Hermenau: „Wer sind Sie? Was wollen Sie, Herr Tillich?“

Es gilt das gesprochene Wort!
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen!
Es ist ja eine alte Erfahrung im parlamentarischen Betrieb, dass der Grad der Arroganz, der Beschimpfungen der anderen und der Selbstbeweihräucherung ein bisschen dem Ausdruck verleihen und proportional dem entsprechen, was der Grad der Unsicherheit und der Ignoranz ist.
Insofern bin ich Ihnen, Herr Flath, sehr dankbar, dass Sie versucht haben, hier strategische Anmerkungen zu machen. Sie haben die Rede gehalten, die ich mir vom Ministerpräsidenten gewünscht hätte. Die hat er nicht gehalten. Der Ministerpräsident hat sich gedrückt und hier mit Selbstbeweihräucherungen und Vorhaben und Plänen versucht, irgendein Bild zu erwecken, das aber so nicht zutrifft, denn ich kann den Haushalt ja lesen.
Natürlich kann die CDU in diesem Land nach 20 Jahren Aufbau Ost stolz sein auf Erreichtes in diesem Land. Das habe ich Ihnen auch nie abgesprochen. Das ist völlig in Ordnung. Aber es gibt keine Dankbarkeit in der Politik. Es gibt vor allen Dingen kein Ausruhen auf Lorbeeren, die schon langsam gelb werden. Es gibt neue Aufgaben, es gibt neue Bewährungen und die CDU in Sachsen wird sie in Zukunft bestehen oder nicht.
Die Rede des Ministerpräsidenten hat das heute nicht gezeigt. Ich hatte eher ein paar Mal das Gefühl, gerade bei den improvisierten Stellen, dass ich jetzt nicht vom Ministerpräsidenten angesprochen werde, sondern von Florian Silbereisen, der sein Lächeln anknipst, hier herein kommt als Animateur der Volksmusik, anstatt uns den Ernst der Lage zu erklären und mit uns darüber zu sprechen, wie die politische Linie sein und was dabei herauskommen soll.
Meine Beobachtung ist folgende: Sie, Herr Tillich, sind ein Ministerpräsident auf Bewährung von Ihrer eigenen Partei. Sie haben nämlich versucht, nachholende Kommunikation zu liefern, die Sie mit Ihren durchgeholzten Entwurf nicht gemacht haben, weder in der Bevölkerung, noch bei den Akteuren und Stützen der Gesellschaft hier in Sachsen. Dass es notwendig war, dass Ex-Ministerpräsident Biedenkopf noch einmal in der Sächsischen Zeitung vor allen Dingen der CDU erklären musste, wie sie heute abzustimmen hat.
Ist denn wenigstens jetzt Licht bei Ihnen eingekehrt? Die Frage stellt sich noch. Das war die politische Höchststrafe. Es ist die politische Höchststrafe, die ein Ministerpräsident haben kann, wenn der Ex-Ministerpräsident die Reihen in der Union schließen muss. Am Ende war auch dieser Artikel leider wieder nur das, was Sie hier vorgetragen haben: Es war ja nicht alles schlecht in den letzten 20 Jahren. Das sagen manch andere auch über eine andere Zeit, und ich bin darüber genauso wenig begeistert. Wenn Sie meinen, dass Ihr Auftritt hier ein bürgerlicher sei, dann bin ich der Meinung, er war eher kleinbürgerlich als bürgerlich.
(…)
Die CDU-Fraktion hat, wie ich beobachten konnte, sehr viel Korpsgeist bewiesen. Sie hat trotz dieses technisch stümperhaften Entwurfs, der auch in der Sache nicht wirklich die neuen strategischen Linien beschreibt, ernsthaft an diesem Entwurf gearbeitet. Ich hätte den ja zurückgewiesen, wie Sie wissen. So etwas hätte ich gar nicht erst zur Beratung akzeptiert. Es hat Ihnen viel mehr Arbeit verursacht als nötig.
