Gisela Kallenbach: Fluglärmschutz ernsthaft angehen – gesundheitliche Belange der Anwohner nicht länger wirtschaftlichen Interessen des Airports untergeordnen
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
der Traum vom Interkontinental-Flughafen ist zwar ausgeträumt – der von Deutschlands größtem Nachtflughafen auf Kosten des Nachtschlafes tausender Menschen aber nicht.
Ja, auch Grüne stimmen zu: Infrastruktur muss sein, nicht nur wegen der Arbeitsplätze oder Urlaubs- und Dienstreisen. Jeder Flughafenbetrieb ist nun aber zwangsläufig mit Lärmbelastungen verbunden.
Entscheidend ist allerdings, wie man mit diesen Belastungen umgeht, inwieweit man aktiven Lärmschutz betreibt und für besonders Betroffene einvernehmliche Lösungen anstrebt.
Besondere Lorbeeren hat sich der Freistaat als Hauptgesellschafter der Flughafen GmbH dabei bisher nicht verdient. Weder werden die zahlreichen Bürgerinitiativen wirklich ernst genommen, noch werden die Hauptverursacher von Lärm- und Luftschadstoffbelastung zum Handeln verpflichtet.
Bei unserer Staatsregierung ist es ganz offensichtlich noch nicht angekommen:
Die Zeit, in der Großprojekte intransparent und auf Kosten der benachbarten Wohnbevölkerung einfach durchgezogen werden, ist bestimmt auch in Sachsen endlich vorbei!
Der überwiegend mit Steuermitteln finanzierte, über 500 Millionen Euro teure Ausbau des Flughafens Leipzig/Halle, war mit dem Versprechen verbunden, dass die Flugrouten nicht über dicht besiedeltes Gebiet führen sollten.
Diese Zusage wurde bereits vor Inbetriebnahme wieder gebrochen.
Dreh- und Angelpunkt sind dabei die mit dem Frachtverkehr verbundenen häufigen Nachtflüge, bei denen teilweise extrem laute Maschinen genutzt werden. Das führt zu unzumutbaren gesundheitlichen Belastungen der Anwohner.
Das nehmen die betroffenen Menschen schon lange nicht mehr hin. Als Initiativen treten sie für ihr Recht auf Gesundheit und Unversehrtheit ein, klagen aber über den erheblichen Mangel an Kommunikation mit dem Flughafen und der Landesdirektion.
Bis zum heutigen Tage kann man im Umfeld des Flughafens den Eindruck gewinnen, dass in der Euphorie der DHL-Ansiedlung die gesundheitlichen Belange der Anrainer den wirtschaftlichen Interessen des Airports untergeordnet wurden.
Es ist daher höchste Zeit die Stellschrauben in Sachen Lärmschutz beim Flughafen Leipzig/ Halle nach zu justieren!
Was an anderen Flughäfen untersagt wurde, ist in Leipzig/Halle lärmender Alltag. Besonders stark Lärm verursachenden Flugzeugtypen werden immer noch nachts eingesetzt und verwehren den Anwohnern das Grundrecht auf Nachtschlaf.
Das müssen wir ändern und Sie, werte Kolleginnen und Kollegen, haben es sprichwörtlich in der Hand, indem Sie diese als Zustimmung zu unserem Antrag erheben.
Wir schlagen vor, die Flugzeugflotte, auf die in der Bonusliste des zuständigen Bundesministeriums enthaltene Flugzeugtypen umzustellen. Das wird die Lärmbelastung erheblich vermindern und ist auch längst übliche Praxis an anderen Flughäfen.
Eingangs sprach ich von fehlender Transparenz und Verlässlichkeit. Warum?
Der Planfeststellungsbeschluss, der bereits deutliche Akzente gegen Anwohnerverträglichkeit setzt, wird verschiedentlich nicht umgesetzt.
Ich nenne Ihnen gern ein gravierendes Beispiel:
Bei der Berechnung der Gesamtlärmprognose wurden durchschnittlich 36 Triebwerksprobeläufe pro Jahr zu Grunde gelegt. Diese sollen zudem in einer eigens dafür mit Steuergeldern errichtetet Halle erfolgen.
