Hermenau: Herr Tillich, Sie haben sich in dieser Sponsoringaffäre verhalten wie ein Dreijähriger, der dabei ertappt wurde, in die Keksdose gelangt zu haben
Redebeitrag der Abgeordneten Antje Hermenau zur Aktuellen Debatte der Fraktion GRÜNE „20 Jahre CDU-Regierung in Sachsen: Wem gehört der Freistaat?“ in der 10. Sitzung des Sächsischen Landtages am 11. März 2010, TOP 1
Es gilt das gesprochene Wort!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen!
Wenn Sie nach dem aktuellen Anlass der Debatte fragen, warum es um 20 Jahre geht? Der liegt erst wenige Tage zurück und ist die sogenannte Sponsoring-Affäre bei der Denk- oder Geldfabrik. Aber wir werden das noch erörtern.
Der Sächsische Sonnengott Biedenkopf ist weg. Die monarchistischen Allüren und Skandale sind aber geblieben. Wenn Herr Biedenkopf wenigstens noch ein Querdenker gewesen ist, der wegen seiner Denkfähigkeit geschätzt wurde, und man ihm seine royalen Marotten hat durchgehen lassen und Herr Milbradt war ein Querkopf mit einem Hang zur Alleinherrschaft, aber ohne royales Flair, Herr Tillich ist eigentlich nur ein Querschläger ohne jeden Glanz vergangener Tage. Nun geht ihm auch noch langsam das Geld aus.
Herr Tillich musste sich – mit den Höflichkeiten im konservativen Lager bin ich sehr vertraut – enorme Rüffel von Frau Merkel und Herrn Kauder öffentlich anhören.
Natürlich werden eine Frau Merkel und ein Herr Kauder nicht zu schlechter Wortwahl greifen oder empört tun, sondern die haben einen ganz gepflegten Stil der Unterkühlung, wenn es darum geht, jemanden aufs Mark zu kritisieren. Und das haben beide öffentlich getan. Und Sie, Herr Tillich, haben sich – finde ich – in dieser Sponsoringaffäre verhalten wie ein Dreijähriger, der dabei ertappt wurde, in die Keksdose gelangt zu haben und nicht zugeben will, dass die Hand genau in dieser Keksdose gewesen ist.
Es war ein ganzes Wochenende Zeit vor dieser „Geldfabrik“, auf die Gespräche zu verzichten, sich eine Strategie im Umgang damit zu überlegen, um die Demokratie zu stabilisieren, die Einnahmen als Spenden für soziale Zwecke vorzusehen, zu erläutern, wie in Zukunft diese Denkfabrik anders organisiert werden soll, und auch darüber nachzudenken, ob die sächsische Union nicht endlich dazu übergehen sollte, den Ministerpräsidenten und das Amt des Parteichefs voneinander zu trennen, damit solche Vorkommnisse nicht mehr passieren. Ich weiß nur nicht, wer bei Ihnen dann Parteichef wird und 8 000 Euro pro Gespräch wert ist. Aber das können wir ja klären.
Wir haben meiner Meinung nach mit dem Rücktritt von Frau Käßmann Ende Februar einen Maßstab erlebt, wie man damit umgehen kann. Sie hat einen schweren Fehler begangen, sie hat ihn erkannt, das ist der erste Schritt. Sie hat ihn bereut, das war der zweite Schritt. Sie hat ihn mit ihrem Rücktritt gesühnt, das ist der dritte Schritt und sie hat von allen Seiten Vergebung erfahren. Das hat sie alles innerhalb einer Woche geschafft. Wir quälen uns hier seit 20 Jahren mit der CDU herum, die es einfach nicht schafft, ihre Skandale zu klären.
Werden diese Landesbediensteten jetzt von der CDU bezahlt oder vom steuerzahlenden Volk?
Es gibt von Ihnen, Herr Ministerpräsident, einen Weihnachtsbrief – daran ist erst einmal nichts Schlechtes, Weihnachten soll man aneinander denken –, aber Sie schreiben an die Landesbediensteten, dass Sie für die Unterstützung und das Engagement im Wahlkampf danken. Da werde ich demokratisch hellhörig, das kann ich Ihnen sagen. Werden diese Landesbediensteten jetzt von der CDU bezahlt oder vom steuerzahlenden Volk?
