Härtefallfonds – Schubert: Wir haben hier die Chance, etwas wiedergutzumachen und etwas Vertrauen zurückzugewinnen
Redebeitrag der Abgeordneten Franziska Schubert (BÜNDNISGRÜNE) zum Antrag der Fraktion DIE LINKE: „Härtefallfonds des Bundes für Ostrentner*innen unverzüglich beitreten: Mindestbeitrag zur Abmilderung des Rentenunrechts-Ost leisten!“ (Drs 7/12798)
68. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Donnerstag, 16.03.2023, TOP 7
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
wir sehen, dass gefühlte und tatsächliche Ungerechtigkeiten relevant dafür sind, wie stark Vertrauen in Demokratie und Politik ist. Die Debatte über den vom Bund eingerichteten DDR-Renten-Härtefallfonds führt gerade klar vor Augen, dass es dabei um mehr als nur um Rentengerechtigkeit geht.
Ostdeutsche Rentenbeziehende lebten 2021 mit durchschnittlich 200 Euro weniger Rente pro Monat als westdeutsche Rentnerinnen und Rentner. 2021 waren in Westdeutschland 16,3 Prozent, in Ostdeutschland 17,9 Prozent von Armut bedroht. Gleichzeitig darf nicht unerwähnt bleiben, dass ostdeutsche Rentnerinnen und Rentner kaum zusätzliche Einkünfte aus privaten oder betrieblichen Renten oder Einnahmen aus Mieten und Pachten haben. Dass diese Ungerechtigkeiten stark gefühlt werden und das seit vielen Jahren, macht etwas mit Menschen und mit ihrem Vertrauen in Politik. Das muss uns bewusst sein, wenn wir politische Entscheidungen treffen. Wenn wir die Chance haben und etwas, was in unserer Macht steht, tun können, um Wiedergutmachung zu leisten und Vertrauen zurückzugewinnen, dann sollten wir das tun. Und darum positionieren wir uns da auch sehr klar: für die betroffenen Menschen wollen wir das.
Am aktuellen Thema der Beteiligung des Freistaats Sachsen am DDR-Härtefallfonds Renten zeigt sich, dass wir als Land etwas tun können – wir haben hier die Chance, etwas wiedergutzumachen und etwas Vertrauen zurückzugewinnen. Während wir inzwischen dank des Engagements vieler bei der Angleichung der Renten zwischen Ost und West weitergekommen sind, ist die Thematik der DDR-Zusatz- und Sonderrenten von einzelnen Berufsgruppen ungelöst. Dies betrifft insbesondere Krankenschwestern, freischaffende bildende Künstlerinnen und Künstler, Balletttänzerinnen und -tänzer sowie in der DDR geschiedene Frauen. Denn die nach der Wiedervereinigung übergeleitete gesetzliche Rentenversicherung auf die neuen Bundesländer sowie die einheitliche Überführung von Ansprüchen und Anwartschaften aus den Zusatz- und Sonderversorgungssystemen der ehemaligen DDR in das gesamtdeutsche Rentenrecht ließen einige Tatbestände unberücksichtigt, da diese mit dem lohn- und beitragsbezogenen System des SGB VI unvereinbar waren. Die zahlenmäßig höchste Gruppierung der geschiedenen Frauen wird auf ca. 300.000 Personen geschätzt, von denen circa ein Drittel noch am Leben sind.
Die Begünstigten des Härtefallfonds erhalten auf Antrag und nach Bedürftigkeit pauschale Einmalzahlungen in Höhe von mindestens 2.500 Euro. Dieser Betrag erhöht sich auf 5.000 Euro, sofern sich das jeweilige Bundesland an dem Fonds beteiligt. Bis zum 31. März 2023 können sich die Länder zu einer hälftigen finanziellen Beteiligung entscheiden. Der Fonds ist ein Schritt zur Abmilderung der Härtefälle aus Ost-West-Rentenüberleitungen, insbesondere für die inzwischen hochbetagten und armutsgefährdeten Betroffenen. Er löst viele Herausforderungen für die Betroffenen zwar nicht abschließend, es ist jedoch das erste Mal, dass überhaupt etwas für die betroffenen Gruppen getan wird. Insbesondere Kollegen unseres größeren Koalitionspartners begründen ihre Ablehnung zum Beitritt Sachsens damit, dass Rentenrecht Bundesrecht sei. Diese Argumentation überzeugt uns als BÜNDNISGRÜNE nicht und wir widersprechen, denn: Sachsen zahlt schon seit vielen Jahren jährlich einen dreistelligen Millionenbetrag für die Sonderrenten aus DDR-Zusatzversorgungssystemen. Das betrifft u.a. Personen, die bei der NVA, der Volkspolizei, der Zollverwaltung oder der Stasi gearbeitet haben und damit jene, die die SED-Diktatur maßgeblich mit gestützt haben. Es ist den Menschen im Freistaat nicht vermittelbar, dass diese Personengruppen ihre Zusatzrenten bekommen und Menschen, um die es jetzt im Härtefallfonds geht, z.B. Kontingentflüchtlinge, nicht bedacht werden sollen, wenn es nach der Union geht. Das finden wir falsch.
Wir wollen eine sächsische Beteiligung an dem eingerichteten Härtefallfonds für bedürftige DDR-Rentenbeziehende, jüdische Kontingentflüchtlinge und Spätausgesiedelte. Wir bitten das zuständige Sächsische Sozialministerium, die haushaltsrechtlichen Möglichkeiten zu nutzen, um die benötigte Summe in Höhe von circa 60 Millionen Euro innerhalb der Staatsregierung zu beantragen. Wir fordern weiterhin das Sächsische Staatsministerium der Finanzen auf, diesen Weg dann nicht zu blockieren. Es liegt nicht am Geld, das ist da.
Es ist richtig, dass wir den Antrag der Linksfraktion erneut debattieren. Innerhalb der Koalition gibt es keine Mehrheit für eine Beteiligung Sachsens, was mich und meine Fraktion sehr schmerzt. Ein „Gerechtigkeitsfonds“, wie Sie als Linksfraktion im Antrag fordern, ist nicht unser präferierter Weg; damit habe ich schon im vergangenen Plenum unsere Ablehnung begründet.
Aber wir verstehen das Grundanliegen und wir teilen das Ansinnen der Beteiligung am Härtefallfonds. Zustimmen können wir dem Antrag nicht, weil es innerhalb der Koalition keinen gemeinsamen Standpunkt gibt – was sehr schmerzt.