Karl-Heinz Gerstenberg: Statt Korrekturen vorzunehmen, werden Trostpflaster ausgereicht – zukunftsorientierte Kulturpolitik sieht anders aus

Rede des Abgeordneten Karl-Heinz Gerstenberg in der Debatte "Haushaltsplan 2013/14, EP 12 Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst", 66. Sitzung des Sächsischen Landtages, 11. Dezember 2012, TOP 1.5

– Es gilt das gesprochene Wort –
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Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

wenn man sich einmal die Jubelmeldungen der vergangenen Monate aus dem Wissenschaftsministerium und der Regierungskoalition ansieht, könnte man fast den Eindruck gewinnen: Jetzt wird alles anders. Nach Jahren, in denen die sächsischen Hochschulen eine Kürzungsrunde nach der nächsten durchleiden mussten, war nun von Aufstockungen die Rede, die Forschungsförderung sollte aufgewertet werden, die Berufsakademien mehr finanzielle Mittel erhalten. Dazu kam noch der geradezu frenetisch gefeierte Spitzenplatz der sächsischen Hochschulen bei der Einwerbung von Drittmitteln. Ja, man könnte den Eindruck gewinnen: Es läuft alles rund an Sachsens Hochschulen.

Nur ist die Realität leider eine andere. Sie zeigt ein weitaus differenzierteres Bild. Nicht die Hochschulen insgesamt werden in ihren Forschungsbemühungen unterstützt – allenfalls die Fachhochschulen sowie die Biotechnologie. Da bekommt der Spitzenplatz in der Drittmitteleinwerbung natürlich schnell einen sehr schalen Beigeschmack – denn die Hochschulen werben ja nicht aus purem Vergnügen soviel Gelder ein, sondern tun dies aus der blanken Not. Im Haushalt fehlt hier jede Spur eines Paradigmenwechsels.

Ihrer Logik folgend könnte man meinen, die einzige Aufgabe der sächsischen Hochschulen wäre die Forschung – auch der Ministerpräsident sprach in seiner heutigen Rede nur davon. Forschung ist aber nur ein Teil der Wahrheit, der andere wäre eine qualitätsvolle Lehre. Diese für unser Land angesichts des wachsenden Fachkräftemangels existenziell wichtige Aufgabe wird auch in diesem Haushalt sträflich vernachlässig. So halten Sie nach wie vor an den geplanten Stellenkürzungen fest, und dies, obwohl die Studierendenzahlen auch im laufenden Wintersemester auf einem Hoch sind. Paradoxerweise schaffen Sie gleichzeitig neue befristete Stellen, um die Überlast in der Lehre etwas abzufedern. Wie sie unter solchen prekären Vorzeichen wirklich hoch motivierte und hoch qualifizierte Lehrende an die Hochschulen bekommen wollen, ist wohl nicht nur mir ein Rätsel.

Solche Widersprüche sind aber prägend für diesen Haushalt: So freut man sich man sich offiziell im Wissenschaftsministerium, dass immer mehr ausländische Studierende an die sächsischen Hochschulen kommen, gleichzeitig kürzt die Koalition das Stipendienprogramm für ebendiese Zielgruppe zusammen. Im gerade einmal ein Jahr alten Hochschulentwicklungsplan schreiben Sie sich die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses ins Stammbuch – und kürzen fleißig die Graduiertenförderung.

Und ja, natürlich freuen sich die Studentenwerke über die Aufbesserung ihrer Landesmittel – und wir mit ihnen. Aber angesichts der Aufgaben, die die Studentenwerke zu bewältigen haben, zeigt sich schnell, dass diese Erhöhung nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist. Die Zeche zahlen wie bisher die Studierenden über ihre stetig steigenden Semesterbeiträge.

Im Grunde ist dieser Haushalt die Fortsetzung eines bereits seit Längerem sichtbaren Trends Ihrer Hochschulpolitik: Wenige, einträglich erscheinende Leuchtturmprojekte werden wirklich gefördert, der Rest erfährt allenfalls kosmetische Verbesserungen.

Sehr geehrte Damen und Herren von der Koalition,
auch Ihre sogenannten Verbesserungen für die Kultur in Sachsen sehen wir kritisch. Ihre Strategie ist leicht zu durchschauen: Strukturelle Fehlentscheidungen werden schön geredet. Statt Korrekturen vorzunehmen, werden Trostpflaster ausgereicht, um sich die Zustimmung im Land zu sichern. Eine solide und zukunftsorientierte Kulturpolitik sieht anders aus.

