Karl-Heinz Gerstenberg: Jedem Kind ein Instrument? Wir stimmen zu!
Redebeitrag von Dr. Karl-Heinz Gerstenberg zum Antrag " Jedem Kind ein Instrument – …" (Drs. 5/11318), 74. Sitzung des Sächsischen Landtages, 18. April 2013, TOP 4
– Es gilt das gesprochene Wort –
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Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
alle Rednerinnen und Redner in dieser Debatte sind wahrscheinlich davon überzeugt, dass kulturelle und musische Bildung ein sehr wichtiges Anliegen ist und dass der Ansatz des Projektes „Jedem Kind ein Instrument“, bei dem Musikschulangebote mit dem schulischen Unterricht zusammengehen, Unterstützung verdient. Wir GRÜNE unterstützen die Weiterentwicklung und den Ausbau nach einer erfolgreichen Einführungsphase ausdrücklich. Dabei kommt es auf eine qualitativ gute und nachhaltige Umsetzung und entsprechende Rahmenbedingungen an. Die Antragsformulierung zur Konzeptentwicklung verstehen wir in diesem Sinne und werden deshalb dem Antrag zustimmen.
Vor diesem Hintergrund will ich einige Fragen ansprechen, die aus unserer Sicht für die Weiterführung wichtig sind. Für entscheidend halte ich die Frage, ob wir die Pilotphase von JeKi lediglich verlängern oder ob wir den Schulen die Chance geben, die Heranführung an den Instrumentalunterricht als funktionierendes Standardangebot zu machen. Der Weg dahin führt über eine genaue Analyse. Dabei geht es nicht nur um die Details der Umsetzung, sondern darüber hinaus um die Frage, ob der eigentliche Zweck des Projektes erfüllt wird.
Ein zentrales Ziel von JeKi ist das Heranführen von Kindern an das Musizieren, auch und gerade von den Kindern, deren Eltern dies nicht von sich aus ermöglichen oder ermöglichen können. Das ist eine der größten Herausforderungen. Die bisherigen Ergebnisse zeigen, dass wir ihr noch nicht gerecht werden.
Die Eltern sind also eine wichtige Zielgruppe des Projektes. Die Arbeit mit ihnen muss organisatorisch und methodisch besser berücksichtigt werden. Ich denke da zum Beispiel an spezielle Elternabende und die Aufklärung der Situation zu Hause. Und falls das Üben zu Hause nicht möglich ist, muss es auch in der Schule stattfinden können.
Bei den beteiligten Lehrkräften, Direktoren und Eltern schneidet das Projekt insgesamt sehr positiv ab. Folgerichtig wollen die meisten Eltern den Instrumentalunterricht ihrer Kinder nach der Teilnahme weiter fördern. Nun zeigt aber gerade dieser Erfolg von JeKi die Probleme der musischen Bildung in Sachsen. In den Thesen des Verbandes deutscher Musikschulen, Landesverband Sachsen, zu JeKi heißt es: "Ziel muss es sein, bei allen Kindern ein echtes, nachhaltiges Bedürfnis nach Musik zu wecken." JeKi kann aber nicht nachhaltig wirken, wenn das einmal geweckte Interesse am Musizieren gleich wieder abgeschreckt wird, weil sich gerade für die begehrten Instrumente und in den Großstädten an den Musikschulen lange Wartelisten auftürmen.
Die daraus folgenden Konsequenzen für eine „zielführende“ Fortführung des Projektes können wir schon heute diskutieren, ohne bis zum Herbst auf die Konzeption der Staatsregierung zu warten. Sie betreffen auch das Gesamtsystem und damit das Kernangebot der Musikschulen in Sachsen. Die Anzahl der kooperierenden Grundschulen kann vielleicht noch mit überschaubarem Einsatz angehoben werden. Aber auch das wird nicht einfach, denn bisher waren es nur 44 Schulen. Zum Vergleich: Im – nach Einwohnern natürlich viermal größeren – Jeki-Mutterland Nordrhein-Westfalen sind es in diesem Schuljahr beeindruckende 634 Grundschulen und 26 Förderschulen mit fast 60.000 Kinder in vier Jahrgängen.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, noch wesentlich schwieriger ist es aber, die anschließende Aufnahme neuer Musikschülerinnen und -schüler in den Musikschulen zu gewährleisten. Die Finanzierung der sächsischen Musikschulen in der Mischung von kommunalen und Kulturraum-Mitteln sowie dem Landeszuschuss muss ich hier nicht weiter ausführen. Die prekäre Situation haben wir oft genug diskutiert. Um einen Vergleich mit der Botanik zu wagen: Wenn Sie im Frühling die schönsten Blumen säen, müssen Sie sich auch Gedanken machen, wer im Hochsommer gießen kommt. Für uns GRÜNE steht fest, dass wir es nicht ausschließlich dem Geldbeutel der Eltern oder irgendeinem privaten Spendersegen überlassen können, dass mehr Kinder in Sachsen dauerhaft Instrumentalunterricht erhalten.
Wir werden weitere Rahmenbedingungen diskutieren müssen. Da geht es vor allem die Qualifizierung der Musiklehrerinnen und -lehrer für den Unterricht in größeren und heterogenen Gruppen. Im Grundschulalter funktioniert das Musiklernen vor allem über das Vormachen und Nachmachen. Das Wissen dafür ist in den Musikschulen nicht immer vorhanden, woraus sich Anforderungen an die Aus- und Weiterbildung ergeben. Hinzu kommt, dass bisher etwa gleiche Anteile von fest angestellten Musiklehrkräften und Honorarkräften beteiligt waren. Auch das muss kritisch hinterfragt werden, zum Beispiel hinsichtlich der Weiterbildung der Honorarkräfte.
Uns stellen sich noch weitere offene Fragen, auf die Sie, Frau Staatsministerin von Schorlemer, vielleicht eingehen können. Beispielsweise, welche Rolle die neue zusammengeführte Förderrichtlinie für Kulturelle Bildung und für Musikschulen im Zusammenhang mit einem Standardprogramm JeKi spielen soll.
Denkbar ist für uns GRÜNE zudem eine perspektivische Erweiterung des Ansatzes von JeKi auf andere Formen künstlerischer Praxis wie beispielsweise Theater, bildende Künste und Tanz. Diese Wahloptionen eröffnen den Schulen Möglichkeiten der Profilbildung und solchen Kindern Chancen auf kulturelle Teilhabe, die, aus welchem Grund auch immer, nicht viel mit Instrumenten anfangen können.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, dem vorliegenden Antrag können wir zunächst einmal zustimmen. Wie ernst die Koalition es meint, werden wir ja dann spätestens bei Vorlage des Konzeptes diskutieren.
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