Jennerjahn: Insgesamt wäre bei der Neustrukturierung der SGB II mehr Mut nötig gewesen

Redebeitrag des Abgeordneten Miro Jennerjahn zur Aktuellen Debatte der Fraktion CDU und FDP „Regionale Arbeitsvermittlung wird gestärkt – ein sächsischer Erfolg“ in der 12. Sitzung des Sächsischen Landtages am 31. März 2010, TOP 1
Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
ich weiß nicht, wer von Ihnen die Fernsehserie Ally McBeal kennt, aber einer der Protagonisten dieser Serie hat mal den schönen Satz geprägt – ich zitiere – „ich neige zur Redundanz, außerdem wiederhole ich mich“.
Ein wenig habe ich mich an diesen Satz erinnert gefühlt, als ich den Titel dieser Aktuellen Debatte las. Nachdem die SPD vor drei Wochen in der 9. Plenarsitzung einen Antrag zur Thematik Neuordnung des SGB II eingebracht hat und sich dafür vom Kollegen Krauß von der CDU anhören musste, es sei überflüssig das zu thematisieren, weil die Weichen auf Bundesebene gerade gestellt würden, ist es nun also die CDU selbst, die das Thema auf die Tagesordnung setzt.
Aber nun gut. Was bedeutet die Einigung zur Neustrukturierung des SGB II? Zunächst einmal freuen wir uns, dass nun eine Grundgesetzänderung greifbar nahe ist, um die Zusammenarbeit von Arbeitsagenturen und Kommunen auf eine rechtlich solide Grundlage zu stellen.
Da die GRÜNEN die Ersten waren, die sich nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil vom 20. Dezember 2007 für eine Grundgesetzänderung stark gemacht haben, freuen wir uns, dass sich nun auch die Volksparteien dazu durchringen konnten, diesen Weg zu gehen. Positiv ist auch, dass die bisher 69 Optionskommunen nun die Gewähr haben, über den 31.12.2010 hinaus arbeiten zu können.
Es gibt aber nicht nur positive Seiten bei dieser Einigung. Insgesamt wäre mehr Mut nötig gewesen. Echte Wahlfreiheit für die Kommunen sich für ein Trägerschaftsmodell zu entscheiden wurde nicht geschaffen. Lediglich eine Ausweitung der Zahl der Optionskommunen von 69 auf 110 wurde vereinbart. Hier wird sich zeigen, ob diese Begrenzung zu neuerlichen Klagen gegen den Trägerschaftskompromiss führt.
Ein zweiter Kritikpunkt: Das geforderte 2/3-Quorum auf kommunaler Ebene ist eine sehr hohe Hürde und greift zudem tief in die kommunale Selbstbestimmung ein. Insofern muss ich Ihnen da ein wenig Wasser in den Wein schütten, wenn Sie im Debattentitel formulieren, die regionale Arbeitsvermittlung sei gestärkt worden. Zumindest ein Fragezeichen muss ich dahinter setzen.
Was sich mir nicht so richtig erschließt ist die Regelung, dass Kommunen zwei Zeitfenster zur Antragstellung haben, wenn sie mit Gedanken spielen zu optieren. Einmal bis zum Ende des Jahres 2010 um zum Januar 2012 zugelassen zu werden und einen Zeitraum in der zweiten Jahreshälfte 2015, um zum 1. Januar 2017 zugelassen zu werden.
Wenn nun schon eine Höchstzahl an Optionskommunen festgeschrieben wird, warum wurde dann nicht eine klare Antragsfrist benannt? Vielleicht kann die Staatsregierung ja hier ein wenig Licht ins Dunkel bringen.
Aber die geplante Neustrukturierung des SGB II hat auch Auswirkungen für den Freistaat. Seit der Kreisgebietsreform 2008 haben wir ja Landkreise die z. T. mehrere Organisationsmodelle auf ihrem Kreisgebiet vereinen. Natürlich haben diese Landkreise die Möglichkeit die Option auf den gesamten Landkreis auszudehnen. Aber es stellt sich die Frage wie dieser Übergang organisiert wird. Zu diesem Thema würde ich mir ebenfalls ein paar Worte der Staatsregierung wünschen, ob es da bereits Ideen gibt und wie den Kommunen diesbezüglich gegebenenfalls Unterstützung zukommen wird.
Abschließend kann ich nur die Hoffnung äußern, dass die CDU diesmal zu ihrem Wort steht. Eine Reform des SGB II ist im vergangenen Jahr an der CDU gescheitert. Insofern ist auch der Jubel-Titel, den Sie für diese Aktuelle Debatte gewählt haben, nicht gerechtfertigt. Wenn man jemanden vom Fahrrad schubst, sollte man sich hinterher nicht dafür feiern, dass man dem gestürzten Radfahrer auf die Beine geholfen hat.