Ingenieur- und Architektenrecht – Lippmann: Gesetzentwurf ist nicht überzeugend

Rede des Abgeordneten Valentin Lippmann
zur Zweiten Beratung des Entwurfs der Staatsregierung mit dem Titel: "Gesetz zur Neuregelung des Sächsischen Ingenieur- und Architektenrechts und zur Anpassung an die Richtlinie 2005/36/EG sowie zur Änderung des Gesetzes über Zuständigkeiten auf dem Gebiet der Energieeinsparung"
48. Sitzung des Sächsischen Landtags, 1. Februar, TOP 5, Drs. 6/6841

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrte Herr Präsident,
sehr geehrte Abgeordnete,

wir werden uns bei der Abstimmung des Gesamtentwurfs unserer Stimme enthalten. Das hat im wesentlichen folgende Gründe:

1. Man ist bei einem solchen Gesetzentwurf, der bereits in seiner Überschrift darauf hinweist, dass er zum Teil oder ganz auf der Umsetzung einer EU-Richtlinie, nämlich der Richtlinie 2005/36/EG beruht, leicht geneigt zu glauben, dass ein dringender Umsetzungsbedarf besteht. Wenn man sich dann allerdings über den konkreten Inhalt der Richtlinie informieren will, blickt man ratlos in die Begründung des Gesetzentwurfs. Im wesentlichen Inhalt des Vorblatts beispielsweise, taucht die besagte Richtlinie aus der Überschrift des Gesetzes gar nicht mehr auf, sondern eine Richtlinie mit der Nummer 2013/55/EU.

Im allgemeinen Teil der Begründung wird das Rätsel schließlich aufgelöst: die jüngere Richtlinie ändert die ältere. Warum es deshalb Anpassungsbedarf gibt, wird hier allerdings immer noch nicht verraten. Erst auf Seite 33 – in den Ausführungen zum Architektengesetz – findet sich dann endlich ein Überblick, weswegen es zu Anpassungen an die geänderte Richtlinie kommen muss. Das zeigt: Die gesamte Begründung erscheint nicht aus einem Guss und das lässt Zweifel daran aufkommen, ob die getroffenen Regelungen auch bis zu Ende gedacht wurden.

2. Die Gründe für die Neufassung des Ingenieurgesetzes sind einleuchtend, zumal es sich mit der Zusammenfassung des alten Ingenieurgesetzes und des Ingenieurkammergesetzes an der bereits 2014 geänderten Struktur des Architektengesetzes orientiert. Gleichwohl sehen wir bei einigen Regelungen durchaus Probleme.
a) Hauptstreitpunkt – das wurde auch in der Sachverständigenanhörung deutlich – ist die Absenkung der Voraussetzungen zum Führen der Berufsbezeichnung „Ingenieur“.

Der Präsident der Ingenieurkammer führte in der Anhörung aus, dass sich Sachsen bei den Voraussetzungen a) sechssemestriges Studium in technisch-naturwissenschaftlicher Richtung, die b) überwiegend von Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik, sog. MINT-Fächer, geprägt sind, als „Land der Ingenieure“ verabschiede.

Derzeit läge die europaweit fachlich anerkannte Mindeststufe bei einem MINT-Anteil von 70 Prozent. Um die hohe Anerkennung, die sächsische Ingenieure derzeit genießen, zu erhalten, sollte sich der MINT-Anteil um diese Quote bewegen.

Demgegenüber stehen die Vertretungen der Hochschulen, die auf dem Standpunkt stehen, dass die Regelungen im Ingenieurgesetz die Hochschulautonomie nicht unangemessen einschränken darf. Die Forderung eines sehr hohen MINT-Anteils bewirke eine Einflussnahme des Gesetzgebers auf die Gestaltung der Studienpläne. Der Studierendenvertreter ging sogar so weit, eine starre MINT-Quote gänzlich abzulehnen.

Dass die Staatsregierung bei dem vorgelegten Entwurf einen 50 Prozent Anteil im MINT-Bereich voraussetzt, obwohl sie im Referentenentwurf noch einen Anteil von 80 Prozent vorgesehen hatte, zeigt, dass hier nach der schriftlichen Anhörung noch Bewegung in das Rechtsetzungsverfahren gekommen ist und ein Kompromiss gefunden wurde.

Das ist grundsätzlich gut. Wir haben es hier mit einem klassischen Fall eines unauflösbaren Widerspruchs zwischen zwei jeweils für mich verständlichen Grundsätzen zu tun: Der Hochschulautonomie auf der einen Seite und dem berechtigten Willen, dass nur dort Ingenieur drauf stehen soll, wo auch einer drin ist.

Fakt ist: mit der Absenkung des Niveaus des MINT-Anteils passt sich Sachsen zwar dem bundesweiten Trend an, verliert aber zugleich eines seiner Alleinstellungsmerkmale. Vor dem Hintergrund, dass sowohl das deutsche Musteringenieurgesetz als auch der erste Vorschlag der Europäischen Kommission für ein gemeinsames europäisches Berufsbild des Ingenieurs ein dreijähriges Studium mit 70 Prozent MINT-Anteil vorsieht, scheint die gefundene Lösung nicht bis zu Ende gedacht.

Um diesen dauerhaften Konflikt aufzulösen wäre es aus unserer Sicht sinnvoll, zukünftig auch stärker in Richtung anderer Qualitätssicherungsstandard zu denken, beispielsweise über die Akkreditierung der Studiengänge.

Ein weiterer Kritikpunkt war in der Anhörung die mit dem Entwurf des Ingenieurgesetzes vorgesehene Überregulierung im Bereich der sanktionierten Weiterbildungsverpflichtung und der zu führenden „Liste der Gesellschaften“, die zu einem hohen Verwaltungsaufwand führen. Dass letztere auch mit dem Gesetz über den unlauteren Wettbewerb sanktioniert werden können, hat mich überzeugt. Die Regelung ist somit überflüssig.

Zusammenfassend sehen wir die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung, das Ergebnis überzeugt uns nicht. Wir werden uns deshalb der Stimme enthalten.

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