Johannes Lichdi zur Energiedebatte: Es ist wirklich unglaublich, wie hier die Sächsische Staatsregierung sächsische Interessen verrät und nicht wahrnimmt
Redeauszüge des Abgeordneten Johannes Lichdi zur Aktuellen Debatte „Sichere, bezahlbare und saubere Energie für Sachsen“ in der 22. Sitzung des Sächsischen Landtages, 30.09., TOP 1
Es gilt das gesprochene Wort!
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Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Damen und Herren,
Bei diesem Debattentitel fragt man sich schon: Was soll das eigentlich? Diese Aktuelle Debatte funktioniert nach dem altbekannten Zastrow-Prinzip: Wir haben zwar nichts zu melden, loben uns aber mal kräftig und kleistern den Rest mit Ideologie zu.
Wenn Sie der Meinung sind, dass konservative Politik Atompolitik ist, dann gute Nacht für den Konservatismus in Deutschland. Dann ist der Regierungswechsel wirklich nicht mehr fern.
Das ist ein Skandal allererster Güte, was uns hier diese Schwarz-Gelbe-Chaostruppe in Berlin serviert. Die Schrottreaktoren, deren Laufzeit für 30 Jahre geplant war, sollen jetzt teilweise länger als 50 Jahre laufen. Dieser Geheimvertrag mit dem Sicherheitsrabatt, der Nachrüstungen auf 500 Millionen Euro beschränkt, ist unglaublich und eindeutig verfassungswidrig.
Meine Damen und Herren! Dass Sie es wagen, diese Brückenlüge hier noch einmal vorzutragen, ist unglaublich. Alle seriösen Gutachten – selbst das, was Sie selbst in Auftrag gaben – sagen aus, dass wir eine Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke nicht haben, um in die erneuerbare Zukunft zu starten. Nein, das Gegenteil ist richtig. Die Verlängerung der Laufzeiten bremst und soll- das ist Ihre politische Absicht – den Ausbau der erneuerbaren Energien bremsen.
Meine Damen und Herren! Jetzt muss ich Herrn Wirtschaftsminister Morlok einmal loben, denn eines hat er richtig erkannt: Er hat erkannt, dass es eine reine Atomvereinbarung ist und dass die geplante Abschöpfung von Frau Merkel und ihrem Parteigenossen Brüderle noch nicht einmal 50 Prozent erreicht.
Frau Merkel rennt durch das Land und sagt, wir schöpfen 60, 70, 80 % ab. Sie haben es erkannt“, vielen Dank, Herr Wirtschaftsminister. es seien nur 50 %. Das ist aber leider auch noch zu viel, wie die Studie des Ökoinstituts – da gebe ich gerne zu, dass ich der mehr glaube als Frau Merkel und auch Ihnen, Herr Morlok – sagt: Bestenfalls bekommen wir eine Abschöpfung von knapp 40 % hin. Ich denke, es wird wahrscheinlich im Endeffekt noch weniger werden, weil ganz klar ist, dass sich hier die Atomlobby ihr eigenes Konzept geschrieben hat.
Aber, meine Damen und Herren, was hat das Ganze energiepolitisch mit Sachsen zu tun? Meine Vorredner sind zu Recht darauf eingegangen. Es ist wirklich unglaublich, wie hier die Sächsische Staatsregierung sächsische Interessen verrät und nicht wahrnimmt und uns hier eine Aktuelle Debatte vorlegt, als ob sie einen großen Erfolg erzielt hätte oder als ob sie nur dabei gewesen wäre. Sie saß noch nicht einmal am Katzentisch, sie saß noch nicht einmal unter dem Tisch.
Nein, meine Damen und Herren, sehen wir uns das doch einmal genau an. Dieses Atomkonzept, der Streit innerhalb der Fossilindustrie, zwischen der Atomindustrie und der Fossilindustrie, ist entschieden, und zwar zu Gunsten der Atomindustrie. Die Braunkohle und die Steinkohle haben wirtschaftlich keine Chancen mehr. Das ist das Ergebnis dieses Konzepts. Sie müssen einfach nur die Meldungen lesen.
Haben Sie wahrgenommen, was Vattenfall macht, was Vattenfall plant, was in Schweden die politische Debatte ist? Vattenfall zieht sich aus Europa zurück. Sie sagen noch: Wir haben ja noch die Atomkraftwerke. Ja, in Norddeutschland. Die werden sie nach dem Atomkonzept weiter betreiben. Ich prophezeie Ihnen, spätestens ab dem Jahr 2013, wenn der EU-weite Emissionshandel greift, wird Vattenfall die ostdeutschen Braunkohlekraftwerke abschalten, und zwar aus wirtschaftlichen Gründen, weil es sich nicht mehr rechnet.
Dann stehen Sie nackt da und Ihre Rede vom Energieland Sachsen können Sie sich irgendwohin stecken.
