Jahresbericht 2015 des Sächsischen Ausländerbeauftragten − Zais: Mackenroth gelingt es nicht, ein eigenes Profil zu entwickeln
Redebeitrag der Abgeordneten Petra Zais zum Jahresbericht 2015
des Sächs. Ausländerbeauftragten (Drs 6/6894)
43. Sitzung des 6. Sächsischen Landtags, 9. November 2016, TOP 11
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Damen und Herren,
vielen Dank für Ihren Vortrag und den Bericht, Herr Mackenroth,
ausdrücklich loben möchte ich Sie für die Darstellung einer Vielzahl von Flüchtlingsinitiativen im Bericht, die stellvertretend für Tausende Ehrenamtliche in Sachsen stehen. Diese Wertschätzung und Anerkennung ist wichtig, gerade in einer Zeit, in der sich auch Kälte und Gleichgültigkeit ausbreiten.
Während der Jahresbericht 2014 noch von Herrn Gillos Handschrift geprägt war, fällt der Bericht 2015 vollständig in Ihren Verantwortungs- und Handlungsbereich. Und ich muss gestehen: das fällt auf – obwohl Sie auf der gleichen gesetzlichen Grundlage tätig waren wie Ihr Vorgänger.
Sie werden sicher nachvollziehen können, dass wir ihren Bericht anhand der im Gesetz über den sächsischen Ausländerbeauftragten in § 3 formulierten Aufgaben und Befugnisse bewerten.
In § 3 Absatz 1 heißt es dazu:
Der Ausländerbeauftragte wird nach pflichtgemäßem Ermessen aufgrund eigener Entscheidung tätig.
Zum Weltflüchtlingstag am 15. Juni 2015 formulierten Sie in einer auch im Bericht zitierten PM, dass es derzeit kaum möglich sei, traumatisierten Flüchtlingen eine erste sozialpsychatrische Behandlung anzubieten und forderten deshalb, diese Hilfen zu strukturieren und auszubauen. Wie weit ist das Traumanetzwerk wirklich gediehen und was ist noch zu leisten? Leider keine Antwort.
Er kann vom Staatsministerium des Innern und den sächsischen Ausländerbehörden Auskunft und Akteneinsicht verlangen. Die Antwort auf die Frage, wie oft Sie das getan haben und mt welchem Ergebnis bleiben Sie in diesem Bericht schuldig.
Im § 3 Absatz 2 können wir lesen:
Der Ausländerbeauftragte erstattet dem Landtag einen jährlichen Bericht zur Situation der im Freistaat Sachsen lebenden Ausländer. Er kann dem Landtag jederzeit Einzelberichte vorlegen. Auf Anforderung des Landtages hat er diesem besondere Berichte vorzulegen.
Dann frage ich mich natürlich, ob der nun vorgelegte Bericht der Bericht zur Situation der im Freistaat lebenden Ausländer sein soll? Wohl eher nicht, denn zur Lage von Ausländerinnen und Ausländern findet sich in diesem Bericht herzlich wenig. Allenfalls im Anhang habe ich eine Aneinanderreihung statistischer Angaben entdeckt, die aber weder kommentiert noch sonst wie ausgewertet wurden. Kommt der Lagebericht noch, Herr Mackenroth?
§ 3 Absatz 3 gibt ihnen das Recht, Stellungnahmen und Empfehlungen zu Gesetzentwürfen ausländerrechtlichen Inhalts abzugeben. Auch beim Erlass von Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften, die die Rechte und Pflichten der Ausländer in Sachsen maßgeblich berühren, sollen sie angehört werden.
Dazu, wie oft Sie für diese Aufgabe in Anspruch genommen wurden, werden im Bericht keine Angaben gemacht. Ich kann nur zu zwei Vorhaben, die sich aktuell im Gesetzgebungsverfahren befinden, feststellen:
Mit einem davon, dem Ausreisegewahrsamsvollzugsgesetz haben Sie offenbar gar kein Problem. Das haben Sie zumindest in Ihrer Stellungnahme zum Ausdruck gebracht. Sogar der Datenschutzbeauftragte sieht das anders.
Er hat kritisch angemerkt, dass der Gesetzentwurf hinsichtlich der Klarheit der Normen für die Adressaten – das sind nicht nur die Bediensteten in der Ausreisegewahrsamsvollzugseinrichtung sondern auch die Menschen, die dort für vier Tage festgehalten werden dürfen, völlig unverständlich ist. Herr Mackenroth, das hätte doch auch Ihnen auffallen müssen!
(Ausschluss Vorverfahren Altersfeststellung bei UmA/Landesjugendhilfegesetz)
Inwiefern Sie in Petitionsangelegenheiten zu Rate gezogen wurden, so wie es § 3 Absatz 4 vorsieht, kann ich auch nicht Ihrem Bericht entnehmen. Das gleiche gilt für Absatz 5. Darin heißt es, dass Sie Bitten und Beschwerden entgegennehmen. Im Abschnitt Einzelfallbearbeitung (s. 131) gehen Sie kurz auf den angestiegenen Beratungsbedarf ein. Wie viele Anfragen bei Ihnen eingegangen sind, welche Rückschlüsse sich daraus auf die Lage der Ausländer in Sachsen ziehen lassen – auch hier bleiben Sie die Antwort schuldig.