Gegenüber den Medien haben Sie verkündet, sie wollen der Kultur "deutlich mehr Geld" geben. Dabei gilt offensichtlich: Nach der Peitsche im laufenden Haushalt soll jetzt das Zuckerbrot kommen. Was im letzen Haushalt gekürzt wurde, wird jetzt zum Teil wieder eingestellt, wie beispielsweise die Landesmittel für die Musikschulen. Wollten Sie hier Grenzen ausloten, wie viel der Kultur in Sachsen zugemutet werden kann? Sie inszenieren sich jetzt als Retter in der Not. Betrachtet man Ihre Politik über mehrere Haushaltsjahre hinweg, bleibt nur festzustellen: Sie machen Kultur zur Verfügungsmasse.

Das Beispiel Kulturräume zeigt, dass Ihre Linie in die vollkommen falsche Richtung weist. So sollen 3,2 Millionen Euro für die Landesbühnen Sachsen weiterhin aus den Kulturraummitteln abgezweigt werden – Geld, das überall im Land spürbar fehlt. Ich hatte deshalb gehofft, dass Sie zumindest diesen Fehler rückgängig machen. Stattdessen soll das Ministerium in den beiden folgenden Jahren jeweils 2,5 Millionen Euro für Investitionen an kulturelle Einrichtungen ausreichen. Warum geben Sie das Geld nicht direkt in die Kulturräume und deren Gremien? Ihnen fehlt in der Koalition offensichtlich das Vertrauen in die Verantwortlichen vor Ort. Dieses Vertrauen ist jedoch tragendes Element des Kulturraumgesetzes. Ihre Maßnahme ist kaum mehr als ein Trostpflaster, während überall im Land Kulturangebote wegen steigender Kosten für Personal und Betrieb in die Knie gehen.

Aber ein Ausgleich für die Mitfinanzierung der Landesbühnen wäre nicht genug. Die Zuweisungen an die Kulturräume befinden sich seit 2005 auf dem gleichen Niveau. Die Mittel für staatliche Kultureinrichtungen wie Semperoper und Staatsschauspiel stiegen in den vergangenen Jahren kontinuierlich an. Diese Aufstockungen sind gut und richtig – sie werden vor allem zum Ausgleich steigender Personalkosten benötigt. Aber die kommunalen Kulturangebote trifft der Kostendruck ebenso hart. Ihr Kurs, meine Damen und Herren von Staatsregierung und Koalitionsfraktionen, zielt auf eine Zentralisierung der sächsischen Kultur. Ich halte es für einen Bruch mit dem langjährigen kulturpolitischen Konsens in diesem Haus, wenn nur noch die kulturellen Leuchttürme strahlen sollen und im Land nach und nach das Licht ausgeht.

Auch bei den Gedenkstätten brechen Sie mit einer gesetzlichen Systematik. Wir haben gerade erst gemeinsam im neuen Gedenkstättenstiftungsgesetz die Reihe der institutionell zu fördernden Einrichtungen von zwei auf acht erweitert. Die im Haushaltsentwurf vorgesehene Erhöhung des Zuschusses an die Stiftung um jährlich nur 220.000 Euro würde die Entwicklungsmöglichkeiten der Gedenkstätten allerdings enorm beschränken. Andererseits sollen nach dem Willen der Koalition insgesamt 900.000 Euro allein für den noch in Konzipierung befindlichen Gedenkort Chemnitz-Kaßberg ausgegeben werden. Meine Damen und Herren, wissen Sie eigentlich, was Sie tun? Zugunsten eines guten Zieles gefährden Sie einen mühsam ausgehandelten und sensiblen Kompromiss zwischen den Verbänden und Initiativen. Das ist unverantwortlich!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Wissenschaft und Hochschule sowie Erhalt und Entwicklung der sächsischen Kulturlandschaft müssen eine Priorität im Haushalt haben. Wir haben mit unseren Änderungsanträgen gezeigt, dass dies sehr wohl möglich ist, selbstverständlich ohne Neuverschuldung und trotz Schuldenabbau.
Der Einzelplan 12, wie er uns jetzt vorliegt, leistet das nicht. Wir lehnen ihn ab.

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