Natürlich habe ich mich gefreut, als zwei sehr kleine Anträge der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dann noch in der Haushaltsberatung angenommen worden sind. Alle unsere Anträge, die wir gestellt haben, waren ernst gemeint, ob nun 100 000 Euro oder 40 Millionen Euro – das ist nicht die Frage. Und natürlich wählt die Koalition aus, was ihr passt.
Jetzt gehe ich einmal auf ein paar Zitate Ihrer Rede ein, Herr Tillich. Ziemlich am Anfang nach der Wirtschaftskrise tritt die Globalisierung in eine neue Phase. Da bekomme ich richtig Angst. Erstens. Nach der Krise. Da haben Sie ja eine sehr persönliche Optik. Ich hoffe doch, dass Sie nicht diesem Exportschub in Deutschland auf den Leim gehen, den wir gerade erleben, sondern Ihnen bewusst ist, dass das Ganze bis zu einem gewissen Grade eine Blase ist.
Ihnen sollte auch klar sein, dass die europäische Wirtschaftskrise die Deutschen viel massiver betrifft, als uns allen recht ist.
Ich frage mich natürlich auch: In welche neue Phase treten wir denn ein? Was sind denn Ihre Wachstumsvorstellungen? Was machen wir denn jetzt, nachdem sich durch die Finanzmarktkrise Wachstumspotenziale nach Asien und Lateinamerika verschoben haben? Darauf gibt es keine Antworten. Sie stellen nur die Fragen. Das klang staatsmännisch.
Die Landesfinanzen, meinen Sie, verändern sich völlig. Das ist doch kein Geheimnis. Das wissen wir schon sehr lange. Das ist langfristig berechenbar und absehbar gewesen. Beim Solidarpakt II wurde der Korb 1 im Jahre 2001 beschlossen, der Korb 2 dann 2004, wenn ich mich richtig erinnere. Das ist etwas, was Sie seit mehr als sechs Jahren in Ihren Haushalt einpreisen können. Dabei war nichts Überraschendes.
Deshalb war Ihre Kürzungsstrategie am Anfang genau so, dass Sie beim Aufbau Ost die Investitionen herausgekürzt haben.
Natürlich müssen wir unterscheiden zwischen Konjunkturdellen – die gab es eben auch – und dem degressiven Verlauf des Aufbaus Ost. Das ist in Ordnung. Aber sich hier hinzustellen und so zu tun, als wäre die ganze Lage über Sie hereingebrochen wie ein Tornado in Großenhain, das finde ich nun wirklich nicht in Ordnung. Da blenden Sie die Wahrnehmung aus.
Dass die Demografie uns vor Herausforderungen stellt, ist auch nicht neu und überraschend über uns hereingebrochen. Es gab sogar eine Enquetekommission des Landtages, die sich fünf Jahre mit den Fragen herumgequält hat. Dabei war nichts Neues. Die Konsequenzen der niedrigen Geburten Anfang der Neunzigerjahre sind schon lange absehbar gewesen.
Das ist das eigentliche Dilemma. In den Neunzigerjahren sind wir in einigen Fragen – vielleicht alle zusammen – von falschen Wachstumsvorstellungen ausgegangen. Jetzt kann man aber nicht unkritisch „Weiter so!“ sagen, sondern muss sich neu aufstellen. Das machen Sie aber eben nicht. Ich will versuchen, das an Beispielen zu erläutern.
Sie haben davon gesprochen, dass Sie Prioritäten setzen. Die erste Priorität sei Bildung, Forschung und Entwicklung. Bei Forschung und Entwicklung sehe ich Licht und Schatten. Das werden wir beim Einzelplan noch ausdiskutieren. Bei der Bildung sind Sie stolz darauf, 50 Millionen Euro mehr bei den Kitas auszugeben. Das müssen Sie ja. Es gibt schließlich mehr Kinder. Das ist eine komische Rechnung. Beim Schulhausbau hätten Sie, wenn Sie unseren Anträgen gefolgt wären, 100 Millionen Euro für den Schulhausbau ausgeben können. Sie haben jetzt 20 Millionen Euro dafür reserviert, was ich anerkenne, aber es wäre vielmehr möglich gewesen. Schließlich haben Sie 2 Milliarden Euro Investitionsstau in diesem Bereich. Die Gelder werden ja weniger, wie wir alle seit vielen Jahren wissen, weil wir rechnen können. Ich finde, das geht so nicht.
