Infrarotschall Windkraftanlagen – Gerber: Erneut ein wissenschaftsfeindlicher Antrag aus dem Hause AfD
Sehr geehrter Herr Präsident,
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
der Antrag, den sie hier heute eingebracht haben, reiht sich ein in ihre Liste an wissenschaftsfeindlichen und spaltenden Anträgen. Diese verblendete Ideologie, die Realität verneint, Desinformationen und Angst verbreitet, hat in diesem hohen Hause nichts verloren. Der Antrag nutzt ganz unverblümt typische Werkzeuge von Fake News und Wissenschaftsleugnung. Zum Beispiel nutzen sie Pseudoexperten als Quellen, betreiben Rosinenpickerei, lassen also ihnen unpassende Fakten weg und verbreiten gezielt Verschwörungserzählungen. Ich will ihnen das gern an einigen Beispiele demonstrieren:
Zu den Pseudo-Experten: Zunächst gilt es festzustellen, dass der Antrag und die Diskussion um Infraschall seit 2004 auf einen Rechenfehler der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, der BGR, zurückgeht. Dort wurde sich, selbstverständlich versehentlich, um den Faktor 4.000 verrechnet. Zitat: „Es tut mir sehr leid, dass falsche Zahlen über einen langen Zeitraum im Raum standen“, sagte Peter Altmaier dieses Jahr und gab zu, dass die Akzeptanz der Windkraft, Zitat „ein Stück weit“ Zitatende darunter gelitten hat. Ja, was Sie nicht sagen, Herr Altmaier.
Nun wurde die Arbeit, die Sie indirekt in ihrem Antrag zitieren, noch vor dieser Richtigstellung veröffentlicht. Okay. Aber seit dem haben sich die Autoren Roos und Vahl nicht zu einer Korrektur ihrer Arbeit genötigt gefühlt. Im Gegenteil: Vahl behauptet jetzt ohne irgendeinen Beweis im Ärzteblatt, dass Zitat „[n]ach der Korrektur dieser Werte ist davon auszugehen, dass der von Windanlagen generierte Infraschall gefährlicher ist als bisher angenommen.“
Herr Roos, der zweite Autor, ist schon länger in der Bürgerinitiative „Gegenwind Schwarzwald” aktiv und veröffentlicht weiterhin auf „vernunftkraft.de”. Übrigens ist Herr Vahl nicht mehr Chefarzt des Mainzer Universitätsklinikum, wie sie in ihrem Antrag behaupten.
Kommen wir zur Rosinenpickerei. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob Sie die Studie, die Sie zitieren, wirklich selber lesen. Oder gehen Sie davon aus, dass niemand sich die Mühe macht? Wenn Sie sich ihre selbst zitierte Studie einmal angeschaut hätten, dann hätten Sie lesen müssen, dass diese Studie zu dem Ergebnis kommt, dass:
- Infraschall in der Nähe von Windenergieanlagen überschreitet nicht die Hörbarkeitsschwellen.
- Infraschall und tieffrequenter Schall stellen keine besonderen Gesundheitsrisiken dar.
- Die Belästigung scheint stärker mit individuellen Merkmalen zusammenzuhängen als mit Lärm von Windkraftanlagen.
Und wenn man es bis zur Seite 18 der Studie geschafft hätte, wäre man auch über die Best-Practice-Beispiele der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gestolpert, die auf den Kenntnissen aus über 60 peer-reviewten Arbeiten beruhen. Dort wird vorgeschlagen, dass Abstandsregelungen eben nicht durch fixe Entfernung, wie etwa die 10h Regel, zu definieren sind. Sie widersprechen sich hier also wie so oft selbst.
Ich möchten ihnen gern noch eine Rosine mitgeben. Chapman et. al haben gezeigt, dass es bei 33 von 51 untersuchten Windparks gar keine Probleme gab. Wieviele Abwohnende meldeten gesundheitliche Probleme? 0,4%! Und von diesen 0,4% haben 73% in der Nähe von nur sechs Windparks gewohnt, bei denen Anti-Windenergie Gruppen aktiv waren. Das ist ein klassischer Fall des Nocebo-Effekts, bei dem eine negative Wirkung eintritt, bloß weil man davon ausgeht.
Kommen wir zu den Verschwörungsmythen. Sie behaupten: „tieffrequenter Schall wird durch Lärmschutzmaßnahmen, Fenster und Hauswände kaum gedämmt”. Das widerlegt aber sogar der Artikel von Vahl selbst. Dort wird deutlich, dass es in einem Haus zu einer Reduktion der Schallleistung um den Faktor 50 kommt.
Sie behaupten auch, dass Auswirkungen auf menschliche Zellen nachgewiesen seien. Sie verschweigen auch hier wieder essentielle Dinge. Diese Untersuchungen wurden bei über 80 Dezibel gemacht und werden von Windkraftanlagen überhaupt nicht erreicht. Andere von Vahl an Tieren durchgeführte Experimente nutzen extrem hohe Schalldruckpegel von bis 130dB. Das ist um den Faktor 100.000.000 höher als die Schallpegeln von Windenergieanlagen. Dazu passt ein Zitat von Dr. Holzheu, der den Fehler der BGR entdeckt hat: „Kein Mediziner käme auf die Idee, vor Alkoholvergiftungen durch reifes Obst zu warnen, nur weil festgestellt wurde, dass hochprozentiger Alkohol gesundheitsschädlich ist.”
Abschließend zitiere ich noch mal aus der von ihnen aufgeführten Metastudie: „Menschen, die wirtschaftlich von Windkraftanlagen profitieren, im Vergleich zu Personen, die keinen wirtschaftlichen Nutzen daraus ziehen, [weisen] deutlich geringere Belästigungswerte auf, obwohl sie ähnlichen, wenn nicht sogar höheren Schallpegeln ausgesetzt sind.“ Und das ist genau das, was Sie mit ihrem Antrag verhindern. Durch eine 10h Regelung würden Kommunen durch den größeren Abstand nicht von den 0,2 Cent / Kilowattstunde im EEG profitieren dürfen. Dabei gibt die AfD doch immer vor sich für den ländlichen Raum einzusetzen.
Wir werden ihren Antrag ablehnen.