landtagsabgeordneten Gisela Kallenbach zum 20. Tätigkeitsbericht des Sächsischen Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (Drs 5/12288)
82. Sitzung des Sächsischen Landtages, 18. September 2013, TOP 12
– Es gilt das gesprochene Wort –
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Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren,
ich möchte Herrn Rathenow und seinen Mitarbeitern im Namen meiner Fraktion für seine Arbeit und den ausführlichen Bericht danken, der leider nur die Arbeit bis Juni 2012 wiedergibt.
Ich möchte gerne einige Aspekte herausgreifen, die meines Erachtens die Bedeutung der Landesbehörde unterstreichen:
Zum einen die Tendenz, dass über 20 Jahre nach dem Ende der DDR die Aufarbeitung der jüngsten Geschichte wieder an Bedeutung gewinnt. Ein erklärbares Phänomen: Es braucht Zeit und Abstand, um die eigene Biografie als Teil der politischen Geschichte zu begreifen. Diese Aufarbeitung von „DDR-Geschichten“ ist eine neue Chance, die ergriffen werden muss (und die auch manchem in diesem Haus guttun würde).
Noch immer gibt es Opfer, denen bisher weder ausreichendes Gehör verschafft wurde noch haben sie eine wie auch immer geartete Wiedergutmachung (wenn das denn überhaupt möglich ist) erfahren.
Herr Rathenau hat angekündigt, im 21. Tätigkeitsbericht den Einzelschicksalen mehr Raum zu geben. Diese braucht es, um Vergangenheit anschaulich vermitteln zu können, natürlich unter Respekt der Persönlichkeitsrechte der Betroffenen.
Zum Zweiten begrüßen wir ausdrücklich die unterstützenden Aktivitäten zur Aufarbeitung der Geschichte der Heimerziehung in der DDR. Dieses Systemunrecht muss verstärkt zum Gegenstand öffentlicher Wahrnehmung werden. Die Betroffenen haben ein Recht darauf, mit der Anerkennung ihres Leids Genugtuung zu erfahren. Wenn diese auch spät kommt, so ist es doch nie zu spät.
Dafür hat die Behörde viel angestoßen; das ist ausdrücklich zu würdigen. Allerdings sollte das Thema – auch aufgrund der angespannten Personalsituation in der Landesbehörde – zukünftig in klarer Zuständigkeit der Stiftung Sächsischer Gedenkstätten sowie der Beratungsstelle im Sozialministerium liegen.
Schließlich: der Blick in die Zukunft! Die Vergangenheitsbewältigung bleibt vor allem eine Bildungsaufgabe. Wir begrüßen daher, dass die Landesbehörde kreative, emotional berührende Projekte in Schulen anbietet. Etwa die Theaterperformance, die im Berichtszeitraum 28 Mal aufgeführt wurde. Oder das Dokumentartheater „10 Aktenkilometer Dresden“ in Kooperation mit dem Staatsschauspiel Dresden. Vielen Dank auch an alle Beteiligten und Partner für diese Arbeit!
Schließlich geht die Behörde durchaus neue Wege, um den wachsenden Aufgaben besser gerecht werden zu können. Der Einsatz eines Jugendlichen im Freiwilligen Politischen Jahr schafft kostenneutral eine zusätzliche Ressource und bindet das politische Interesse der nachwachsenden Generation ein – das ist ausdrücklich zu begrüßen.
Trotz aller verdienten Würdigung bleiben die – aus unserer Sicht – bestehenden Konstruktionsfehler dieser Behörde ungelöst:
Es ist im Berichtszeitraum wieder nicht gelungen, die rechtlichen Grundlagen für die Arbeit des Landesbeauftragten zu verbessern, obwohl unsere Fraktion den Anstoß zu einer fraktionsübergreifenden Initiative bereits 2011 gegeben hat. Seither liegt das Thema unverständlicherweise auf Eis!
Gerade im Interesse der jungen Generation halten wir es für notwendig, die Arbeit der Behörde nicht auf das Ministerium für Staatssicherheit zu verengen, sondern die Aufarbeitung diktatorischer Herrschaftsformen im Gesamtsystem der sowjetischen Besatzungszone und der DDR einzubeziehen.
Wir müssen eine umfassende Aufarbeitung des Repressionsapparates erreichen. Das zeigt exemplarisch die Heimerziehung deutlich. Wenn man sich zu stark auf die Hauptverantwortlichen in MfS und SED konzentriert, geraten andere Institutionen aus dem Blick wie die Blockparteien, die NVA, die Kampfgruppen und die Massenorganisationen. Ziel muss es zudem sein, einen ausdrücklichen Bildungsauftrag zu verankern.
Schließlich wollen wir einen Beauftragten, der von parteipolitischen Interessen unabhängiger ist. Er sollte künftig von einer qualifizierten Mehrheit des Sächsischen Landtages gewählt und dem Geschäftsbereich des Landtages direkt zugeordnet werden. Die Unterstellung unter das Justizministerium ist dem Amt des Landesbeauftragten nicht angemessen.
Aber vielleicht können wir eine Antwort auf all diese Anregungen ja im 21. Bericht erwarten, der uns laut Ankündigung in Kürze vorgelegt werden soll.
Meine Fraktion wünscht allen Mitstreiterinnen und Mitstreitern der Behörde viel Erfolg bei ihrer Arbeit und dankt Ihnen für Ihr Engagement.
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