Dann kommen Sie wieder mit einem Satz, der toll klingt und den ich wirklich bemerkenswert fand: «Sachsen wird kein Talent verlorengehen.» Ich glaube Ihnen das persönlich und nehme Ihnen ab, dass Sie das so meinen. Das Problem, das Sie haben, Herr Tillich, ist, dass ich glaube, dass Sie viele dieser Talente gar nicht erst erkennen, weil sie eben nicht auf das Gymnasium kommen.
Wenn Sie stolz darauf sind, dass wir in Ostdeutschland vorn sind, dann frage ich: Womit sind wir vorn? Damit, dass wir der Musterschüler beim unkritischen Nachbau West sind? Damit, dass wir uns noch ein paar Programme mehr als die anderen armen Schlucker um uns herum leisten? Da sind wir vorn. Aber beim Eigenaufbau, wo sind wir da? Das Tourismuskonzept Erzgebirge wird torpediert, weil Dresden und Leipzig auf einmal mehr Tourismuswerbung brauchen. Das liegt vielleicht auch am Brückenbau.
In Sachsen-Anhalt sind über 40 % erneuerbare Energien drin. Bei uns ist das ein ganz mickriger Betrag. Wir versuchen gar nicht erst, in solchen Bereichen, die Zukunft verheißen, wirklich nach vorn zu kommen. Das verstehe ich nicht. Zukünftige Kosten zu erkennen und zu vermeiden, muss die erste Strategie sein. Sie können nicht nur auf Export setzen. Wir brauchen eine ganz andere Wahrnehmung unserer Binnenstruktur und unseres Binnenmarktes.
Das machen Sie nicht. Sie hätten unserem Antrag zur Gebäudesanierung folgen können. Das hätte eine Kostensenkung im privaten Bereich bedeutet, weil die Nebenkosten beim Wohnen sinken. Das hätte Investitionsanreize mit einer Hebelwirkung von 1: 6 bis 1: 7 bedeutet. Es hätte auch eine stabile Auftragslage im Handwerk in Sachsen gebracht, was ich besser finde, als ein Konjunkturpaket 2, 3, 4 oder 5 aufzulegen. Das funktioniert so nicht.
Wenn Sie gern ungebrochene Wertschöpfungsketten haben wollen, warum haben Sie dann bei Solar gepatzt? Wir gehen mal die Wertschöpfungskette durch. Siliziumproduktion haben wir: Wacker Nünchritz. Forschung und Entwicklung Dünnschichttechnik haben wir: Fraunhofer-Institut Dresden. Fertigungslinien haben wir: Freiberg, Dresden, Leipzig. Innovationsführer Fertigungslinien: Roth & Rau, auch in Sachsen. Außerdem gibt es mehr als 120 Handwerksbetriebe, die in der Endmontage und Wartung von Solaranlagen tätig sind. Das sind kurze Wege, qualifizierte Mitarbeiter. So etwas nennt man ein Cluster. 2009 haben die 2 Milliarden Euro Umsatz gemacht. Es waren mehr als 5 600 Leute in Arbeit und es war der größte Wachstumsmotor in Sachsen mit einem konjunkturbereinigten Wachstum von 20 % per anno. Die Verdoppelung des Umsatzes und der Mitarbeiter erfolgte aller fünf Jahre. Aber die Staatsregierung lässt Thüringen und Sachsen-Anhalt in der entscheidenden Abstimmung, als es um die Radikalabsenkung geht, im Stich und stimmt für die Radikalabsenkung. Das sind die Tatsachen, mit denen wir hier konfrontiert sind. Da stimmen doch Ihre Reden und Ihre Handlungen nicht überein.