Dienen diese Staatsdiener der CDU oder dem Volk? Meiner Meinung nach haben Sie die Staatsdiener inzwischen mit diesen freundlichen Umarmungen gekapert. Man nennt so etwas in der Wirtschaft übrigens ein „unfriendly takeover“. Lustigerweise habe ich in der Antwort auf die Kleine Anfrage von Kollegin Friedel von der SPD-Fraktion lesen dürfen: Sie haben diesen Brief geschrieben, um ein motivierendes Gruppengefühl zu begründen.
Vor 20 Jahren – und das wissen Sie, denn Sie waren auch dabei, irgendwie – haben wir versucht abzuschaffen, dass der Staat und die Partei eins sind, auch nicht als motivierendes Gruppengefühl.
Ich bin mir auch nicht sicher, wie Sie es offensichtlich sind, dass alle Staatsbediensteten durch die Kollektivierung in die CDU in Sachsen motivierbar sind. Ich halte das für ein kühnes Selbstverständnis und für ein absolutistisches Staatsverständnis.
Heute soll auf einem Holzgerüst vor dem Landtag ein Transparent angebracht werden, auf dem steht: „Hier bestimmen Sie!“ Damit ist das Volk gemeint. Damit sollen bürgerliches Engagement und Mut zur Einmischung eingefordert werden. Nach den Dingen, die ich gerade genannt habe, müsste dort eigentlich stehen: „Suchen willfährige Erfüllungsgehilfen!“ Gestern hatten Sie real engagierte und sich einmischende Bürger genau vor diesem Holzgerüst. Sie haben diese Bürger ignoriert! Da ist der Unterschied zwischen Ihrer Politiktheorie und der gestrigen Politikpraxis. Deswegen glaube ich, dass Ihr royalistisches Staatsverständnis vom Freistaat in der weiteren Debatte deutlich hinterfragt werden muss.
Wie gehen wir damit um, wenn wir etwas falsch machen?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Herr Kollege Flath, die GRÜNEN in Nordrhein-Westfalen brauchen keine Schützenhilfe in ihrem Wahlkampf, denn sie haben meiner Meinung nach ganz gute Umfragewerte, während Ihre sinken. Ich glaube, sie hatten ihre Landtagsdebatte zu diesem Thema gestern. Der Unterschied war – aber Sie haben ja noch zwei Runden, Herr Tillich –, dass Herr Rüttgers in der Debatte das Wort ergriffen hat. Ich hoffe, das kommt heute von Ihnen auch noch, Herr Tillich.
Affären, Skandale, Fehler sind menschlich und können passieren, auch in der Demokratie. Demokratie ist nicht an sich sakrosankt und es sind keine Heiligen dort. Das ist nicht die Frage. Diese Debatte führe ich hier auch nicht. Die Debatte, die ich führe, ist: Wie gehen wir damit um, wenn wir etwas falsch machen? – Ich sage durchaus mal „wir“, weil jeder hier Fehler macht. Das ist normal.
Aber beim Umgang damit ist der Unterschied zwischen einer funktionierenden Demokratie und einer Parteienmonarchie, die alles unter den sächsischen Teppich kehrt. Das ist der Unterschied und der regt mich auf, und zwar aktuell.
Herr Herbst, wenn Sie sich hier hinstellen und dröhnend behaupten, diese Debatte schade der Demokratie, dann frage ich mich, wie Ihre demokratische Ausbildung gewesen ist. Falsche Handlungen schaden der Demokratie. Wenn man versucht, sie zu verbergen und die Aufklärung verweigert, das schadet der Demokratie, weil es der Demokratie nicht die Möglichkeit einräumt, ihre Selbstheilungskräfte zu aktivieren und es in Zukunft besser zu machen. Das halte ich für das gravierende Problem und darüber reden wir.
ir sind immer noch in der Phase – jedenfalls Sie –, bei dem Thema Sponsoring den Fehler zu erkennen. Ich habe vorhin gesagt, die Reihenfolge ist: Fehler erkennen, bereuen, sühnen und Vergebung kommt dann vielleicht auch.
