Jähnigen: Für die Deutsche Bahn steht derzeit der Buchstabe „P“ – Prestigeprojekte, Probleme und Pannen

Redebeitrag der Abgeordneten Eva Jähnigen zum Antrag der Fraktion GRÜNE „Sachsen nicht vom Bahnverkehr abhängen – Fern- und Nahverkehr in Takt bringen“ in der 11. Sitzung des Sächsischen Landtages am 30. März 2010, TOP 4
Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren,
für die Deutsche Bahn steht derzeit nicht der Buchstabe „B“, sondern das „P“. „P“ wie Prestigeprojekte – erinnert sei an den Leipziger City-Tunnel und das neueste Projekt „Stuttgart 21“.
Weil diese Projekte aber Unmengen an öffentlichem Geld verschlingen, gibt es ein zweites und ein drittes „P“.  „P“ wie Probleme und „P“ wie Pannen.
Die Infrastruktur der Deutschen Bahn verfällt seit geraumer Zeit. Ihr Schienennetz ist baufällig, ihr Wagen sind hinfällig und ihr Fahrplan verspätungsanfällig.
Vor Weihnachten wurde auf der ICE-Strecke Berlin – Leipzig – München beispielsweise ohne Vorwarnung die Hälfte der Züge gestrichen. Die Mitte-Deutschland-Linie nach Thüringen und die Güterbahn nach Polen über Horka stehen trotz aller Versprechen auf der Streichliste. Nach dem Ausfall der Neigetechnik stellt die Bahn ihre Fahrpläne in aller Stille zum Nachteil der Reisenden um. Wichtige Knotenpunkte wie Glauchau und Reichenbach sind vom InterRegio-Express abgehängt. Die EU-Fahrgastrechte sind im Alltag auch von sächsischen Bahnkunden Makulatur.
Diese Zustände haben bisher weder lautstarken Protest noch erkennbares Engagement seitens der Sächsischen Regierung nach sich gezogen. Auf etliche Anfragen zu diesen Problemen erhielt ich stereotype Antworten, zusammengefasst:
1. Die sächsische Staatsregierung hält sich nicht für zuständig.
2. Die Bahn wird die Probleme schon irgendwann lösen.

Das Nichtreagieren der sächsischen Regierung hat die Bahn offenbar zu mehr ermutigt.
Das zeigte sich mit ihren Überlegungen zum kommenden Fahrplan ab Dezember 2010: offenbar will Deutsche Bahn ihre internen Technikprobleme dazu nutzen, im Stillen gravierende Verschlechterungen des Fernverkehrsangebotes in Sachsen mit durchzupeitschen.
Sie erwägt die Einkürzung der letzten ICE-Strecken über sächsisches Territorium – Berlin-Leipzig-München und Dresden-Leipzig-Frankfurt. Der Stundentakt wird, wo es ihn noch gibt, weiter ausgedünnt; die Haltepunkte werden drastisch reduziert. Dabei ist eine Verbesserung der Bahnangebote nach den schleichenden Kürzungen der letzten Jahre dringend notwendig. Hingewiesen sei auf die Anbindung Dresdens nach Berlin, bei der die Direktverbindungen in den letzten 15 Jahren um ein Drittel reduziert worden sind.
Bis heute ist die Abbindung der Leipziger Bahnhöfe vom Fernverkehr nicht vom Tisch. Sie würde den zu teuren City-Tunnel faktisch zur Investitionsruine machen.
Bahnpolitik ist keine nette Unterhaltungsfahrt im Liegewagen
Meine Damen und Herren der Koalitionsfraktionen: Anstelle Sachsen wieder besser an den Fernverkehr anzubinden stehen wir von der Abbindung von Sachsen an den Fernverkehr.
Wo sind ihre angeblich so guten politischen Kontakte? Noch wenige Wochen vor der Landtagswahl hat Ministerpräsident Tillich öffentlich von der ICE-Anbindung von Chemnitz geträumt!
Bahnpolitik ist keine nette Unterhaltungsfahrt im Liegewagen. Dank ihrer Untätigkeit  verpassen sie die richtigen Weichenstellungen und landen sehr schnell auf dem Bummelzuggleis.
Es nun ist 2 Minuten vor zwölf – denn die Bahn wird erfahrungsgemäß Mitte April die Trassen für den kommenden Fahrplanwechsel bestellen und vorher über den neuen Fahrplan entscheiden.
Wir GRÜNEN wollen mit unserem heutigen Antrag in letzter Minute eine Offenlegung der Pläne der deutschen Bahn erreichen und der sächsischen Regierung in Zusammenarbeit mit den Nachbarländern klare Verhandlungsziele gegenüber Bund und Bahn aufgeben.
Ausdünnungen der derzeitigen Fernverkehrsangebote in Sachsen müssen vom Parlament klar abgelehnt werden. Sachsen braucht alle bisherigen Halte auf den Strecken Frankfurt/Main – Leipzig – Dresden sowie Berlin – Leipzig – München und mindestens auch die Beibehaltung der bisherigen Vertaktung.
Diese Strecken sind unverzichtbar. Verbindungen nach Norddeutschland, die wir schon über Berlin haben, sind kein Ersatz. Wir brauchen die gute Anbindung nach Frankfurt und Bayern mit sicheren Übergängen der Anschlüsse gerade aus den Regionen, die Bevölkerung verlieren.
Unverzichtbar, aber noch keineswegs gesichert ist die unverzügliche komplette Elektrifizierung der Strecke Reichenbach – Hof sowie bis dahin der unbefristete Erhalt der derzeitigen Verkehrsangebote mit deutlicher Qualitätsverbesserung der Angebote.
Für diese Maßnahme des vordringlichen Bedarfes des Bundesverkehrswegeplanes sind Mittel aus dem Konjunkturpaket II vorgesehen die bis Ende 2011 abfließen müssen. Jetzt, im März 2010, ist nach Aussage der Bundesregierung immer noch keine Finanzvereinbarung für diese Investitionsmaßnahme unterzeichnet!
Als Perspektivziel brauchen wir in Sachsen tagsüber eine stündliche Vertaktung von Bahnfern- und Bahnnahverkehr an allen wichtigen Knotenpunkten Sachsens. (integraler Taktfahrplan).
Nur so erreichen wir gute Umsteigebeziehungen zum Nahverkehr außerhalb der Ballungsräume.
Nur so wird der öffentliche Verkehr attraktiv und leistet einen Beitrag zum Klimaschutz.
Und nur so setzen wir die öffentlichen Gelder im Bahnverkehr effektiv ein!