Johannes Lichdi: Dienststelle des Datenschutzbeauftragten nicht als öffentliche Anstalt ausgestalten!

Redebeitrag von Johannes Lichdi zum Gesetzentwurf der Linksfraktion "Gesetz zur rechtlichen und institutionellen Garantie der unabhängigen Ausübung der Datenschutzkontrolle im Freistaat Sachsen" (Drs. 5/7136), 73. Sitzung des Sächsischen Landtages, 17. April 2013, TOP 3

– Es gilt das gesprochene Wort –
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Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
1. Jedermann und jedefrau weiß, dass uns als GRÜNEN die Stärkung der Unabhängigkeit des Sächsischen Datenschutzbeauftragten stets am Herzen lag und liegt. Tatsächlich gibt es in Sachsen Handlungsbedarf.
Wir sehen zum einen die Notwendigkeit, den Datenschutzbeauftragten gegenüber der CDU-geführten Staatsregierung zu stärken. Ich erwähne hier als ein einschneidendes, aber längst nicht einmaliges Ereignis das Beispiel Handygate und die Versuche, den Datenschutzbeauftragten persönlich und fachlich zu diskreditieren.
Zum anderen schwächt die von Schwarz-Gelb veranlasste personelle Unterausstattung des Datenschutzbeauftragten die Kontrolltätigkeit gerade im nicht-öffentlichen Bereich.
2. Die LINKE schlägt nun in ihrem Gesetzentwurf vor, die Dienststelle des Datenschutzbeauftragten als öffentliche Anstalt auszugestalten. Dieser Gesetzentwurf lenkt nach unserer Einschätzung jedoch von den eigentlichen Gefahren für die Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten im Freistaat ab und schafft neue, gefährlichere Abhängigkeiten.
Der Gesetzentwurf der LINKEN beschränkt sich auf strukturelle Änderungen, was übrigens auch Dr. Thilo Weichert, Leiter des Unabhängigen Landeszentrums in Schleswig-Holstein – DAS Vorbild für die Vorschläge der LINKEN – in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 24. Januar 2012 kritisiert. Wir GRÜNEN wollen die Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten in erster Linie durch eine Verbesserung seiner Personalsituation stärken. Wir bedauern es sehr, dass der von uns in den Haushaltsverhandlungen vorgeschlagene und gegenfinanzierte Stellenzuwachs abgelehnt wurde.
Darüber hinaus müssen die materiellen Datenschutzregeln entsprechend einer Entschließung der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder angepasst werden, insbesondere geht es um die Erweiterung des Schutzziels um das Grundrecht auf Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme. Oder auch – wie von uns bei der letzten Novellierung des Datenschutzgesetzes vorgeschlagen – um eine Verbesserung der Regelungen zur Videoüberwachung.
Der vorliegende Gesetzentwurf bringt uns diesen Zielen nicht näher.
3. Auch in Kenntnis der neuesten europarechtlichen Entwicklungen und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu Artikel 28 der geltenden EU-Datenschutzrichtlinie, werden wir dem Gesetzentwurf nicht zustimmen und zwar aus demokratischen und rechtsstaatlichen Gründen. Wir halten die organisatorische Anbindung an den Landtag nicht generell von Übel, welches abzustellen wäre, koste es was es wolle. Wir sehen hier Nachbesserungsbedarf im Detail, insbesondere wenn es um Personaleinstellungen geht: Es geht nicht an, dass dem Datenschutzbeauftragten nur ein beschränkter Personalpool zur Verfügung steht und er gezwungen ist, allein auf Leute aus den Ministerien zurückzugreifen.
Es ist richtig, dass der EuGH klargestellt hat, dass "die Kontrollstellen jeder äußeren Einflussnahme, sei sie unmittelbar oder mittelbar entzogen sein müssen, die ihre Entscheidung steuern könnte". Dennoch schreibt der EuGH nicht das in Schleswig-Holstein praktizierte Modell eines Unabhängiges Landeszentrums für Datenschutz vor. Die LINKE (über-)erfüllt die Vorgaben, indem ausdrücklich eine Dienstaufsicht durch den Landtagspräsidenten mit Hilfe einer aufwändigen Strukturänderung ausgeschlossen werden soll, schafft aber damit das Risiko weit gefährlicherer Abhängigkeiten von den eigentlich zu Kontrollierenden.
Wir halten die Drittmittelabhängigkeit von Privaten für ein weit größeres Problem. Der Datenschutzbeauftragte machte in der Innenausschusssitzung auch darauf aufmerksam, dass es nicht sein könne, dass die Zertifizierung von Unternehmen und die Datenschutzkontrolle in einer Hand liegen können. Insoweit haben wir bei aller fachlicher Übereinstimmung und Anerkennung einen kritischeren Blick auf das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz.
4. Schließlich scheint es mir erforderlich etwas weiter auszuholen. Der Gesetzentwurf verkennt, dass in einer Demokratie alle Staatsgewalt vom Volke ausgehen muss, also letztlich durch freie, gleiche und geheime Wahlen legitimiert sein muss. Eine von dieser Legitimationsgrundlage "unabhängige Behörde" darf es nicht geben.
So schreibt etwa Lewinski richtig im Deutschen Verwaltungsblatt: "Soweit also Aufsichtsbehörden unabhängig gestellt werden, kann es sich immer nur um eine Unabhängigkeit von anderen Behörden oder staatlichen Institutionen handeln, niemals um eine Herauslösung aus dem demokratischen Kontext" (Zitat; v. Lewinski in einem Aufsatz in DVBl. 2013, S. 341).
Diese Bindung kann auch europarechtlich nicht aufgehoben werden. Und so sind die Entscheidungen des EuGH auch nicht zu verstehen: Die Forderung nach "völliger Unabhängigkeit" erfolgte im Verhältnis zur Regierung. So auch in der EuGH-Entscheidung vom 16.10.2012: Dort war das geschäftsführende Mitglied der österreichischen Datenschutzbehörde ein Beamter der Staatskanzlei, der weitreichenden Überwachungsbefugnissen ausgesetzt war. Eine völlig andere Ausgangslage.
Letztlich sieht der Gesetzentwurf der Linken anstatt der Aufsicht des Landes ja auch die Dienstaufsicht des Landtagspräsidenten vor. Dazu passt aber die Ausgestaltung als Anstalt nicht. Ich verstehe nicht, zu was die ganze Operation nütze sein soll.
5. Tatsächlich stärkt man den Datenschutzbeauftragten durch eine "Unabhängigkeit" gerade im nicht-öffentlichen Bereich, Stichwort Privatunternehmen und Soziale Netzwerke, nicht. Der ehemalige Datenschutzbeauftragte, Dr. Thomas Giesen, umschrieb das Problem in der Anhörung im Februar 2012 wie folgt:
"Der Datenschutzbeauftragte bezahlt seine Unabhängigkeit (im öffentlichen Bereich) mit seiner Zahnlosigkeit, dort wo er Exekutivgewalt hat – also als Owi-Behörde gegenüber Privaten. Es kann nicht angehen, dass er außerhalb eines exekutiven Legitimations- und Weisungsstrangs steht (S. 3 des Anhörungsprotokolls).
Wir halten dieses Modell daher zwar für ein gutgemeintes aber ungeeignetes Danaergeschenk an den Datenschutzbeauftragten und werden den Gesetzentwurf daher ablehnen.
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