Das Ergebnis ist, dass die bisher vorhandenen kleinen und mittleren Produzenten kaputtgehen, dass am Ende wahrscheinlich zwei oder drei große Firmen übrig bleiben und der Rest der ganzen Technologie im Ausland produziert wird. Dabei war die Branche eigentlich kurz vor dem Ziel. 2013 wäre der Strom vom Dach wahrscheinlich billiger gewesen als der Haushaltsstrom vom Energieversorger, vielleicht wäre das auch inklusive Speicherbatterie 2016 der Fall gewesen. Da hätte man auch einmal an Wachstum glauben können. Aber da stehen Sie sich selbst im Wege.
Sie brüsten sich mit Ihren 17 % Zukunftsinvestitionen. Ich sage Ihnen: Das ist Hülle und nicht Inhalt. Sie brüsten sich damit, aber Sie sehen sich die Programme überhaupt nicht genau an. Sie haben völlig unkritisch alle Programme weiter kofinanziert. Sie haben sich nicht die Mühe gemacht, ein Controlling einzuführen. Sie machen keine Evaluierung. Alles was kommt, wird unkritisch und unhinterfragt kofinanziert. Ich finde das unmöglich. Ein Teil dieser Programme ist vor 5, 6, 7, 8, 9 Jahren designt worden. Und da meinen Sie, das wäre immer noch up to date und unserer Lage angemessen? Ich glaube, dass Sie da wichtige Sachen verpassen, energetische Gebäudesanierung, Eigenvorsorge Hochwasser. Die kommunale Mindestfinanzausstattung wäre auch ein wichtiges Thema gewesen. Dazu haben wir auch durchgerechnete und solide Vorschläge gebracht.
Effektive Zukunftsinvestitionen müssen doch eigentlich von Jahr zu Jahr in ihrer Auswirkung beobachtet werden. Das machen Sie nicht, weil Sie Angst haben. Sie haben Angst, dass westdeutsche Ministerpräsidenten meinen, dass sie etwas von den Aufbau-Ost-Mitteln kürzen könnten, wenn Sie verkünden, dass das eine oder andere Programm nicht mehr so toll ist.
Was hindert Sie als Sächsischer Ministerpräsident daran, auf einige Programme zu verzichten, weil wir sie für ineffizient halten, und sie nicht mehr anzunehmen. Wenn Thüringen oder andere Bundesländer sie noch haben wollen, können sie das tun. Wir nehmen sie nicht mehr. Wir sollten lieber in andere Dinge investieren, von denen wir glauben, dass sie besser sind. Wir könnten außerdem eigene Landesprogramme aufsetzen, die nach unserer Meinung punktgenau sind. Es wäre viel mehr möglich. Eine Gestaltung wäre möglich. Man hätte es nur tun und nicht nur behaupten müssen.
Sie verwenden wieder die alten Infrastrukturmaßnahmen. Wir sprechen darüber, wie wir zukünftige Kosten erkennen und vermeiden können. Ich sage es einmal ganz platt – dann versteht es auch der Letzte:  Vielleicht haben einige von Ihnen vor ein paar Tagen bemerkt, dass der Schnee geschmolzen ist, als sie auf der Straße unterwegs waren. Sie waren unterwegs auf der Bundesstraße oder Autobahn – Staatsstraße, Kreisstraße oder Dorfstraße. Es spielt keine Rolle. Die Löcher sind überall vorhanden. Sie unterscheiden nicht nach der Zuständigkeit und Finanzierung. Sie haben nach wie vor vor, dass Straßennetz drastisch auszubauen. Was soll das? Wir brauchen nur den Unterhalt für die Straßen. Wir haben über den Bevölkerungsrückgang gesprochen. Diese Punkte werden nicht angepackt.
