Karl-Heinz Gerstenberg: Mehr Transparenz, nicht allein bei Nebeneinkünften von Abgeordneten
Rede von Dr. Karl-Heinz Gerstenberg zum SPD-Antrag "Mehr Transparenz bei Nebeneinkünften von Mitgliedern des Sächsischen Landtags" (Drs. 5/11384) 72. Sitzung des Sächsischen Landtages, 14. März 2013, TOP 7
– Es gilt das gesprochene Wort –
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Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
worum geht es bei der Offenlegung von Nebentätigkeiten von Abgeordneten?
Es geht ganz und gar nicht um eine Neiddebatte über die Höhe der Nebeneinkünfte von Abgeordneten. Eine solche Interpretation der Debatte lehnen wir ab. Ebenso geht es nicht um irgendwelche "Verbote". Es geht um unser aller Rechenschaftspflicht gegenüber der Wählerin und dem Wähler, ob und inwieweit wirtschaftliche Interessen Einfluss auf den Inhalt parlamentarischer Entscheidungen haben. Ein Einfluss wird durch Anzeige- und Offenlegungspflichten nicht unterstellt, vielmehr werden dadurch dem Wähler die notwendigen Informationen bereit gestellt.
Zur "Transparenzoffensive" der SPD…
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, Sie fordern mehr Transparenz bei Nebeneinkünften von Mitgliedern des Sächsischen Landtags – damit rennen Sie bei uns offene Türen ein.
Nicht von ungefähr haben wir in der letzten Legislatur einen entsprechenden Gesetzentwurf in den Sächsischen Landtag eingebracht – und nicht von ungefähr haben wir darin die Offenlegung von Nebeneinkünften unter dem politischen Titel "Schutz der Freiheit der Mandatsausübung" gefordert.
Auf der Bundesebene haben wir GRÜNE im vergangenen Herbst eine umfassende Transparenzinitiative gestartet, die über die Offenlegung von Nebeneinkünften weit hinaus geht. Dazu gehören u.a. die Einführung des Straftatbestandes der Abgeordnetenbestechung, die Beschränkung von Parteiensponsoring, die Einführung eines verbindlichen Lobbyregisters und die Genehmigungspflicht für die Berufstätigkeit von ausgeschiedenen Regierungsmitgliedern.
Im Deutschen Bundestag läuft ja bereits das parlamentarische Verfahren, in dem die Verhaltensregeln in der Geschäftsordnung geändert werden sollen. Die GRÜNE-Bundestagsfraktion hat aktuell zusammen mit der SPD-Fraktion einen Antrag auf eine verschärfte Offenlegung von Nebeneinkünften von Mitgliedern des Bundestages eingebracht.
Grundsätzlich geht es dabei um die Offenlegung auf "Euro und Cent", unbestreitbar das "Idealbild eines offenen, in jeder Hinsicht durchschaubaren Prozesses politischer Willensbildung" – wie es die Bundesverfassungsrichter in ihrer Entscheidung vom 4. Juli 2007 unter Randzahl 327 formulierten.
Ein Schritt in die richtige Richtung ist es aber auch schon, um insbesondere den Interessen der Berufsgeheimnisträger entgegenzukommen, ein detailgenaueres Stufenmodell bei der Veröffentlichungspflicht zu etablieren, damit höhere Nebeneinkünfte überhaupt sichtbar werden.
Aktuelle Rechtslage in Sachsen: Drei-Stufen-Modell
In Sachsen gibt es seit Ende 2007 Veröffentlichungspflichten hinsichtlich Nebeneinkünften, aber lediglich in drei Einkommensstufen. Die Stufe 1 erfasst einmalige oder regelmäßige monatliche Einkünfte in einer Größenordnung von 1.000 bis 3.500 Euro, die Stufe 2 Einkünfte bis 7.000 Euro und die Stufe 3 Einkünfte über 7.000 Euro.
Wir sehen hier erheblichen Reformbedarf: Insbesondere die Stufe 3, in die Einnahmen von 7.001 Euro ebenso fallen wie Einnahmen von weit über 100.000 Euro, ist nicht geeignet, mögliche wirtschaftliche Abhängigkeiten offenbar werden zu lassen. Hier ist es naheliegend, weitere Stufen einführen, etwa bei 10.000 Euro, 15.000 Euro, 20.000 Euro usw. Ein vergleichbar verfeinertes Zehnstufensystem wird die Mehrheit des Deutschen Bundestages heute Abend beschließen.
Schließlich noch ein kritisches Wort zum Initiativantrag der SPD.
Erstens: Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, wir hätten uns schon gewünscht, dass Sie konkrete inhaltliche Vorschläge machen und die Initiative für eine Reform der Offenlegungspflichten nicht dem Landtagspräsidenten übertragen. Interfraktionelle Arbeitsgruppen sind aus unserer Erfahrung heraus nur erfolgreich, wenn Sie aus dem Willen der beteiligten Fraktionen heraus entstehen.
Zweitens: Wir werden uns an einer solchen Arbeitsgruppe selbstverständlich beteiligen, auch wenn heute der Landtagspräsident nicht beauftragt wird. Allerdings fühlen wir uns an die Beschränkung des Arbeitsauftrages der Arbeitsgruppe, für die die SPD ja sogar schon den Titel vorschreibt, nicht gebunden. So sollten wir auch über weitere Transparenzfragen sprechen, wie beispielsweise die Einführung eines Lobbyregisters, das zur Zeit im Brandenburger Landtag – auf ursprüngliche Initiative der dortigen CDU – diskutiert wird.
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