Jennerjahn: Im Weltbild der Nationaldemokraten kommen Menschenwürde und Gleichheit an Rechten nicht vor
Redebeitrag des Abgeordneten Miro Jennerjahn zum Antrag der Fraktion NPD „Gender Mainstreaming – Strategie stoppen – sächsische Familien fördern – Familienkompetenz herstellen“ in der 12. Sitzung des Sächsischen Landtages am 31. März 2010, TOP 10
Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
das Heldentum der NPD besteht ja in der Regel darin, dass man erstmal einen Popanz aufbaut, um dann mit großem Pathos dagegen in die Schlacht zu ziehen. Jetzt heißt das Schreckgespenst „Gender Mainstreaming“.
Laut NPD-Mitteilung handelt es sich bei Gender Mainstreaming um eine Ideologie, die ihren Ursprung im – ich zitiere – „gesellschaftszersetzenden Neomarxismus hat“. Und in der 9. Sitzung des Landtages am 10. März hat der Abgeordnete Jürgen Gansel mit Bezug auf Gender Mainstreaming von der „Schaffung künstlicher Geschlechteridentitäten“ gefaselt.
Klingt ja fast so, als ob die NPD einer Wahnsinnsverschwörung von Karl Marx und Doktor Frankenstein auf der Spur ist.
Was bedeutet Gender Mainstreaming aber tatsächlich? Wir können uns auf die Definition konzentrieren, der unter anderem die Staatsregierung folgt. Demnach bedeutet Gender Mainstreaming, ich zitiere: „bei allen gesellschaftlichen Vorhaben die unterschiedlichen Lebenssituationen und Interessen von Frauen und Männern von vornherein und regelmäßig zu berücksichtigen“.
So weit, so unerträglich für die Sexisten von der NPD. Denn was die NPD als ihr „lebensrichtiges Menschenbild“ anpreist, ist in Wirklichkeit der vulgärste Biologismus, also die Auffassung, dass die gesellschaftliche Rolle eines Menschen eins zu eins biologisch festgelegt zu sein hat. Und in diesem Weltbild kommen Menschenwürde und Gleichheit an Rechten eben nicht vor.
Wenn die Herren Nationaldemokraten mal einen Blick aus ihrem geistigen Karnickelstall heraus werfen könnten, würde ihnen vielleicht auffallen, dass der Clou am Gender Mainstreaming der ist, dass die Bedürfnisse beider Geschlechter berücksichtigt werden – es geht also auch um die Belange benachteiligter Jungs, meine Herren!
Das wäre doch eigentlich was für Sie, könnte man meinen! Aber andererseits stellt sich natürlich die Frage: Wo wäre die NPD, wenn es keine benachteiligten Männer gäbe? Und zwar solche, die sich auch noch einbilden, anderen Menschen – nicht nur, aber z.B. auch allen Frauen dieser Welt – überlegen zu sein. Diese armseligen Gestalten sind es, deren Weltbild die NPD hier bedienen möchte.
Was wir in diesem Zusammenhang getrost vergessen können, ist der Versuch der NPD, zu suggerieren, dass dieser Antrag irgendwas mit neuen Erkenntnissen aus der Sitzung des Sozialausschusses zu tun hat. Genau denselben Quark wie heute hat die NPD nämlich bereits Anfang 2009 beantragt, und damals schon hat man lediglich einen Antrag der Kameraden in Mecklenburg-Vorpommern von 2008 nachgeahmt.
Dass es sich bei der „Familienkompetenz“, die die NPD fördern möchte, um denselben Stuss handelt, der heute im „Ring Nationaler Frauen“ und früher im „Bund Deutscher Mädel“ gepredigt wird und wurde, muss man nicht näher erläutern. Es sind olle Kamellen, die alte abgestandene Ideologie der Ungleichheit.
Da hilft auch die in der Antragsbegründung aufgestellte Behauptung nichts, dass im Grundgesetz angeblich ein traditioneller Familienbegriff zu finden sei. Das wäre aber auch zuviel verlangt, dass die NPD sich im Grundgesetz auskennt. Also, insbesondere für die Möchtegern-Familienväter von der NPD zum Hinter-die-Ohren-Schreiben ein kleiner Auszug aus dem Grundgesetz:
„Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“
So steht’s im Grundgesetz.
Damit hat der Antrag der NPD sich ja wohl erledigt.