Eine andere Frage betrifft die Investitionen in den ÖPNV. Der ländliche Raum bedankt sich. Es hat nicht nur zur Folge, dass die Tourismusförderung dem ländlichen Raum den Rücken kehrt. Der öffentliche Nahverkehr verabschiedet sich auch aus dem ländlichen Raum. Was soll das? Wollen Sie alle überreden, nach Dresden oder Leipzig ziehen? Was ist der Plan? Gibt es einen Plan?
Sie wollen eine gute Wirtschaftspolitik. Das ist Ihre dritte Priorität. Sie sprechen davon, den Export anzukurbeln. Daran ist etwas dran. Die Frage lautet: wie und was?
Die andere Frage betrifft die Anhebung der durchschnittlichen Betriebsgröße. Das verstehe ich nicht. In der Krise hat es uns den Hintern gerettet, dass unsere durchschnittliche Betriebsgröße nicht so groß wie im Westen war.
Wir brauchen, das haben wir nach den Geschehnissen der letzten zwei bis drei Jahre verstanden, offensichtlich mehr Binnenmarktnachfrage als es gesamtdeutsch in den letzten zwei Jahrzehnten gesehen wurde. Ich bin dafür, den Export anzukurbeln. Die Frage lautet: In welchen Bereichen wollen wir das machen?
Schauen wir uns einmal das Land Baden-Württemberg an. Vielleicht ist das Ihr Beispielland. Baden-Württemberg hat die Hochs und Tiefs erwischt, weil sie sich vor allen Dingen auf den Autoexport konzentriert haben. Vielleicht haben Sie Westsachsen im Auge und meinen die Automobilindustrie. Das wurde nicht genau ausgeführt. Man kann es nur vermuten. Baden-Württemberg hat diesen Absturz erlebt. Baden-Württemberg hängt in seiner Exportgröße davon ab, ob die reichen Chinesen die Autos aus Baden-Württemberg schick finden. (und weiter sarkastisch:) Das ist eine solide Basis für die Wirtschaftspolitik. Davon bin ich sehr begeistert. Das sind Punkte, die mich irritieren. Darüber sprechen Sie nicht.
Ich habe mich darüber geärgert, dass das bei den Kürzungen im sozialen Bereich so klingt, als wäre es von außen erzwungen worden und unbedingt an den Haushalt angepasst werden müsste. Sie hätten das sorgsam gemacht. Sie haben es im März – im laufenden Haushalt – nicht sorgsam gemacht. Sie haben einfach zugeschlagen. Sie haben mit der Schrotbüchse ins Gebüsch geschossen. Die Spatzen fielen tot herunter. Sie haben in dieser Haushaltsberatung nicht versucht, nach qualitativen Unterschieden zu suchen. Es ist im Prinzip gelogen, Herr Ministerpräsident.
Nun kommen wir zum Thema der Solidarität. Nachdem Herr Dr. Milbradt zurückgetreten war und Sie das Amt übernommen haben, haben Sie eine erste Regierungserklärung abgegeben. In dieser spielte die Solidarität eine große Rolle. Ich erinnere mich daran. Ich hielt diese Rede für ein ermutigendes Zeichen. Nachdem Sie die neue Koalition im letzten Jahr gebildet haben, war in Ihrer Regierungserklärung von Solidarität keine Rede mehr. Nun haben Sie das nach dem Durchholzen im Sozialbereich im Jahr 2010 wieder verbal eingebracht. Was ist nun fakt? Wer sind Sie? Was wollen Sie, Herr Tillich?
Sie haben die Haushaltsinstrumente völlig zu recht gelobt. Ich habe in meiner ersten Rede im Sächsischen Landtag im Jahr 2004 deutlich gemacht – und dies Herrn Dr. Milbradt ins Gesicht gesagt – , wie sehr ich es schätze, dass derartige Instrumente in diesem Haushalt existieren. Es erfüllte mich mit Respekt, eine niedrige Pro-Kopf-Verschuldung vorzufinden. Ich finde das unterstützenswert. Sie haben in diesem Haus in den letzten sechs Jahren nichts anderes von mir gehört – niemals. Ich verteidige das seit sechs Jahren. Sie haben sich, ohne selbst Bezug darauf zu nehmen, einen Blankoscheck über 1,6 Milliarden Euro für neue potentielle Schulden, die hinzukommen könnten, genehmigt. Es soll helfen, wenn das Gesparte für die Bürgschaft der Sachsen LB nicht ausreichen sollte. Das finde ich frech. Man soll nicht vom Pfad der Tugend abweichen. Erstens täuscht das Bild eine Bewegung vor. Das lassen wir einmal beiseite. Das ist eine Petitesse.