Karl-Heinz Gerstenberg, ein Kollege von mir, den Sie alle kennen und schätzen, wie ich weiß, ein gestandener, konstruktiver Demokrat, den man nun wirklich keine billigen Beiträge nachsagen kann, konnte es nicht aushalten. Es brach aus ihm heraus und er hat mir Vorschläge für den Titel der heutigen Debatte gemacht. Ich muss sagen, diese waren witziger als mein Vorschlag, aber sei es drum.
Kommen wir ins Gespräch, koste es, was es wolle
Was hat er als Titel der heutigen Debatte vorgeschlagen? – „Der Sachse – vom Märchenprinz zum Goldesel“ oder „Kommen wir ins Gespräch, koste es, was es wolle“. Sind Sie nicht demokratisch sensibel genug, um den Fehler anzunehmen und damit öffentlich aufzuräumen? Wir lassen Ihnen doch Platz für einen Rückzug ohne Gesichtsverlust. Wir tragen diese Debatte mit Humor. Das müssen Sie sich mal vorstellen. Das ist eine hohe demokratische Leistung.
Das dröhnende Schweigen in der FPD in den letzten Tagen steht für sich. Herr Herbst, Neid ist Ihnen bestimmt ein vertrautes Gefühl. Das glaube ich schon.
Aber ich bin da schon ein wenig altersweise. Eine Partei, die im Wahlkampf, um dreieinhalb Prozent mehr zu schaffen als wir, 400 000 Euro mehr ausgeben muss, ist nicht sehr effizient. Das rührt meinen Neid nicht.
Sie haben die Antwort gegeben „Der Staat gehört der Wirtschaft“, indem Sie die Wirtschaft ins Ministerium geholt haben. Aber unabhängig davon: Ich habe in meiner politischen Laufbahn viele FDPler kennengelernt und da frage ich mich schon: Wo ist die FDP Gerhard Baums oder die von Karl-Hermann Flach geblieben?
Das ist so. Sie haben hier eine sehr schwache demokratische Rede abgeliefert und wir sind immer noch im Stadium des schamhaften Errötens der Hand in der Keksdose. Das hat leider Ihr erleichtertes Gelächter gezeigt.
Das erleichterte Gelächter hat für sich gesprochen, das war beredt. Sie waren froh, dass jemand Sie mit plumpen Angriffen auf mich verteidigt hat. Das ist aber nicht die Art und Weise des Umgangs eines starken Demokraten, die ich mir vorstelle. Der Unterschied – für Sie, Herr Herbst, zum Mitschreiben –: Herr Holefleisch, den ich gut kenne, hat keine Amtsträger angeboten und das markiert die Differenz. Er hat keine Amtsträger angeboten und hat auch keine Preislisten ausgelobt.
Außerdem hat BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Vorschläge zur Offenlegung des Sponsorings unterbreitet. Es wäre also sehr vernünftig, wenn man dazu überginge, nicht Sponsoring an sich zu verbieten, weil man da das Kind mit dem Bade ausschütten würde, sondern es offenzulegen, genau wie Parteispenden. Damit habe ich kein Problem, da bin ich sehr dafür. Das würde vieles heilen, was in der Vergangenheit schief gelaufen ist.
Aber bleiben wir am Ende doch bei der Frage: Wem gehört der Freistaat? – Wir wollen, dass das Volk wirklich mitbestimmen kann, und zwar nicht nur alle fünf Jahre bei Wahlen. Aber die Hürden für Volksbegehren auf 5 Prozent zu senken waren Sie nicht bereit. Stattdessen bleibt es bei den starren 450 000 Unterschriften, die man braucht. Aber die Einwohnerzahl sinkt und damit steigt die Prozenthürde. Sie machen es dem Volk von Jahr zu Jahr wegen der sinkenden Einwohnerzahl schwerer mitzubestimmen. Aber bei der Pro-Kopf-Verschuldung wird jedes Jahr demografisch angepasst, dass wir weniger Sachsen werden. Das markiert auch einen Unterschied.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat in der letzten Wahlperiode dem Sächsischen Landtag ein Antikorruptionsgesetz vorgelegt, wir haben Änderungen zum Sächsischen Abgeordnetengesetzt vorgelegt, wir wollten Transparenz beim Sponsoring und wir wollten ein Annahmeverbot von Spenden durch Mandatsträger. Wir werden uns in einer weiteren Runde noch einmal damit befassen müssen, meine Herren.