Karl-Heinz Gerstenberg: Die Koalition muss sich fragen: Was brauchen die Bibliotheken? und nicht: Was bietet die SLUB?

Redebeitrag des Abgeordneten Dr. Karl-Heinz Gerstenberg zum Gesetzentwurf "Änderung der Rechtsform der Sächsischen Landesbibliothek –
Staats- und Universitätsbibliothek (SLUB)“ (Drs. 5/11063), 69. Sitzung des Sächsischen Landtages, 30. Januar 2013, TOP 6

– Es gilt das gesprochene Wort –
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Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich muss gestehen, dass ich diesen Antrag beim ersten Lesen als ein Ärgernis empfunden habe.

Werte Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, Sie wollen die Staatsregierung beauftragen, die SLUB in einen Staatsbetrieb umzuwandeln und erwarten von uns  Zustimmung. Eine plausible Begründung dafür bieten Sie allerdings nicht an. Wie sollen wir als Parlament ohne ordentliche Grundlage entscheiden? Ein ganz wesentlicher Zwischenschritt fehlt nämlich: die Abwägung, ob ein Rechtsformwechsel überhaupt notwendig ist, um eine flexiblere Wirtschaftsführung zu erreichen. Unserer Meinung nach liegt die Entscheidung für den Staatsbetrieb keinesfalls auf der Hand.

Auch wir GRÜNE wollen der SLUB einen flexibleren Umgang mit den zur Verfügung gestellten Mitteln ermöglichen. Sie soll Investitionsrücklagen bilden und neue Geschäftsfelder langfristig entwickeln können. Insbesondere bei den Anstrengungen im Zuge der Digitalisierung ist das notwendig.

Aber warum nun dieser Wechsel zum Staatsbetrieb? Die SLUB ist eine Anstalt des öffentlichen Rechts. Sie sagen, in einem Staatsbetrieb kann Sie flexibler wirtschaften, weil sie dann nicht mehr an die Kameralistik gebunden ist. Sie vermischen hier jedoch Rechtsform und Rechnungswesen. Die Vorschriften können auch im Rahmen der bestehenden Rechtsform geändert werden, das lässt die Sächsische Haushaltsordnung zu, das Finanzministerium muss allerdings wollen. Beispielsweise arbeiten die Universitätsklinika als Anstalten öffentlichen Rechts nach kaufmännischen Grundsätzen. Auch diese Rechtsform gibt also eine umfassende Flexibilisierung her.

Nun ist die Umstellung auf das Neue Steuerungsmodell in der SLUB ja längst in vollem Gange. Staatsministerin von Schorlemer hatte bereits in ihrer Stellungnahme vom Mai 2011 von der Umstellung auf das NSM-Basiscontrolling berichtet, das war die erste Ausbaustufe. Seit 2012 werden die Schritte zu einer umfassenden Budgetierung gegangen. Und auch die Umgestaltung zum Staatsbetrieb ist bereits in Vorbereitung. Vielleicht brauchen Sie von den Koalitionsfraktionen den heutigen Antrag auch nur, um sich wieder einmal selbst auf die Schultern zu klopfen.

Werte Kolleginnen und Kollegen, in einem sind wir uns allerdings einig: Es muss sehr wohl das SLUB-Gesetz novelliert werden, insbesondere um die in § 5 festgezurrte Haushaltsplanbindung zu lockern und die umfassende Budgetierung zuzulassen. Außerdem ist durch die Abkehr vom engen Stellenplanprinzip mehr Flexibilität beim Personaleinsatz möglich, vor allem bei der Nachwuchsförderung und Einstellung junger Fachkräfte.

Wir stellen uns nicht prinzipiell gegen einen Staatsbetrieb, da die staatlichen Steuerungsmöglichkeiten erhalten bleiben würden. Aber handelt es sich hier um eine von der Sächsischen Haushaltsordnung vorgesehene „betriebs- oder erwerbswirtschaftlich ausgerichtete Tätigkeit“?

Was wird aus den besonderen Vorteilen der aktuellen Rechtsform: Die SLUB gibt sich selbst eine Satzung. Ein Staatsbetrieb erhält eine Satzung vom Ministerium. Ergeben sich hier eher Nachteile für die Selbststeuerung der SLUB?

Und was bedeutet die Rechtsform Staatsbetrieb für die SLUB als  Sonderkonstruktion, die einerseits Aufgaben als Landesbibliothek und Staatsbibliothek, andererseits Aufgaben als Hochschulbibliothek der TU Dresden erfüllt? Bleibt der gleichberechtigte Einfluss der TU Dresden bestehen, so wie er jetzt geregelt ist?
Werte Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, Sie sehen: Ihr Antrag wirft mehr Fragen auf, als er beantwortet. Hier erwarten wir von Ihnen Aussagen zu den Konsequenzen einer Umstellung!

Liebe Kolleginnen und Kolleginnen,
der Antrag sieht weitere gesetzliche Regelungen vor. Auch hier wäre eine stichhaltige Begründung erforderlich gewesen. Unklarheit besteht beim Punkt „Service- und Koordinierungsaufgaben für Bibliotheken und Informationseinrichtungen in Sachsen". Wir GRÜNE sehen die bisherige Zusammenarbeit mit den öffentlichen Bibliotheken sehr positiv, insbesondere die Fortbildungskoordination und die Digitalisierungsdienste. Wir wissen aber auch, dass die Bibliotheken in Sachsen als Bildungsorte noch ganz andere Unterstützung brauchen, als sie die SLUB bieten kann. Hier leistet die Landesfachstelle für Bibliotheken seit Langem eine kompetente und von den Fachleuten hochgeschätzte Arbeit, gerade diese wird aber strukturell immer mehr ins Abseits gestellt.

Was ist eigentlich aus Ihrer Ankündigung geworden, Frau Fiedler, dass Sie die Situation für das gesamte sächsische Bibliothekensystem über das SLUB-Gesetz verbessern wollen? Dann müssten sie doch ganz anders herangehen. Sie müssten fragen: Was brauchen die Bibliotheken? und nicht: Was bietet die SLUB?

Zum vorliegenden Antrag kann ich nur sagen: Wir GRÜNE werden einem Rechtsformwechsel nicht blind zustimmen, ohne dass das Parlament die verschiedenen Handlungsmöglichkeiten sorgfältig beraten hat. Käme der Antrag von der Opposition, dann würden Sie sagen: Dafür gibt es doch den Ausschuss und die Anhörung. Recht hätten Sie und deshalb werden wir uns enthalten.

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