Gisela Kallenbach zur Fachregierungserklärung „Agrarpolitik zwischen Brüssel und Sachsen – Weiterentwicklung nach 2013“

Radikaler Umbau der Agrarförderung – jetzt
Redebeitrag der Abgeordneten Gisela Kallenbach "Agrarpolitik zwischen Brüssel und Sachsen – Weiterentwicklung nach 2013" in der 46. Sitzung des Sächsischen Landtages, 14.12., TOP 1
Es gilt das gesprochene Wort!
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Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
Viel ist schon gesagt worden, viel mehr aber wurde verschwiegen. Eine Fachregierungserklärung zwei Tage vor der Beschlussfassung im Bundesrat… nun ja, d.h. doch, dass einmal wieder mehr das Parlament lediglich oder großmütig darüber informiert wird, was das Kabinett oder die Fachminister in den Ausschüssen beschlossen haben. Eine wirkliche Mitbestimmung der Parlamentarier bei der fachlichen Ausrichtung ist es keinesfalls und das halte ich schlichtweg für äußerst bedenklich (und ich wundere mich schon sehr, dass diese Negierung des Parlamentes hier nicht Hauptgegenstand der Diskussion ist.). Inhalt und Ziel des Vertrages von Lissabon werden in Sachsen schlichtweg ignoriert, die Subsidiaritätsvereinbarung ist leere Worthülse.
Vergessen wir nicht: Die Entscheidungen, die wir heute für Sachsen wohl per Akklamation bestätigen sollen, haben Auswirkungen bis ins Jahr 2020- da regieren Sie, die das heute festlegen, garantiert nicht mehr!
Es wäre jetzt die Zeit gewesen, dem Ruf von 30 führenden europäischen  Agrarökonomen  zu folgen, die bereits vor einem Jahr eine radikale Reform der europäischen Agrarpolitik gefordert haben. Sich dem anzuschließen wäre tatsächlich innovativ gewesen.
Ja, wir brauchen den Systembruch hin zu einer klima- und umweltgerechten Landwirtschaft.
Und das geht nur, wenn man die Direktzahlungen schrittweise streicht. Die bisherigen Maßnahmen der Cross Compliance haben sich doch als zahnlose Tiger erwiesen, wer kontrolliert denn die Umsetzung, z.B. in Sachsen, Herr Kupfer?
Glauben Sie wirklich daran, dass die Direktzahlungen, von denen 80 % an 20 % der landwirtschaftlichen Betriebe gehen, ausreichend konditioniert sind, um die Auswirkungen – insbesondere durch agrarindustrielle Produktionsweisen auf Umwelt und Natur, auf Klima und Gesundheit auch nur in etwa zu kompensieren? Ökologische Vorrangflächen – wie von der Kommission vorgeschlagen- könnten in der Tat einen Beitrag zur Reduzierung der gesellschaftlichen Kosten bewirken. Diese 7% als Gefahr für die Welternährung herauf zu beschwören, halte ich schon für absurd.
Es ist doch schon lange kein Geheimnis mehr, dass unsere billigen, weil auch durch Betriebsprämien subventionierten Exporte den Markt in den Entwicklungsländern – dort wo Hunger herrscht-! zerstören. 40% der gesamten deutschen Schweinefleischproduktion werden exportiert und der Anteil daran soll in Sachsen durch Ihre Politik, Herr Kupfer erhöht werden!
Die weltweite Lebensmittelversorgung ist am ehesten zu sichern, indem man fairen Handel treibt, Exportsubventionen streicht und die Produktivität in den Entwicklungsländern erhöht.
Es hilft auch nicht, sich für die Ökologie in der sächsischen Landwirtschaft zu loben; auch da ist  interessant, was Sie verschweigen:
Sie loben das pfluglose Bestellen der Ackerflächen zur Verminderung von Erosion, verschweigen aber, dass dabei Totalherbizide eingesetzt werden und das auch noch mit jährlich 3,6 Millionen € bezuschusst wird. Sie nehmen hin, dass dadurch bereits 40 % der Ackerwildkräuter ausgestorben sind und 54 % gefährdet sind.
Sie loben das Sächsische Programm für die 2.Säule, in die ja nur ein Bruchteil der Gesamtförderung geht. Verdient haben Sie das Lob bezüglich der vorgesehenen Vereinfachung des Verwaltungsverfahrens – endlich wenden Sie EU-Recht 1:1 an und streichen sächsische Sonderregelungen. Aber inwieweit tragen die Mittel zur wirklichen Entwicklung des Ländlichen Raumes bei? Dazu gebe ich Ihnen gerne ein Beispiel aus Ihrer eigenen Wahlkreisregion Ostelbien: 60% von 30 Projekten flossen in den Straßenbau; man kann also den Raum schneller in alle Richtungen verlassen. Ich höre Sie schon.. die Entscheidung fällt vor Ort, richtig, aber als Umweltminister kann man auch Vorgaben machen, wenn man die Entwicklung beeinflussen will.
Diese geben Sie auch heute nicht und nutzen die bequemere Variante: Festhalten an Althergebrachtem und entscheiden ohne die Stimme des Parlamentes zu hören. Wir hätten erwartet, dass Sachsen sich gezielt für die Ökologisierung der Landwirtschaft  und die Förderung bäuerlicher Strukturen einsetzt und der Politik der Industrialisierung der Landwirtschaft eine klare Absage erteilt. Dass dem nicht so ist, verwundert wiederum doch nicht.