Haushaltsdebatte Justiz − Meier: Der Haushaltsentwurf schafft nur vermeintliche Sicherheit und die Resozialisierung bleibt auf der Strecke
Rede von Katja Meier in der Haushaltsdebatte zum Einzelplan 06 (Staatsministerium der Justiz)
Mittwoch, 12. Dezember, TOP 6
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Gestaltung des Justizhaushalts ist maßgeblich für die Funktionsfähigkeit des Rechtsstaats. Gerichte und Staatsanwaltschaften müssen gut ausgestattet sein und ein gut funktionierender Justizvollzug muss der großen gesetzlichen Aufgabe der Resozialisierung nachkommen. In beiden Bereichen bekleckert sich die Sächsische Staatsregierung nicht mit Ruhm.
Kein Justizhaushalt ohne Personaldebatte. Im letzten Doppelhaushalt baute die Koalition vor allem Stellen für Richterinnen und Richter und Staatsanwältinnen und Staatsanwälte aus. Das war längst überfällig und es ist erfreulich, dass im aktuellen Haushalt sogar noch ein paar Stellen dazu gekommen sind.
Leider haben sie im letzten Haushalt verpasst, auch die Geschäftsstellen in den Gerichten mit ausreichend Personal auszustatten. Das haben Sie jetzt nachgeholt, ist aber nicht mehr als ein unumgängliches Nachsteuern. Dieses Nachsteuern zeigt, dass es der Staatsregierung an einem wirklichen Personalkonzept fehlt. Wir GRÜNE haben mit unserer Personaloffensive hingegen ein schlüssiges Konzept vorgelegt, dass Antworten für die Altersabgänge der Zukunft gibt.
Völlig inakzeptabel im Einzelplan 06 sind die 468 Planstellen, die einen abstrakten kw-Vermerk tragen und über deren Schicksal die Staatsregierung nach Gutdünken entscheiden möchte. Ohne Beteiligung des Landtags! Der Landtag ist der Haushaltsgesetzgeber. Das schließt auch den Umgang mit allen vorhandenen Planstellen ein. Der Landtag hat zu entscheiden, ob und wann eine abstrakt ausgeschriebene kw-Stelle wirklich wegfällt. Aus diesem Grund fordern wir auch im Einzelplan 06 die Streichung aller kw-Vermerke.
Kommen wir zur zweiten großen Säule im Justizhaushalt – den Justizvollzug. Hier sind sie den GRÜNEN Forderungen aus dem letzten Haushaltsverfahren nach einem erheblichen Stellenaufwuchs zur Entlastung der Justizvollzugsbediensteten nachgekommen. Schade, dass es immer zwei Jahre dauern muss, bis bei ihnen der Groschen fällt und sie erkennen, dass wir GRÜNE tatsächlich wissen wovon wir reden, wenn wir etwas fordern.
Allerdings war es das dann auch schon an Erfreulichem. Es fiel im Rahmen der Haushaltsverhandlungen immer der Satz, Sie hätten diesmal einen Schwerpunkt auf den Justizvollzug gesetzt. Und was heißt es, wenn Sie eine Schwerpunkt setzen: Mittel für Repression und totale Überwachung der Gefangenen und für teure Technikexperimente.
Die von der Staatsregierung geplanten Investitionen in alternde Sicherheitstechnik suggerieren der Öffentlichkeit ein Sicherheitsgefühl, dass die Praxis des Justizvollzuges – so hochgerüstet er auch sein mag – nicht leisten kann. Wir sind davon überzeugt, dass es keine Sicherheit für die Allgemeinheit ohne individuelle Resozialisierungsmaßnahmen gibt. Deswegen setzen wir dem autoritären Haushaltsentwurf der Staatsregierung Änderungsanträge im Umfang von 5,9 Millionen Euro zur Stärkung der Resozialisierung entgegen.
Für eine gute Resozialisierung und die effektive Vermeidung von Rückfällen bedarf es einer flächendeckenden Hilfestruktur, die die Inhaftierten vor und nach der Haftentlassung bei der Sicherung ihrer Lebensumstände unterstützt. Die Ausgaben des Freistaats für die Unterstützung der freien Straffälligenhilfe sind marginal. Wir fordern die Aufstockung der Mittel um eine Million Euro pro Jahr.
Eine gewinnbringende Alternative zum Absitzen einer Haftstrafe in der Justizvollzugsanstalt ist der Vollzug in freien Formen mit hervorragendem Betreuungsschlüssel und vielen individuellen Resozialisierungsmöglichkeiten. Der Jugendstrafvollzug in freien Formen ist in Sachsen etabliert, wenn auch nur für männliche Gefangene und in einem einzigen, nicht unproblematischen Projekt. Mit der aktuell geplanten Änderung der Sächsischen Strafvollzugsgesetze soll diese Vollzugsform auch für Erwachsene eingeführt werden. Da das Angebot für Jugendliche nicht ohne weiteres auf Erwachsene übertragbar ist, möchten wir GRÜNE Mittel für ein Modellprojekt für den Strafvollzug in freien Formen für Erwachsene bereitstellen.
Die Behandlung einer vorhandenen Suchterkrankung ist ein entscheidender Beitrag zu einem straffreien Leben nach der Haft. In den Haftanstalten Zeithain, Regis-Breitingen können erkrankte Gefangene auf Suchttherapiestationen ihre Haftzeit durch möglichst individuelle therapeutische Angebote sinnvoll und effektiv nutzen. Da gerade in Sachsen die Zahl der Gefangenen mit Suchtproblemen sehr hoch ist, ist der flächendeckende Ausbau dieser Suchttherapiestationen ein unverzichtbarer Beitrag zur Resozialisierung.
Wir fordern deshalb die Haushaltsmittel für weitere Suchttherapiestationen in sächsischen Justizvollzugsanstalten, allen voran im Frauenvollzug der JVA Chemnitz.
Liebe Staatsregierung, Liebe Koalition, ihr Haushaltsentwurf schafft nur vermeintliche Sicherheit und die Resozialisierung bleibt auf der Strecke. Dem können wir so nicht zustimmen.
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