Meine Damen und Herren! Ich möchte auf den letzten Punkt kommen — die
Braunkohlen-Debatte. Was ist denn jetzt hier genau passiert? Die süddeutschen Länder, in denen Atomkraftwerke stehen — Bayern, Baden-Württemberg und Hessen —‚ haben sich industriepolitisch einen massiven Vorteil für die nächsten 20 Jahre gesichert. Das, was Sie hätten tun sollen, nämlich hier für die ostdeutsche, die sächsische Fotovoltaik- und Windindustrie zu kämpfen, das haben Sie nicht getan!
Das heißt, was hier passiert, ist ein massiver industriepolitischer Nachteil des Ostens. Hier sollten Sie ihre Stimme erheben und nicht so tun, als ob sie für die Braunkohle irgendetwas erreicht hätten.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich nehme die von Herrn Heidan und jetzt auch im Versuch von Herrn Herbst aufgeworfene
volkswirtschaftliche und Subventionsdebatte gerne auf.
Sprechen wir doch einmal über die Zahlen! Wenn wir uns anschauen, wie viel bis jetzt in das halb illegale Endlager Asse geflossen ist, in das alte DDR-Lager Morsleben und in den Schacht Konrad in Gorleben, dann addiert sich das auf „schlappe“ 10 Milliarden Euro.
Wenn wir nun die externen Kosten, die die Atom-Mafia verursacht, auf den Kilowattstundenpreis umrechnen, dann wären wir bei einem Kilowattstundenpreis für Atomstrom von 2,70 Euro, und nicht von 3 Cent, wie Sie immer fantasieren.
Oder sprechen wir einmal von der Braunkohle, zu der Sie ja immer sagen, sie sei subventionsfrei. Das ist eine glatte Lüge. Sie sind einfach von tiefer Unkenntnis geprägt.
Die Braunkohle hat im Jahr 2008 bundesweit Subventionen direkter und indirekter Art in Höhe von 5 Milliarden Euro erhalten, davon allein 2 Milliarden Euro durch ersparte Emissionszertifikate. Das sind genau die Kosten, die die sächsische und die ostdeutsche Braunkohlenindustrie ab 2013 wird zahlen müssen und die ihnen wirtschaftlich das Genick brechen wird. Darüber sollten Sie sich Gedanken machen, wie wir als Sachsen als Energieland dastehen, wenn wir nicht auf die erneuerbaren Energien setzen, wie Sie es tun.
Sprechen wir einmal über die externen Kosten der Braunkohle. Vielleicht ist bei Ihnen schon angekommen: Die Braunkohle ist der klimaschädlichste Energieträger in der Welt mit einem ungefähren Ausstoß zwischen 950 und 1200 Gramm je produzierter Kilowattstunde. Das Umweltbundesamt nimmt seit zwei, drei Jahren an — Sie haben ja vielleicht einmal etwas vom Stern-Bericht gehört —: 70 Euro nicht internationalisierte externe Kosten je emittierter Tonne. 62 Millionen Tonnen werden wir im Jahre 2011 dank der ‚hervorragenden“ Politik der Vorgängerregierung mit Boxberg neu ausstoßen. Das sind „schlappe“ 4,3 Milliarden Euro, die wir in der sächsischen Braunkohlenpolitik an externen Kosten produzieren.
Das sind ungefähr knapp 5 Prozent des sächsischen Bruttoinlandproduktes, die Sie einfach mal so durch den Schornstein schießen. Darüber müssen Sie sich doch mal Gedanken machen. Aber da kommen Sie doch intellektuell offenbar nicht heran.
Dann sprechen wir über das Erneuerbare-Energien-Gesetz 2000 — ein großer Erfolg von Rot-Grün. Sie bekämpfen es bis heute. In Ihrem Energieprogramm von 2004, das Herr von Breitenbuch genannt hat, steht: Wir wollen das EEG abschaffen. Und heute stellen Sie sich hier hin und sagen: Ja, wir wollen in die erneuerbare Zukunft einsteigen. Wir brauchen leider nur noch die Brückentechnologie Atomkraft. — Das ist doch völlig unglaubwürdig.
Das Erneuerbare-Energien-Gesetz war die einzige Technologieförderung bisher in Deutschland, die von Anfang an degressiv ausgestaltet war und bei der die Degression auch eingehalten wird. Jetzt erzähle ich Ihnen mal etwas: Ich weiß ja nicht, wie oft Frau Kollegin von Schorlemer bei Ihnen in der Fraktion ist. Ich kann mir auch vorstellen, dass das nicht zu ihren vergnügungsteuerpflichtigen Terminen gehört. Jedenfalls haben wir uns am letzten Mittwoch bei der Eröffnung des Technologiecenters Solarworld in Freiberg getroffen. Dort sagte Herr Asberg, der Vorstandsvorsitzende, etwas total Spannendes. Er sagte im Grunde: Diese komische Atomdebatte interessiert mich überhaupt nicht. Ich werde im Jahr 2012 mit meinem Eigenstrom die Grid parity, also die Netzgleichheit, die Gleichheit im Strompreis, erreicht haben.
