Kallenbach: Herr Flath, Sie haben den Kopf zu tief in den Sand gesteckt und gehofft, der politisch aufgewirbelte Feinstaub legt sich wieder. Hat er aber nicht
Redebeitrag der Abgeordneten Gisela Kallenbach zum Antrag der Fraktionen CDU und FDP „Verhältnismäßigkeit von Umweltzonen gewährleisten – Umweltschutz und Interessen der Betroffenen in Einklang bringen“ in der 12. Sitzung des Sächsischen Landtages am 31. März 2010, TOP 6
Es gilt das gesprochene Wort!
Werte Kolleginnen und Kollegen,
wenn mir eines in meiner noch kurzen Amtszeit in diesem Haus aufgefallen ist, dann ist es die enge Verflechtung der Legislative und Exekutive.
Daraus schlussfolgere ich, dass nicht nur der vorliegende Antrag mit dem Kabinett abgestimmt ist. Ich reibe mir verwundert die Augen und schlussfolgere wiederum: Guten Morgen, werte Kollegen der Koalition, leider etwa 10 Jahre zu spät aufgewacht, um nunmehr Ihren Wissensdurst zu stillen.
Herr Flath, Sie sind doch lange genug im politischen Geschäft und sollten wissen, dass Richtlinien der EU Umsetzungsfristen enthalten. Die EU hat seit 1996 mehrere Richtlinien zur Luftqualität in Kraft gesetzt. Spätestens seit 1999 konnte sich das Land als Aufsichtsbehörde und die Städte sowie Unternehmen auf die nötige Einhaltung der Grenzwerte zum gesundheitlichen Schutz der Bürger vorbereiten.
Ich glaube, Sie haben den Kopf zu tief in den Sand gesteckt und gehofft, der politisch aufgewirbelte Feinstaub legt sich wieder. Hat er aber nicht.
Auch die Stickoxide haben ihn nicht erstickt. Geben Sie es zu: Sie haben es verschlafen.
Seit fast zwei Jahrzehnten ist das zuständige Umweltministerium fest in CDU-Hand, auch Herr Ministerpräsident wird sich erinnern! Es lag in der ministeriellen, fachlichen Verantwortung, alle diese nunmehr von Ihnen aufgeworfenen Fragen zu prüfen und noch besser: zu beantworten.
Als die Kommission mit dem Vertragsverletzungs-Verfahren drohte, entstand Panik auf Sachsens Titanic.
Vielleicht hätte es gut getan, dem Antrag meiner Fraktion im Dezember 2004 zur Reduzierung von Feinstaub zu folgen. Damals konnten wir nicht einmal Ihre Wissbegierde anstacheln – aussitzen, Augen zu und durch – Ausbaden müssen es heute nicht nur die Handwerker und Dienstleister- Dank CDU!
Keine Umweltzonen mit der FDP
Vielleicht hätten Sie sich auch etwas intensiver von Ihrem Kollegen, Herrn Staatsminister Morlok informieren lassen sollen. Er wusste doch wohl spätestens seit vergangenem Sommer wie Luftreinhaltung ohne die Einrichtung von Umweltzonen möglich ist.
Erinnern Sie sich nicht mehr an die Großplakate: „Keine Umweltzonen mit der FDP“? Nun aber klappt das nicht so einfach mit dem Wahlversprechen – das ist ja grundsätzlich nicht neu.
Angesichts der erfolglosen Klagen in Köln, Oberhausen, Hannover, in Berlin… habe ich mich gewundert, wie unrealistisch die FDP in die Zukunft schaut. Aber auch das ist nicht neu.
Jetzt wollen Sie sich berichten lassen, ob die Effizienz der Umweltzonen wissenschaftlich belegt ist. Das ist eine Beschäftigungsmaßnahme auf Kosten der Steuerzahler. Die Wirkung von Umweltzonen wird z.B. in Berlin und München wissenschaftlich begleitet. Die Ergebnisse sind öffentlich zugänglich.
Das Helmholtz Zentrum München schreibt: „Es ist eindeutig belegt, dass die Feinstaubbelas-tung im erwarteten Maße abgenommen hat.“
Auch die Kommission Luftreinhaltung im Verband Deutscher Ingenieure hat Umweltzonen als geeignet und wirksam bewertet.
Werte Koalitionskollegen, Sie rufen nach einem nachprüfbaren, gerichtsfesten Verfahren der Emissionsmessung. Das müssen Sie mir mal erklären: die Messstationen betreibt und verantwortet der Freistaat. Wenn jemand der Ansicht ist, dass da etwas nicht koscher ist, steht doch der direkten Einflussnahme und Veränderung nichts im Weg, oder?
Zweifeln Sie etwa an der fachlichen Expertise Ihrer Landesanstalt für Umwelt und Geologie, die ja z.B. die von Leipzig vorgeschlagenen Maßnahmen anstatt einer Umweltzone als unwirksam zurück gewiesen hat?
Sie meinen immer noch, dass Umweltzonen überflüssig sind, mit mehr Stadtgrün (bei gleichzeitiger Abschaffung von Baumschutzsatzungen!), mit Grüner Welle und Straßenwäsche. Leider kommt man damit den Stickoxiden nicht an den Kragen. Sie stammen zu 75 Prozent aus dem Verkehr. Reduzierung der Emissionen heißt der fachliche Rat.
Deshalb hätte der Antrag eigentlich lauten müssen:
Was tut die Staatsregierung, um die Städte dabei zu unterstützen, die Grenzwerte einzuhalten? Investiert sie in den ÖPNV, in Vermeidung von Verkehr? Gilt der Vorrang der Schiene vor der Straße?
Wie wäre es gewesen, durch frühzeitige Beteiligung der Wirtschafts- und Sozialverbände, der Öffentlichkeit besser vorbereitet zu sein?
Meine Damen und Herren von Staatsregierung und Koalitionsfraktion, Sie haben das Heft des Handelns in Ihrer Hand. Es gibt genug zu tun.
Den Inhalt dieses Antrages bezeichne ich allerdings als Nachhilfeunterricht für Klassenletzte und wenig geeignet, endlich mehr Gesundheitsschutz für die betroffenen Menschen umzusetzen.
Wir werden ihn daher ablehnen.