Gisela Kallenbach: Herausforderungen, die uns heute Umwelt- und Naturschutz stellt, sind nicht weniger dramatisch als in den Jahrzehnten zuvor
Redebeitrag der Abgeordneten Gisela Kallenbach zum " Umweltbericht 2012" (Drs 5/14352)
97. Sitzung des Sächsischen Landtages, 22. Mai 2014, TOP 11
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
wie erwartet, haben wir heute wieder viel Beweihräucherung vernommen über die Verbesserung der Umweltsituation seit 1990. Ja, es hat sich wahrnehmbar viel geändert, dennoch sind die Herausforderungen, denen wir uns heute im Umwelt- und Naturschutz zu stellen haben, nicht weniger dramatisch als in den Jahrzehnten zuvor. Ich bin überzeugt, dass die Komplexität der Entwicklungen die Grenzen unseres Ökosystems erreicht und teilweise überschreitet.
Das würde in der Schlussfolgerung bedeuten, dass Umweltschutz in Sachsen tatsächlich groß geschrieben werden müsste – leider ist das nur eine der beschönigenden Aussagen des zuständigen Ministers. Die Realität ist eine andere.
Doch der Reihe nach:
von einem Umweltbericht erwarte ich zunächst eine realistische Situationsbeschreibung. Und da gibt es durchaus bemerkenswerte Erkenntnisse; sei es bei den sehr ernsten Auswirkungen der Klimaveränderungen auf das Wetter mit direkten Folgen für die Landwirtschaft, den Wasserhaushalt, den Boden oder die Wald- und Forstwirtschaft bis hin zu den gesundheitlichen Beeinträchtigungen.
Wer nun aber folgerichtig erwarten würde, dass daraus eine ernst zu nehmende Strategie zur Minderung dieser Bedrohungen vorgelegt wird, schaut ins Leere.
Der Bericht fokussiert auf Anpassungsstrategien nach dem Motto: WIR können ja nichts tun, um z. B. das international vereinbarte 2-Grad-Ziel zu erreichen; obgleich im Bericht steht: "Es besteht wissenschaftlicher Konsens, dass eine globale Erwärmung über 2 Grad Celsius für die Menschheit die Gefahr unbeherrschbarer und unkalkulierbarer Risiken birgt."
Insofern halte ich es für unverantwortlich, lakonisch festzustellen, dass sich in Sachsen der Energiemix seit 2007 nicht nennenswert geändert hat; dass der Einsatz von Braunkohle im Berichtszeitraum um ca. fünf Prozent zugenommen hat (was im Übrigen zur Erhöhung des Stromexportes um 22,6 Prozent führte) – wohl wissend um die flächenhafte Zerstörung von Natur- und Kulturlandschaft, in Kenntnis der Emissionen klimaschädlicher Gase und der unermesslichen Folgekosten. Ich erinnere dazu nur an die Verockerung oder den Sulfateintrag.
Hier hilft keine Anpassungsstrategie, sondern striktes vorausschauende Umsteuern.
Dieses sucht man nicht nur vergebens, sondern das konkrete Handeln konterkariert die eingangs lobend erwähnten Erkenntnisse.
Sie, Herr Staatsminister Kupfer, haben als angeblicher Umweltschützer der Verwässerung der Sächsischen Klimaziele sowie der Reduktion der Anteile für Erneuerbare Energien zugestimmt. Das ist Handeln wider besseren Wissens und ist von Nachhaltigkeit so weit entfernt wie Dynamo Dresden von der Champions League.
Unsere Kritik in Bezug auf den seit Jahren fast gleichbleibend zu hohem Flächenverbrauch und die Bodenneuversiegelung mit den Auswirkungen auf Hochwasserschutz, Biodiversität oder das Mikroklima haben wir bei anderen Gelegenheiten vielfältig vorgetragen. Ganze neun Halbzeilen mit dem Verweis auf den Landesentwicklungsbericht aus dem Jahr 2010 widmet der Bericht diesem Thema.
Fazit: auch vier Jahre später kein Umdenken.
Das trifft in gleicher Weise auf den guten bzw. nicht guten ökologischen Zustand unserer Gewässer zu, die Luftreinheit oder das fortschreitende Artensterben. Die Biodiversitätsstrategie bleibt umsonst beschriebenes Papier, wenn ein landesweiter Biotopverbund bis heute nicht existiert; das nötige Geld auch nicht im Haushalt eingestellt ist.
Ich habe den Eindruck, dass die Bewahrung unserer Lebensgrundlagen von CDU und FDP als Investitionshemmnis einiger nicht auf der Höhe der Zeit lebender "Fröscheversteher" belächelt wird.
Dem Ernst der Lage, wie auch im Umweltbericht beschrieben, wird Ihr Handeln in keiner Weise gerecht.