Wir erfahren auch nichts darüber, inwiefern Sie von der Möglichkeit Gebrauch gemacht haben, vorgetragene Sachverhalte als Petition an den Präsidenten des Landtags weiter zu leiten.
Jetzt komme ich zum vorletzten Abschnitt. Dieser betrifft die Frage nach Benachteiligungen von Ausländerinnen und Ausländern in Sachsen. Auch darüber erfahre ich nichts, aber auch gar nichts! Wie sieht es denn aus mit struktureller Benachteiligung von „Ausländerinnen und Ausländern“ auf dem sächsischen Arbeitsmarkt? Welche Partizipationsmöglichkeiten haben Ausländerinnen und Ausländer in Sachsen? Warum sind Ausländerbeiräte nicht verpflichend für die Kommunalvertretungen? Wie sieht es aus in unseren Schulen – geht es dort diskriminierungsfrei zu? Welche Perspektiven bieten wir Jugendlichen, die nicht mehr im schulpflichtigen Alter sind und trotzdem erhebliche Bildungsrückstände haben? Welche Erkenntnisse haben Sie über die Verletzungen von Rechten von „Ausländerinnen und Ausländern“ in Sachsen?
Wenn ich die im Anhang befindlichen statistischen Daten zu Rate ziehe (insbesondere S. 193 ff.), erfahre ich zwar, wie viele zugewanderte Menschen straffällig geworden sind. Das nimmt relativ breiten Raum ein. Ich erfahre aber nicht, wie oft zugewanderte Menschen Opfer von rassistisch motivierten Straftaten geworden sind. Hier ist eine nicht zu toleriende Blindstelle in Ihrem Bericht, die ich – bei allen unterschiedlichen politischen Auffassungen – so nicht von Ihnen erwartet hätte. Es ist enttäuschend, dass der sächsische Ausländerbeauftragte dazu in seinem Bericht schweigt.
Die Seiten 34f. widmen sich der parlamentarischen Arbeit.
„In den Plenardebatten des Jahres 2015 im Sächsischen Landtag schlugen sich die Herausforderungen durch den Zustrom von Asylsuchenden und die Reaktionen der Bevölkerung nieder.“ Alsdann folgt eine Aufzählung von parlamentarischen Initiativen, nicht etwa aller Fraktionen, nein, der Schwerpunkt liegt auf der Darstellung der Initiativen der Regierungsfraktionen.
Der geneigte Leser und die Leserin könnte den Eindruck gewinnen, nur CDU und SPD seien aktiv gewesen. Das ist eine absolute Verzerrung der Realität. Neben dem einzigen genannten GRÜNEN Antrag haben Sie vier weitere Initiativen im Bereich Asyl, Rassismus, Integration, die im Plenum debattiert wurden, einfach unterschlagen. Für den Bericht für das Jahr 2016 fordern wir deshalb eine differenziertere Darstellung. Schließlich sind Sie nicht der Beauftragte der Regierungsfraktionen, sondern des gesamten Landtags. Emanzipieren Sie sich!
Auf S. 118f. beschreiben sie die Fortentwicklung des Heim-TÜVs zum Qualitätsmanagement. In die Betrachtung sollen demnach auch die Ausländerbehörden und die Bedingungen der dezentralen Unterbringung einbezogen werden. Was bisher tatsächlich dabei herausgekommen ist? Auch diese Frage bleibt leider offen.
Auf den Seiten 129f. wird die Arbeit der Sächsischen Härtefallkommission vorgestellt. Seit dem 30. Januar 2015 sind Sie deren Vorsitzender. Auffallend ist, dass aus den 9 eingegangenen Härtefallanträgen nur 4 Härtefallersuchen resultierten, also weniger als die Hälfte schafften es zum Innenminister. Das war in den vergangenen Jahren entschieden anders. Können Sie erklären, woran das liegt? Ich finde auch nichts auf die Frage, wie viele an Sie gerichtete Anträge zur Befassung der Kommission Sie bereits als Vorsitzender ablehnten (§ 4 Abs. 1 und 2 SächsHFKVO)?
Die Härtefallkommission ist Ihnen als Instrument auch für die Auslotung von Ermessensspielräumen zur Hand gegeben. Was ist dieses Instrument wert, wenn es als ein Instrument der Abwehr gehandhabt wird? Viele Freundinnen und Freunde in Initiativen, die sich für Bleiberechte von – oft gut integrierten – Ausländerinnen und Ausländer stark machen, sagen mir, dass es hoffnungslos ist, sich an Sie zu wenden. Was soll ich darauf antworten und was ist das für eine Botschaft?
Sehr geehrter Kollege Mackenroth, sie sind angetreten mit dem Anspruch, ein eigenes Profil zu entwickeln. Zu konstatieren bleibt, dass es Ihnen leider bisher weder gelungen ist, die großen Fußstapfen ihres Vorgängers auszufüllen, noch ausreichend eigene Duftmarken zu setzen.
Für unsere Fraktion ist der Bericht nicht unerwartet enttäuschend. Eine Zustimmung schließt sich deshalb für uns aus.