Sie erinnern mich ein wenig an den alten Breschnew-Witz. Die Älteren unter uns werden ihn noch kennen. Breschnew sitzt im Zug. Die Kohle ist alle. Es geht nicht mehr weiter. Alles ist starr. Was macht der alte Breschnew? Er zieht die Gardine zu und tut so, als ob der Zug weiterfahren würde. Das kann es nicht sein.
Kollege Zastrow hat die Leier von der Armut dieses Haushaltes bemüht. Sie haben bei den Zusatzinvestitionen für den Aufbau Ost gekürzt. Das kann man machen. Das war an dieser Stelle vielleicht die klügste Lösung. Sie haben eine allgemeine Haushaltsausgleichsrücklage – ich schätze diese Zahl und Sie dürfen das gerne präzisieren, Herr Unland – zwischen 650 und 700 Millionen Euro gebildet. Sie konzentrieren die Debatte darauf, dass Sie der Opposition in die Schuhe schieben, dass sie nicht verstehen würde, was sie macht. Kommt Ihnen bei dieser inhaltsleeren Vertuschung irgendwann der Gedanke, dass es mehr Leute geben könnte, die nicht verstehen, was Sie machen?
Sie haben sich einen Wahlkampfhaushalt gebildet. Sie haben sich Rücklagen angelegt. Folgendes möchte ich betonen: Es gibt leichte Verbesserungen in der Parlamentskontrolle. Ich habe bei der CDU-Fraktion wahrgenommen, dass Mechanismen eingebaut worden sind. Manchen habe ich auch zugestimmt. Kollege Rohwer kann das bestätigen. Die Rücklagen sind sehr hoch. Der Verdacht, dass Sie sich einen Wahlkampfhaushalt für die Jahre 2013 und 2014 ansparen, liegt nahe.
(…)
Ich komme noch einmal auf den technischen Murks zu sprechen. Er hat uns – seitdem der Entwurf eingebracht wurde – im Landtag mehrere Male beschäftigt. Der Landesrechnungshof hat das bestätigt. Wir benötigten eine Ergänzungsvorlage mit 2 000 Seiten. Ich möchte das nicht wiederholen. Wir haben es besprochen.
Ich mache Ihnen einen Vorschlag. Ich möchte es einladend und in keinem aggressiven Ton tun. Ich mache Ihnen den Vorschlag, dass wir in den Fraktionen darüber reden, dass wir im nächsten Jahr eine Haushaltsstrukturkommission einberufen. Wir beraten in aller Ruhe, welche Anforderungen das Parlament an den Haushalt im nächsten Haushaltsentwurf für die Jahre 2013/2014 haben möchte. Wir könnten darüber sprechen, was hineingehört. Die kritischen Mängel, die der Landesrechnungshof ausgeführt hat, können wir versuchen, zu diskutieren und zu beheben. Wir geben Ihnen diese Vorgabe in die Haushaltsaufstellung mit. Ich lade die anderen Kolleginnen und Kollegen der Fraktionen ein, sich mit dem Gedanken einmal zu befassen. Ich würde mich freuen, wenn wir spätestens im Januar dazu ins Gespräch kommen könnten.
Ich komme noch einmal auf die Frage nach der Kommunikation und den Tonfall zu sprechen. Mir war es zu viel Arroganz und zu wenig Augenhöhe. Es war vielen Leuten zu wenig Respekt und zu viel Erpressung. Wenn Sie von Vertrauen sprechen, dürfen Sie das nicht mit Gehorsam verwechseln. (…)