Nun, die Realität sieht anders aus: Einer Antwort von FDP-Wirtschaftsminister Sven Morlok auf eine meiner Kleinen Anfragen musste ich entnehmen: von 376 Triebwerksprobeläufen im Jahr 2010 haben nur 95 in der Halle, der Rest aber im Freien stattgefunden. 376 – das ist das Zehnfache im Vergleich zu den Annahmen im Planfeststellungsbeschluss.
Hier wird die Dienstaufsichtspflicht vernachlässigt. Die betroffenen Bürger werden massiv allein gelassen.
Um zwischen den von Fluglärm betroffenen Anwohnern der Region Leipzig/Halle/Schkeuditz und den handelnden Akteuren zu vermitteln, schlagen wir deshalb die Einsetzung eines Fluglärmschutz-Beauftragten sowie in Abstimmung mit der Landesregierung Sachsen-Anhalt ein überregionales Mediationsforum mit externer, professioneller und unparteiischer Moderation vor und fordern, dass die Zusammensetzung eines solchen überregionalen Meditationsforums ausgeglichen sein muss.
Sowohl die Etablierung eines Fluglärmbeauftragten wie auch eines Mediationsforums würde zu mehr Transparenz beitragen und den oftmals von der Staatsregierung in Sonntagsreden betonten Willen zur unmittelbaren Bürgerbeteiligung unterstreichen. Hier sehe ich diese Staatsregierung massiv in der Pflicht – das Heft des Handelns liegt bei Ihnen.
Der Fluglärmbeauftragte – auch hier können Sie gerne bei anderen Flughäfen abkupfern – muss im gesundheitlichen Interesse der betroffenen Anwohner auf Daten zurück greifen können, die von unabhängiger Seite erhoben werden. Daher empfiehlt sich eine mehrjährige Aerosol-Messung durch Wissenschaftler aus dem Leibniz-Institut für Troposphärenforschung. Das Institut hat gerade ein solches Projekt mit dem Sächsischen Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie in Leipzig gestartet, um die Auswirkungen der Umweltzone wissenschaftlich zu begleiten. Nichts läge näher als das Untersuchungsgebiet auszuweiten.
Das würde zu Transparenz und Glaubwürdigkeit führen und sogar die Flughafen GmbH von einer Fülle von Beschwerden befreien.
Bei gutem Willen sind allerdings auch andere Wege gangbar: Ein fairer Interessenausgleich wäre mit der Ausweitung des Übernahmegebietes der betroffenen Grundstücke auf die Gesamtfläche der Lärmschutzzone gegeben – ja, das kostet Geld – aber endlose Prozesse und gesundheitsschädigende Ereignisse kosten ebenso.
Lassen Sie mich abschließend noch ein paar Worte zur
Fluglärmkommission sagen:
Es fällt auf, dass diese, entgegen ihrer gesetzlichen Aufgabe, nach LuftVG Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit der Anwohner vorzuschlagen, derzeit vorrangig wirtschaftliche Interessen vertritt.
Die Kommission ist nicht paritätisch besetzt und das Stimmgewicht ungleich verteilt. Daher sind weitere Plätze in der Kommission durch die vom Fluglärm betroffenen Gemeinden bzw. durch die Bürgerinitiativen neu zu besetzen, so dass der nötige Interessensausgleich möglich wird. Nahezu unglaublich ist zudem, dass die Protokolle der Sitzungen der Fluglärmkommission nicht veröffentlicht werden.
Lässt das Vertrauen in deren Arbeit zu?! Die Antwort können Sie sich selbst geben!
Werte Kolleginnen und Kollegen, Möglichkeiten, Lärmschutz am Flughafen endlich aktiv voranzubringen, gibt es viele. Dazu müssten Sie aber aus Ihren ideologischen Schützengräben herauskommen.
Begreifen Sie endlich, dass Fluglärmgegner nicht zwangsläufig Flughafengegner sind und tun Sie aktiv etwas für den lange anstehenden Interessenausgleich. Die Chance dazu gibt Ihnen unser heutiger Antrag.