Karl-Heinz Gerstenberg zum Antrag „Gebührenstabilität für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk erhalten – Strukturen auf den Prüfstand stellen“
Kern des CDU/FDP-Antrags ist reiner Gebührenpopulismus und ein Angriff auf die Zukunftsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
Redebeitrag des Abgeordneten Karl-Heinz Gerstenberg zum Antrag „Gebührenstabilität für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk erhalten – Strukturen auf den Prüfstand stellen“ (CDU/FDP, Drs. 5/6129) in der 39. Sitzung des Sächsischen Landtages, 30.06., TOP 5
Es gilt das gesprochene Wort!
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Sehr geehrter Herr Präsident!Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist die Basis des dualen Rundfunksystems. Insbesondere soll er allen Bevölkerungsgruppen eine pluralistische Meinungsbildung ermöglichen. Wenn es um die Frage geht, inwieweit die Rundfunkanstalten diese Aufgaben angemessen und zeitgemäß erfüllen, begrüßen wir das als GRÜNE-Fraktion grundsätzlich. Auch wir sind der Meinung, dass die Gebühren- bzw. Beitragszahlerinnen und -zahler nicht im Übermaß belastet werden dürfen.
In der AG Beitragsstabilität wird nun nach Möglichkeiten einer Kostenreduzierung gesucht. Herr Staatsminister Beermann, Sie haben ja bereits vielfach öffentlich verkündet, wie Sie sich das konkret vorstellen. In diversen Interviews haben Sie die dritten Programme ebenso zur Disposition gestellt wie die Rundfunkorchester oder 3sat.
Der vorliegende Antrag kommt nicht so vordergründig kulturfeindlich daher. Einzelne Punkte sind durchaus diskutabel. Zunächst ist überhaupt nichts dagegen einzuwenden, wenn Sie die Doppelausstrahlungen von königlichen Hochzeiten kritisieren. ARD und ZDF sollen kooperieren und nicht konkurrieren. Wir brauchen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk auch keinen Abklatsch des ausschließlich quotenfixierten Privatrundfunks und keine Traumhonorare für Talkmaster.
Aber der Ansatz ihres Zielpapiers für die Arbeitsgruppe ist ein ganz anderer. Sie wollen den Beitrag auf politischem Wege deckeln. Den Programmauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wollen Sie über die allgemeine Rundfunkgesetzgebung „konkretisieren“. Im Klartext heißt das: Sie wollen ihn beschneiden. Dabei ist dieser Auftrag verfassungsrechtlich klar formuliert. Rundfunkfreiheit heißt Programmfreiheit und der Rundfunkauftrag ist kein Ausschneidebogen, an dem die Politik beliebig herumschnippeln kann!
Würde man Ihrem Ansatz folgen und unabhängig vom zukünftigen Bedarf den Beitrag auf Dauer zementieren, hieße das, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk langfristig abzuschaffen. Hinter der „Fortentwicklung“, wie es im Zielpapier der AG heißt, verbirgt sich die Absicht der Einschränkung. Das ist Gebührenpopulismus pur, Herr Staatsminister Beermann! Wir fordern Sie auf, offen und ganz konkret zu sagen, was Sie wegsparen wollen und dabei auch die Konsequenzen zu benennen!
Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen,
der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat durch das Grundgesetz eine Entwicklungsgarantie, er braucht auch eine Qualitätsgarantie. Wir fordern auch die Rundfunkanstalten auf, zu überprüfen, wie sie ihren Auftrag besser als bisher und effizienter erfüllen können. Ebenso, wie sie sich um Sparmöglichkeiten bemühen sollten, müssen sie aber mit neuen Medienentwicklungen mitgehen können.
Deshalb sind wir alarmiert, wenn die Fraktionen von CDU und FDP in ihrem Antrag auch die „Rahmenbedingungen für Online-Angebote“ überprüft wissen wollen. Das kann nichts anderes heißen, als die Internetangebote noch weiter einzudämmen. Auch Ministerpräsident Tillich machte sich ja unlängst in einem Interview in der LVZ über die Internetaktivitäten der Sender Sorgen.
Werte Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, Sie scheinen sich noch in der medialen Steinzeit zu befinden! Die Medienkonvergenz schreitet voran, die Grenzen zwischen einzelnen Medien lösen sich auf. Auf die Qualität und die Vielfalt der Inhalte kommt es an, und nicht auf den Verbreitungsweg.
Heute ist Rundfunk etwas anderes als noch vor einigen Jahren. Immer mehr Menschen nutzen Radio- und Fernsehangebote über das Internet. Bei den 16- bis 24-Jährigen sind das bereits 45 Prozent. Die öffentlich-rechtlichen Anstalten müssen mit dieser Entwicklung Schritt halten, um ihren Auftrag zeitgemäß zu erfüllen und ihre Akzeptanz insbesondere bei den jüngeren Generationen nicht zu verlieren. Sie müssen Inhalte auch in Form von Texten anbieten können. Außerdem kann schon heute niemand den Beitragszahlern erklären, warum von ihnen finanzierte Sendungen nur sieben Tage im Netz zugänglich sind.
Fernsehen, Radio und Internet müssen bei öffentlich-rechtlichen Angeboten gleichberechtigt nebeneinander stehen. Dafür gilt es einen rundfunkrechtlichen Rahmen schaffen. Das ist seit Langem eine GRÜNE Forderung, deren Erfüllung immer dringlicher wird.
Ein weiterer Bereich, in dem dringend etwas passieren muss, sind Angebote für Jugendliche – die Beitragszahler von morgen. Es gehört zum öffentlich-rechtlichen Programmauftrag, alle Bevölkerungsgruppen mit vielfältigen Angeboten zu erreichen. Insbesondere der MDR verliert aber die Jugendlichen zunehmend aus dem Blick. Ihre Nutzergewohnheiten sind heute durch Soziale Onlinenetzwerke und Videoplattformen bestimmt. Sie erwarten immer mehr, sich ein Programm spontan selbst zusammenstellen zu können und wollen mehr Interaktion. Es handelt sich also um einen wichtigen Bereich, in dem sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk weiter entwickeln muss.
Werte Kolleginnen und Kollegen,
Kern dieses Antrages ist ein reiner Gebührenpopulismus und ein Angriff auf die Zukunftsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Deshalb werden wir ihn ablehnen.