Karl-Heinz Gerstenberg zu den neuen Herausforderungen der SLUB

Der Übergang von der Papier- zur Digitalbibliothek erfordert durch die Notwendigkeit neuer Recherchedienste eher mehr Personal, Einsparungen durch digitale Nutzungen halte ich für illusorisch
Redebeitrag des Abgeordneten Karl-Heinz Gerstenberg zum Antrag „Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek stärken und Exzellenz fördern“ in der 29. Sitzung des Sächsischen Landtages, 20.01., TOP 2
Es gilt das gesprochene Wort!
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Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!
Es ist lange her, dass ich im Landtag an einer Debatte zu diesem Thema teilnehmen konnte. Ich gehörte in der 1. Legislaturperiode zu den Abgeordneten, die für die Umwandlung des Erlweinspeichers in einen Bücherspeicher namens Sächsische Landesbibliothek gekämpft haben. Nach über 15 Jahren muss ich rückblickend sagen: Der lange umstrittene und 1995 gesetzlich gefasste Zusammenschluss von Universitätsbibliothek der TU Dresden und Sächsischer Landesbibliothek war und ist richtig!
Jetzt, im Jahr 2011, steht die SLUB vor neuen Herausforderungen. Sie ist Teil des Netzwerkes „DRESDEN-concept“, mit dem die TU Dresden in der zweiten Runde der Exzellenzinitiative auch in der Kategorie Zukunftskonzept punkten will.
Bei der Umsetzung des „DRESDEN-concept“ werden die Anforderungen an die SLUB durch stärkere Vernetzung und Nutzung steigen. Auch der Übergang von der Papier- zur Digitalbibliothek erfordert durch die Notwendigkeit neuer Recherchedienste eher mehr Personal, Einsparungen durch digitale Nutzungen halte ich für illusorisch. Und nicht zuletzt stellen das Einbinden und Archivieren neuer Medien ebenfalls höhere Anforderungen.
Werte Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, deshalb sollten wir uns über eines klar sein: Die aktuellen und zukünftigen Anforderungen an die SLUB lassen sich durch eine flexiblere Organisation allein nicht lösen!
Deutlich wird das schon durch einige Blicke in den Struktur- und Entwicklungsplan für die wissenschaftliche Literatur- und Informationsversorgung im Freistaat Sachsen – das 2008 verabschiedete Fachkonzept des SMWK.
Beispiel 1: Medien. Um die Literatur- und Informationsversorgung des Konsortiums sächsischer wissenschaftlicher Bibliotheken optimal abzusichern, wäre ein jährliches Finanzvolumen von 4,5 Millionen Euro notwendig. Im frisch beschlossenen Haushalt stehen aber lediglich 1,3 Millionen zur Verfügung.
Beispiel 2: Personal. Bereits 2008 wurde im Bibliothekskonzept die personelle Situation der SLUB als extrem angespannt beschrieben. Von 2003 bis 2010 ist die Zahl der festen Stellen von 403 auf 279 gesunken, das ist eine Reduktion um 31 Prozent in nur 7 Jahren! In der SLUB wird das zu Recht als „freier Fall im Personalbereich“ bezeichnet. Da es kaum Möglichkeiten für Neueinstellungen von jungen Fachkräften gab, hatte die Belegschaft bereits 2008 einen Altersdurchschnitt von 49 Jahren und lag damit weit über dem Durchschnitt des öffentlichen Dienstes in Sachsen oder gar in Deutschland. Trotz dieser Situation sollen bis 2016 weitere 22 Stellen abgebaut werden. Zwar kann die SLUB innerhalb des Stellenabbaukonzeptes zwei Drittel der frei werdenden Stellen neu besetzen. Das ist jedoch bestenfalls ein Hilfsfallschirm, der den freien Fall etwas bremsen, aber nicht aufhalten kann.
Diese Beispiele zeigen: Es ist kein Zufall, dass Rechts- oder Organisationsformen der SLUB weder im Bibliothekskonzept 2008 noch in der Exzellenz-Bewerbung der TU Dresden eine Rolle spielen. Wesentlich wichtiger sind ausreichende finanzielle und personelle Ressourcen. Exzellenz gibt es nicht zum Nulltarif!
Insofern trügt der Eindruck des Antrages, die Änderung von Rechts- und Organisationsformen sei die Voraussetzung für die Umsetzung des Exzellenzanspruchs an die SLUB. Allerdings braucht die SLUB auch aus Sicht unserer Fraktion größere Flexibilität beim Personaleinsatz.
Nachwuchsförderung und Einstellung junger Fachkräfte ist durch Abkehr vom engen Stellenplanprinzip besser zu leisten. Und sie braucht größere Freiheit bei der Bewirtschaftung ihrer Haushaltsmittel. Deshalb müsste vor allem die in § 5 des SLUB-Gesetzes festgezurrte Haushaltsplanbindung gelockert werden.
Die Leitung der SLUB strebt im Interesse solcher Flexibilität eine Rechtsformänderung an. Ein deutschlandweiter Rundblick zeigt dafür eine Fülle von Optionen: Diese reichen von der Stiftung wie bei der Zentral- und Landesbibliothek Berlin über den Staatsbetrieb Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg bis zur Bayerischen Staatsbibliothek, die als nachgeordnete Behörde des Bayerischen Wissenschaftsministeriums eher eng angebunden ist. Das hindert sie jedoch nicht daran, eine der besten Landesbibliotheken Deutschlands zu sein. Offensichtlich gilt: Die Ziele größerer Flexibilität lassen sich in unterschiedlichen Rechtsformen erreichen.
Deshalb ist bei der SLUB eine Änderung der Rechtsform denkbar, aber nicht zwingend. Zunächst sollten Möglichkeiten der Flexibilisierung in der bestehenden Form „Anstalt öffentlichen Rechts“ geprüft werden. Die Studentenwerke zeigen, welche Reserven an Gestaltungsfreiheit hier zu erschließen sind. Auch die Umwandlung in einen Staatsbetrieb, wie bei den Staatlichen Kunstsammlungen, könnte eine sinnvolle Lösung sein. Kritisch betrachten wir die Stiftungslösung. Die Steuerungsmöglichkeiten des Freistaates wären hier eng begrenzt, wohingegen die Hoffnungen auf Zustiftungen erfahrungsgemäß unrealistisch sind.
Jede Änderung der Rechts- oder Organisationsform hat jedoch aus Sicht unserer Fraktion zwei grundlegende Anforderungen zu erfüllen: Die größere Handlungs- und Gestaltungsfreiheit für die SLUB muss auf jeden Fall einhergehen mit einer vertraglichen Steuerung über Zielvereinbarungen, in denen die fachlichen Ziele, das dafür verfügbare Personalvolumen und die finanziellen Zuschüsse geregelt werden. Und ebenso ist es für uns selbstverständlich, dass Änderungen nicht auf Kosten der Beschäftigten erfolgen dürfen. Das heißt, Tarifbindung und ein angemessener Anteil unbefristeter Stellen muss auch in jeder anderen Rechtsform sichergestellt werden.
Da der Antrag entsprechend offen formuliert ist, stimmen wir ihm zu. Wir sind gespannt auf die angeforderte Bewertung der Staatsregierung und werden sie offen und kritisch prüfen.