Im Jahr 2012 — das ist in zwei Jahren — interessiert ihn das gar nicht, und dann wird er den Markt aufrollen, und wir schauen dann einmal hin: Wie sieht es denn mit der angeblichen EEG-Umlage aus, die die Strompreise hochtreibt? Das ist auch eine glatte Lüge! Wenn Sie sich die Anteile ansehen, dann sind die Netzkosten und der unvollständige Wettbewerb zu drei Vierteln für den steigenden Strompreis für den Haushaltskunden verantwortlich. Nehmen Sie das doch einfach mal zur Kenntnis.
Herr Kollege Krauß hat im Grunde die Katze aus dem Sack gelassen: Sie sind mental immer noch auf dem Stand Ihres Energieprogramms aus dem Jahr 2004, als Sie noch Atomkraftwerke bauen und das Erneuerbare-Energien-Gesetz abschaffen wollten. Auf diesem Stand sind Sie noch. Wie anders ist es zu erklären, dass Herr Krauß gesagt hat: „Wir wollen fossile Energieträger und Atomkraftwerke. Erneuerbare Energien wollen wir als Ergänzung haben.“ Ich kann das überhaupt nicht nachvollziehen. Selbst Bundeskanzlerin Merkel hat mittlerweile verstanden, dass wir hier eine Klimakatastrophe haben. An Ihnen ist das offensichtlich total vorbeigegangen. Sie reden so, als ob wir noch im Jahr 2004 wären, als wir in diesen Landtag eingezogen sind.
Ich erinnere mich sehr gut. Ich stand hier vorn und sagte: Liebe Jungs und Mädels, wir haben ein Klimaproblem! Wir müssen etwas tun! — Die Vertreter der CDU-Fraktion haben darüber gelacht. Ich dachte eigentlich, wir seien mittlerweile weiter. Deswegen fand ich diese Debatte ziemlich spannend. Sie hat gezeigt, dass Sie die Fortschritte, die durchaus auch in dem Atomkonzept der Bundesregierung peripher vorhanden sind, noch nicht nachvollzogen haben, jedenfalls nicht mental.
– Röttgen allein zu Haus, genau. — Es ist für mich erschreckend, dass Sie nicht bereit sind, auch marktwirtschaftliche Erkenntnisse zur Kenntnis zu nehmen.
Herr Staatsminister, Sie haben das Thema CCS angesprochen; vor allem deshalb habe ich mich nochmals gemeldet. Wir haben sehr wohl beobachtet, wie der Ministerpräsident im Sommer eine Debatte — bezeichnenderweise in Hamburg — losgetreten hat. Er hat gesagt: Ja, wir wollen die CCS-Einlagerung, zur Not auch in Sachsen. — Wir alle haben uns gewundert: Was stellt er sich jetzt schon wieder vor? Bisher war uns unbekannt, dass es in Sachsen Gaslagerstätten gebe, die für CCS geeignet wären.
Wir haben alle möglichen geologischen Fragen an der TU Freiberg gecheckt. Es ist nichts gefunden worden. Vor zwei Wochen wurde die Zaubertüte enthüllt. Das LfUG hat festgestellt: Es gibt in Sachsen keine Lagerstätten!
Herr Staatsminister, kann es sein, dass Ihre Kehrtwende in der CCS-Frage — die Bundesregierung möge bitte dafür sorgen, dass die Länder Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern unseren sächsischen Klimadreck irgendwie ein lagern — daher kommt? Kann es sein, dass Sie hier eine Politik nach dem Sankt-Florians-Prinzip machen? Wollen Sie hier weiter die Braunkohlekraftwerke betreiben und das klimaschädliche CO2 ausstoßen, aber die Risiken den Leuten in Brandenburg und in Mecklenburg-Vorpommern vor die Haustür kippen?
Dann stellt unsere Fachbehörde fest, dass das in Sachsen gar nicht geht. In dem Moment ist Herr Staatsminister Morlok der Meinung: Schaffen wir unseren Dreck lieber nach Norddeutschland! Dann ist er aus dem Sinn.
Das ist nur ein Detail, aber es zeigt etwas ganz Wichtiges:
Erstens. Sie selbst rechnen nicht mehr damit, dass CCS funktioniert; sonst würden Sie dieses Thema nämlich ernsthafter behandeln.
Zweitens. Sie betreiben keine solidarische Energiepolitik. Deswegen kommen Sie auch mit den sächsischen Interessen bei Frau Merkel nicht weiter. Sie haben hier wortreich versucht, das schönzureden: „Wir haben ja unsere sächsischen lndustrieinteressen gewahrt.“ Das pure Gegenteil ist der Fall! Sie haben ein paar nette Braunkohlensätze, die nichts wert sind, in das Programm geschrieben. Ich sage Ihnen: Herr Schäuble hat so wenig Geld, dass er diese Energieprivilegien der Unternehmen beizeiten kassieren wird, wenn nicht in diesem Haushaltsgesetz, dann im nächsten.
Meine Damen und Herren! Die Staatsregierung versagt in der Energiefrage seit
Jahren. Sie versagt deshalb, weil sie schlicht und ergreifend falsch aufgestellt ist und auf die falschen Energieträger setzt.